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WM 2006 - Deutschland - Portugal

© dpa

WM-Form: Willkommen im Turnier, Deutschland

Die Helden der WM 2006 sind zurück. Verspätet haben sie sich in EM-Form gespielt – Jens Lehmann, Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger oder Arne Friedrich. Sie finden alle wieder zusammen.

Miroslav Klose umweht immer eine Prise Unentschlossenheit. Warum eigentlich? Der deutsche Nationalstürmer hat 79 Länderspiele in den Beinen und dabei 40 Tore erzielt. Weltweit gibt es wenige, die das vorweisen können. Und doch ist Klose nicht ganz oben angekommen. Wird der Klose etwa nie ein großer Sieger?

Die Frage so zu stellen, ist vielleicht ein wenig ungerecht. Und dennoch angebracht. Vielleicht kann Klose bei dieser Europameisterschaft den Gegenbeweis antreten. Sagen möchte er dazu nichts. Reden ist nicht seine stärkste Waffe. Sieht er ein Bündel Mikrofone vor sich, schreckt er zurück. Es muss ihm vorkommen, als sei ein ganzes Bündel Gewehre auf ihn gerichtet. Dabei ist Klose ein Spieler, der gemocht wird. Denn es gibt ja auch noch die andere Seite an ihm, wenn das Unentschlossene etwas Fürsorgliches bekommt.

Miroslav Klose hatte vor dem Turnier eine Wette mit Italiens Stürmer Luca Toni abgeschlossen. Beim FC Bayern hat Toni ihm die Schau gestohlen, deshalb wettete Klose, dass er bei der EM mehr Tore schieße. Da Toni, der arme, trotz bester Gelegenheiten überhaupt noch nicht getroffen hat, erkundigte Klose sich bei ihm, ob er Sorgen habe und er nicht irgendwie helfen könne. Nein, habe Toni via SMS „getextet“, Klose könne ihm nicht helfen. Toni habe nämlich ein Problem mit seinem besten Freund, dem Ball. Und dieser mache, so Toni zu Klose, „im Augenblick, was er will“.

Als Miroslav Klose das erzählt, bekommt sein Gesicht etwas Diebisches. „Ganz so schlimm ist es bei mir ja nicht“, sagt er und kichert ins Mikrofon. Stimmt, Klose hat schon einmal getroffen – immerhin gegen Portugal. Und das ist vielleicht die beste Nachricht für die Deutschen vor dem Halbfinale. In der Vorrunde fiel Klose im gegnerischen Strafraum nur durch Unentschlossenheit auf; statt den direkten Torabschluss zu suchen, suchte er mit belanglosen Querpässen Mario Gomez, der vermutlich bis heute noch nicht weiß, wo die Österreicher ihr Tor hatten.

Es war kein gutes Zeichen für die Deutschen, dass ihr Vorzeigestürmer nicht traf. Denn bisher galt Klose zumindest als weltbester Vorrundenstürmer. Eingehandelt hatte er sich diesen Ruf, weil er bei den beiden vergangenen Weltmeisterschaften jeweils in der sogenannten Aufwärmrunde so oft traf wie kein anderer vor ihm. Allerdings hing ihm prompt das Prädikat an, nur gegen kleine Fußballnationen zu treffen. Selbst als er vor zwei Jahren mit fünf Treffern WM-Torschützenkönig wurde, hatte er nur ein Tor gegen eine große Fußballnation erzielt, das zwischenzeitliche 1:1 gegen Argentinien im Viertelfinale. Aber jetzt gibt es das frische Kopfballtor gegen Portugal, ebenfalls im Viertelfinale. „Für mich hat das Turnier erst mit dem Spiel gegen Portugal angefangen“, sagt Klose. Es ist gut, dass Miroslav Klose dann in Form kommt, wenn er wirklich gebraucht wird. Das gilt auch für ein paar andere Spieler, die bei der WM vor zwei Jahren wesentlichen Anteil am Erfolg der Deutschen hatten. Jens Lehmann etwa. Oder Bastian Schweinsteiger. Oder Lukas Podolski. Sie finden alle wieder zusammen.

Mit Beginn der sogenannten Knockout-Runde scheinen jene ihre Bestform zu erreichen, die bisher eher so mitliefen. „Wir sind eine Turniermannschaft“, sagt Klose knapp: „Wir sind froh, dass wir endlich mal Fußball gespielt haben.“

Vor allem Jens Lehmann haben die ersten Spiele Sicherheit gegeben. Während der Elfmeter-Held der WM anfangs fahrig wirkte, fing er gegen Portugal die meisten Bälle sehr sicher. „Er zeigt jetzt die Leistung, die wir von ihm erwarten“, sagt Andreas Köpke. Der Torwarttrainer, der beim letzten Titelgewinn der Deutschen bei der EM 1996 noch als Aktiver auf dem Platz stand, hat für Lehmanns Formanstieg eine simple Erklärung: „Je länger ein Turnier dauert, je höher der Druck wird, desto besser wird der Jens.“ Auch Arne Friedrich berichtet vom Extrareiz, den Spiele in der entscheidenden Turnierphase aussenden. „Je attraktiver der Gegenspieler, desto motivierter bin ich“, sagt der Berliner. Vor zwei Jahren hatte der Außenverteidiger sich im Viertelfinale mit Argentiniens Superstar Tevez auseinanderzusetzen. „Arne, er muss deinen Atem spüren“, hatte der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann dem Berliner auf dem Weg gegeben. Dieses Mal brachte Friedrich Portugals Weltstar Cristiano Ronaldo unter Kontrolle. „Für mich war das Spiel und die Aufgabe hervorragend“, sagt der 29-Jährige. „Ich konnte mich richtig reinbeißen.“

Die Zeichen stehen gut im deutschen Lager. Oder, wie es Andreas Köpke ausdrückt: „Es ist eine gute Zeit, um Geschichte zu schreiben. Jetzt werden wir auch den nächsten Schritt machen und ins Finale einziehen.“ Miroslav Klose hat das schon nicht mehr gehört. Er feierte gestern seinen kleinen, ganz persönlichen Vormittagssieg – im Tennis gegen Ersatzspieler Piotr Trochowski.

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