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WM in Westerland/Sylt: Willkommen in Surf-City

Es wird eng auf Sylt: 150 000 Fans feiern diese Woche ihre Helden bei der WM im Windsurfen

Westerland. Niebüll, Samstagmittag, Verladestation, Festland. In Niebüll fängt alles an, schon die Luft: Rau und frisch, sie stinkt nicht, sie schmeckt nach Salz. 80 Euro kostet das Ticket im „Sylt-Shuttle“, anders kommt das Auto nicht auf die Insel. Der Zug ruckelt, quietscht, biegt um die Kurve, raus aus Niebüll – dann ist sie da, die Nordsee. Sylt. Verbunden mit dem Festland über den Hindenburgdamm, ein schmaler Erdstreifen umgeben von Wasser. Ob die Menschen ahnen, was in den nächsten Tagen über die Insel hereinbricht? Auf Sylt findet die Weltmeisterschaft im Windsurfen statt. Das Jubiläum, 20 Jahre Sylt, 20 Jahre Björn Dunkerbeck, der Surf-Star. Mehr als 150 000 Fans werden in dieser Woche auf der Insel erwartet, die 21 000 Einwohner zählt. Noch ist es ruhig an diesem Samstag, die Menschen tragen Sonnenbrillen, Erholung spiegelt sich darin.

Bahnhof Westerland. Der Zug wird langsamer, quietscht, spuckt die Autos aus. Es wird hektischer, vorn fahren die normalen PKW, hinten die Wohnwagen, die Bullis mittendrin. Auf die Autodächer sind die Bretter geschnallt. Früher, 1948, erzählt ein Bahn-Mitarbeiter, sind jährlich 12 000 Autos auf die Insel gekommen, heute transportiert das Unternehmen über 900 000. Mal angenommen, die Surfer würden nicht im September kommen, meine Güte, es wären immer noch genug – 600 000 jährlich. Neulich erst war Formel-1-Fahrer Ralf Schumacher für ein Wochenende im Dorint-Hotel. 200 Euro kostet die Nacht dort - im billigsten Zimmer.

Der Brandenburger Strand vor Westerland wird in diesen Tagen gern „Surf-City“ genannt. 40 Kilometer ist die Insel lang, schnurgerade der Strand. 150 000 Menschen, überall Surfer, Musik, Alkohol. Wie Ballermann 6 auf Mallorca, nur auf höherem Niveau: Hier ist mittags noch keiner betrunken. Das passiert später erst, am Abend, wenn die Party steigt auf dem Flughafen Sylt, dessen Abfertigungsgebäude mit seinen zwei Schaltern so groß ist wie das Pförtnerhäuschen am Bundeskanzleramt. Dort, im Hangar 401, haben schon „Die Ärzte“ gesungen, von ihrer Sehnsucht nach Westerland. Sylt ist nicht immer spießig, manchmal laut. Aber nie grölend.

Die Prominenten feiern in der schicken Gemeinde Kampen, nördlich von Westerland, in der „Whisky-Meile“, in der die Porsche-Dichte auffällig hoch ist. Für 102 Euro fliegt Cirrus-Airline zweimal die Woche von Tempelhof nach Westerland, aber nur bis Oktober. Wer über Weihnachten kommen will, kann einen „Citation II“-Jet chartern. Drei Tage, 11 280 Euro. Ein Learjet würde 17 990 Euro kosten, aber da wird es mit der Landebahn knapp. Björn Dunkerbeck etwa, einer der besten Surfer, kommt mit dem Flugzeug, „wegen all dem Material“, sagt er. „Das passte nicht in meinem VW-Bus.“ Fünf Bretter, acht Segel. Kosten 15 000 Euro. Dunkerbeck, der Mann aus der Nutella-Reklame, ist einer der WM-Favoriten. Nur, was nützt all der Aufwand, wenn nur die Sonne scheint? Kein Wind da ist? Dunkerbeck hofft auf Sonntag, den WM-Auftakt.

Dann wirklich, kurz nach 9 Uhr am Sonntagmorgen. Im „Surf-Radio Sylt“ heißt es: „Westwind, bis zu neun Windstärken!“ Und plötzlich wird es hektisch, kälter und extrem windig. „Perfekt!“, ruft ein Surfer, es geht um vieles in dieser Woche, nicht nur um den WM-Titel, sondern auch um 100 000 Euro Preisgeld. Um 10.30 Uhr geht’s los. „Wave-Riding“. Erst wird die rote Flagge gehisst, dann die gelbe, schließlich die grüne. Ein Signal ertönt, dann preschen zwei Männer auf ihren Brettern durchs Wasser. Sie gleiten auf dem Kamm, durchschneiden das Wasser in einem Höllentempo, nutzen die zwei Meter hohen Wellen wie eine Rampe und wirbeln durch die Luft. Nicht kälter als zehn Grad darf die Wassertemperatur sein, so sind die Regeln. Auf Sylt sind es derzeit 16 Grad. Acht Minuten dauert so ein „Heat“, eine Runde, zwei gegen zwei, der spektakulärste Surfer kommt weiter. Später soll das Racing stattfinden, eine Art Rennfahrt. Wann genau, ist den Veranstaltern noch nicht klar, sie sind am Sonntag erst mal froh, dass der Wind bläst.

Vor drei Jahren ist auf Sylt nämlich etwas Schlimmes passiert, wobei: schlimm war es nur für 100 Surfer. Kein Wind, keine Böe. Also, was tun? Warten. Im „American“ etwa, einem ganz netten Club mit kleiner Tanzfläche, hübschen Kerlen und noch mehr hübschen Frauen, gelegen in einer Seitenstraße der Einkaufsstraße. Zwei Bier, sechs Euro. Aber Alkohol will heute keiner, wegen des Windes. Der pfeift durch die Stadt.

Sonntagnachmittag, im Pressebüro zwischen den Dünen wird es ruhiger. Die Haut ist angespannt, wegen des Windes, des Sandes, der Sonne. Kaffee und Computer stehen neben Käpt’n Blaubär und einer bunten Rutsche, das Pressebüro wurde in dieser Woche in einen Kindergarten eingegliedert. Keine Wettkämpfe mehr: Die Menschen sitzen jetzt bei „Gosch“, diesem Sylter Fischhändler, und essen Scampis für sechs Euro. Die Wellen sind immer noch hoch, der Wind heftig. Aber die Surfer kommen erst am nächsten Morgen wieder. Noch eine Woche. Dann wird alles vorbei sein. Dann ist Sylt wieder Sylt. Nur etwas gediegener.

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