zum Hauptinhalt

Sport: WM-Qualifikation: Den Krieg nicht erwähnen

Sven-Göran Eriksson ist der langweiligste Mann im englischen Fußball - aber er ist dennoch irgendwie interessant. Seine Pressekonferenzen sind berüchtigt.

Sven-Göran Eriksson ist der langweiligste Mann im englischen Fußball - aber er ist dennoch irgendwie interessant. Seine Pressekonferenzen sind berüchtigt. Eriksson sagt so wenig wie möglich, das aber immer charmant. Als er nach den Chancen Englands auf einen Sieg gegen Deutschland gefragt wurde, sagte Eriksson: "Ja, wir können gewinnen. Aber wir können auch verlieren." Es wäre vorschnell zu behaupten, dass Eriksson die englische Öffentlichkeit inzwischen auf seine Seite gezogen hat, nachdem er im vergangenen Jahr das heruntergekommene Nationalteam von Kevin Keegan übernahm.

Wer also ist dieser Eriksson, der von Lazio Rom nach England kam? Er ist kein Exzentriker wie Brian Clough, der einst Nottingham Forest zu europäischem Ruhm führte. Er flößt keine Furcht ein wie Sir Alex Ferguson von Manchester United, strahlt aber auch nicht die menschliche Wärme eines Bobby Robson aus, der England einige Zeit vor ihm trainierte. Eriksson hat als Spieler nicht geglänzt wie ein Glenn Hoddle, der Vorgänger Keegans. Sven-Göran Eriksson könnte in jeder englischen Stadt durch die Straße laufen, ohne erkannt oder gar belästigt zu werden.

Es ist nicht leicht, ihn zu mögen. Aber es ist so gut wie unmöglich, ihn zu hassen. Und das ist im Moment entscheidend. Denn als Eriksson antrat, schlug ihm aus der Boulevardpresse die Ablehnung entgegen - oder besser: nicht ihm, sondern dem englischen Fußballverband FA, der den Schweden allen englischen Trainern vorgezogen hatte. Jeff Powell, altgedienter Kolumnist der "Daily Mail" schrieb was von einem "Tag mit Trauerflor, an dem uns die FA auf das Niveau der Bananenrepubliken des Fußballs gebracht hat". Und es fiel das schöne Zitat vom Land der Hammerwerfer und Skifahrer, die eine Hälfte des Jahres im Dunkeln verbringen. So ist der Schwede. Dass es eigentlich keinen ernstzunehmenden englischen Kandidaten für den England-Job gab, beeindruckte die Kritiker nicht, vor allem nicht die Lobbyisten für Terry Venables, der England auch schon trainiert hat.

Seitdem hört man nicht mehr viel von den Kritikern. Schon weil England die ersten fünf Spiele unter Eriksson gewann - zwei sehr freundschaftliche Freundschaftsspiele sowie WM-Qualifikationsspiele gegen Finnland, Albanien und Griechenland. Eine 0:2-Heimniederlage gegen Holland beendete jetzt diese Erfolgsserie, nicht aber Erikssons Flitterwochen mit England. Selbst eine Niederlage in der Weltmeisterschafts-Qualifikation gegen Deutschland am 1. September würde man ihm verzeihen. Denn das ist anderen auch schon passiert. Zur WM müsste Eriksson sein Team aber dann trotzdem noch führen.

Es ist verführerisch, das Wohlwollen der englischen Fußballfreunde als positives Zeichen für ein gereiftes und tolerantes England zu deuten. Mit Sicherheit ist die Mehrheit weit weniger ideologisch als die Presse in ihrer Meinung über Eriksson, den "Fremden". Es hilft, dass Eriksson weiß ist und aus Nordeuropa kommt. England mag bereit sein für einen ausländischen Trainer, aber er muss schon aus dem richtigen Land kommen. Ein Brasilianer oder ein Italiener würde es nicht so leicht haben in England. Erikssons unauffälliges Äußeres hilft auch. Es ist schwer, ihn zu karikieren. Dafür sollten wir dankbar sein.

Was uns auch immer in der nächsten Woche in München erwartet, eins ist sicher: Eriksson wird seine Spieler nicht auffordern, "rauszugehen und ein paar Handgranaten zu werfen". Das überlässt er Trainern wie Kevin Keegan, der den Spruch vor einem EM-Qualfikationsspiel gegen Schweden vom Stapel ließ. Eriksson wird seinen Spielern kühl und sachlich erklären, was er von ihnen erwartet - ohne dabei den Krieg zu erwähnen. Sie können gewinnen. Aber sie können auch verlieren. Und Englands Existenz hängt einmal nicht davon ab. Dafür danken wir Sven und den Menschen, die stark genug waren, ihn zu verpflichten.

Mike Ticher

Zur Startseite