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Manuel Neuer, Torwart der deutschen Nationalmannschaft.

© dpa/Ina Fassbender

WM-Kolumne Liebesgrüße aus Moskau: Was einen guten Torwart auszeichnet

Unsere Kolumnistin wurde als Torhüterin der Nationalmannschaft zweimal Weltmeister. Für sie ist eines wichtig für die Leistung vor dem Tor: Vertrauen.

Wenn ich mir ein Fußballspiel anschaue, beobachte ich hauptsächlich die Torhüter. Wie bewegen sie sich? Wie interpretieren sie ihre Rolle? Wie antizipieren sie? Und wenn man genauer hinsieht, stimmen meistens auch die „Der-war-unhaltbar“-Rufe der TV-Kommentatoren nicht.

Es gibt eben ganz offensichtliche Fehler – wie der von Uruguays Fernando Muslera, dem Antoine Griezmanns Schuss durchgeflutscht ist. Und es gibt Fehler, die nicht so deutlich zu erkennen sind – wie etwa jene von Argentiniens Torhüter Franco Armani gegen Frankreich. Er hat sich dann entweder falsch positioniert, hat das falsche Sprungbein genommen oder eine falsche Schrittfolge gewählt.

Wir brauchen neue WM-Witze

Außerdem unterlaufen Torhütern immer auch mal taktische Fehler – dass sie also zu hoch oder zu tief standen beim gegnerischen Angriff. Generell muss ich sagen, dass die Torwart-Leistungen bei der WM gut sind. Auch bei den Elfmetern ist mir aufgefallen: Die Torhüter haben erstaunliche viele gehalten, sogar die Engländer – wir brauchen jetzt also wirklich neue WM-Witze.

Bei den Elfmetern gibt es unter den Torhütern eigentlich zwei Gruppen. Jene, die sagen, sie würden daran, wie ein Schütze den Fuß geöffnet oder seine Hüfte gestellt hat, erkennen, wohin derjenige schießt. Und jene, die sich einfach für eine Ecke entscheiden. Ich gehörte zu letzterer Gruppe. Ich habe mich nicht darauf konzentriert zu schauen, in welche Ecke jemand schießen würde. Ich habe lange gewartet und bin dann voll in eine Ecke gesprungen.

Um die deutschen Torhüter muss man sich trotz des schlechten Abschneidens der Nationalmannschaft aber gar keine Sorgen machen. Unsere Nummer sechs würde wahrscheinlich noch in den meisten Ländern die Nummer eins sein. Für mich ist auch Manuel Neuer immer noch der beste Torhüter der Welt. Seine offensive Spielweise ist nach wie vor stilprägend. Er hat ja auch eine gute WM gespielt, auch wenn er gegen Südkorea mal einen Ball nach vorne klatschen ließ. Aber der Unterschied zwischen ihm und Torhütern, die nicht in der absoluten Weltklasse sind, ist eben, dass ihm deutlich weniger Fehler unterlaufen.

Es braucht Vertrauen vom Team

Was auch auffällig war: In einigen Nationalteams wurden die Torhüter schon nach einem schlechten Spiel ausgetauscht, etwa bei Argentinien oder Saudi-Arabien. Natürlich hat etwa der argentinische Torwart Willy Caballero mit seinem Larifari-Lupfer gegen Kroatien einen saublöden Fehler begangen, der jeden Trainer wahnsinnig macht. Aber trotzdem bin ich kein Fan vom Tauschen während eines Turniers. Die Torhüterposition ist eine Enklave im Team, sie ist sehr besonders.

Ein Torwart braucht mehr Vertrauen von der Mannschaft und vom Trainer – nur so hat man das nötige Selbstbewusstsein. Das war auch für mich das Wichtigste. Ich wollte immer dieses Vertrauen zurückzahlen. Selbst wenn ich einen Fehler gemacht habe, habe ich mir nicht leidgetan, sondern habe mich für das Team geärgert.

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Auch dass bei dieser WM ältere Torhüter wie der 45 Jahre alte Essam Al-Hadari gute Leistungen gezeigt haben, überrascht mich nicht. Viele Torhüter kommen erst mit 30 oder Mitte 30 in ihre beste Phase. Die Erfahrung ist ein riesiger Faktor. So war das damals auch bei mir im Duell mit Silke Rottenberg um das deutsche Tor. Ich als junge Torhüterin habe da immer gesagt: „Ich halte doch die gleichen Bälle wie sie.“ Aber gegen mich sprach zunächst immer die mangelnde Erfahrung.

Erst später habe ich realisiert, wie wichtig das ist. Man erkennt einfach die Situationen im Voraus und hat so viele Lösungsstrategien, weil man schon so viel mehr erlebt hat. Ich war zwar immer noch aufgeregt, aber die Emotionen haben mich nicht verunsichert. Genau darauf kommt es für die Torhüter nun auch besonders in den entscheidenden K.-o.-Spielen der WM an.

Nadine Angerer ist ehemalige Torhüterin der Frauen-Nationalmannschaft, mit der sie zweimal Weltmeister wurde. Hier schreibt sie im Wechsel mit Jens Hegeler, Sven Goldmann, Philipp Köster, Roman Neustädter, Harald Stenger und Frank Lüdecke.

Nadine Angerer

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