zum Hauptinhalt

Sport: WM-Finale mit kaputten Knien

Deutschland gegen Italien: Die Wiederauflage des Endspiels von 1982 endet 4:4

Diese Mannschaft hat Erfahrungen mit Absprachen: 1982 hat die deutsche Nationalelf die Vorrunde der Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien nur überstanden, weil sie einen Nichtangriffspakt mit Österreich geschlossen hatte. Am Ende, nachdem Toni Schumacher im Halbfinale auch noch ein brutales Foul an einem französischen Spieler begangen hatte, stand Deutschland Italien gegenüber – und war unbeliebt. Das Finale vor 25 Jahren endete zur allgemeinen Genugtuung – außer auf deutscher Seite – mit 3:1 Toren für Italien. Und jetzt traten diese zwei Mannschaften wieder gegeneinander an. Ergraut, mit Knieproblemen, von manchem Zipperlein geplagt, trafen die Spieler am Freitagabend im Stuttgarter Daimler-Stadion aufeinander. Und wieder wurde gemunkelt, es habe eine Absprache gegeben. 4:4 geht das Spiel aus.

Der Anfang verhieß nichts Gutes: Die Spieler liefen nicht aufs Spielfeld, sie wurden gefahren. Ein Sponsor wollte seine Fahrzeuge in Szene setzen. Als Paolo Rossi ins Stadion rollt, macht sich bei den Italienern Jubel breit: Rossi wird noch immer dafür gefeiert, damals das 1:0 geschossen zu haben. Zwei berühmte Gastspieler folgen ihm, der Rennfahrer Michael Schumacher in einem gemächlich schleichenden Fiat Topolino und Eros Ramazzotti, der in einem PS-Protz über die Aschenbahn fuhr, sonst aber als Sänger von Schmachtfetzen bekannt ist. Am meisten Applaus erhält der zuletzt einfahrende Hansi Müller. Ihm fliegt die Sympathie zu: Zum einen feiert er seinen 50. Geburtstag, zum anderen hat er das Spiel organisiert und den Erlös für eine Stiftung, die sich um kranke Kinder kümmert, bestimmt. Und er widmet das Spiel in einer Ansprache vor dem Anpfiff seiner Frau Claudia. Sie starb vor zwei Jahren an Krebs. „Vielen Dank, Claudia, du bist bei uns, das weiß ich, hier im Stadion“, sagt Müller, „jetzt aber Spaß!“

Es macht tatsächlich Spaß, den alten Recken beim Kicken zuzuschauen. Manch spektakulären Spielzug haben sie noch drauf, und natürlich muss es auch früh einen Elfmeter geben. Der Originalschiedsrichter Arnaldo Cesar Coelho zeigt auf den Punkt, und natürlich verschießt Hansi Müller wie anno dazumal Bruno Conti den Originalelfmeter. Oder war es ein Versehen? Zum schnellen Durchstarten reicht die Kondition nicht mehr bei allen. Klaus Fischer ist mit 57 Jahren der älteste Spieler. Den Fallrückzieher, für den er bekannt ist, überlässt er jetzt anderen. Karl-Heinz Rummenigge wagt ihn. „Das macht er ab und an!“, sagt Paul Breitner. Der Ball geht zwar ins Aus, die 40 000 Zuschauer danken Rummenigge die Einlage dennoch mit Szenenapplaus.

Die zweite Halbzeit, es steht 3:1 – für Deutschland. Michael Schumacher, Karl-Heinz Rummenigge und Horst Hrubesch heißen die Schützen bei den Deutschen, Francesco Graziani traf für die Azzurri. Die Italiener auf dem Feld bäumen sich auf, die im Publikum schleudern Flüche raus. Und auch so etwas gibt es: „Horst Hrubesch verlässt das Feld, Hansi Müller kehrt zurück“, verkündet der Stadionsprecher. Fulvio Collovati krampft jetzt, Hansi Müller kämpft. 4:2! Wenn es eine Absprache gab, dann müssen die Italiener, die lange Zeit stärker als die Deutschen spielten, jetzt in Gang kommen.

Vier Minuten vor Schluss steht es dann doch 4:4, und so wird es auch bleiben. Paul Breitner meint, es komme eh nicht mehr darauf an, die Italiener zu schlagen, sondern zu sehen, „wie weit einen die eigenen Füße tragen“. Paolo Rossi sieht das anders: „Ich will immer gewinnen, erst recht, wenn ich das blaue Trikot anhabe.“ Unbedingt habe er mitspielen wollen, trotz seiner Probleme mit den Knien. Und Hansi Müller schaut bei der anschließenden Feier in die Zukunft: „Bei meinem 75. Geburtstag spielen wir wieder drüben im Stadion – im Rollstuhl.“

Sandro Mattioli[Stuttgart]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false