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Geballte Ratlosigkeit. Danny Blind (2. v. l.) und seine Spieler blamierten sich in Bulgarien, Besserung ist nicht in Sicht.

© Dilkoff/AFP

WM-Qualifikation in Gefahr: Die Niederlande haben den Generationenwechsel verschlafen

Nach dem Verpassen der Europameisterschaft droht der niederländischen Nationalmannschaft das nächste Debakel: Die WM in Russland ist in weiter Ferne und Bondscoach Danny Blind wurde entlassen.

Am späten Samstagabend, kurz nach dem Debakel von Sofia, hat Arjen Robben eher nebenbei einen interessanten Satz gesagt. Es ging dabei nur am Rande um jene 0:2-Niederlage gegen Bulgarien, nach der die von Robben angeführte niederländische Nationalmannschaft nur noch eine geringe Chance besitzt, zur Weltmeisterschaft im kommenden Jahr nach Russland zu fahren. Das wäre nach der verpassten Europameisterschaft 2016 der maximale Misserfolg für die erfolgsverwöhnte Fußball-Nation. Aber anders als die versammelten Kritiker in der Heimat mochte der Stürmer vom FC Bayern München nicht alles auf den Bondscoach Danny Blind schieben. Mit einer Mischung aus Verärgerung und Resignation sprach Robben ein weit über Sofia hinaus reichendes Grundsatzproblem an. Es fehle im niederländischen Fußball einfach an Qualität. Das sei kein neues Problem, sondern auch schon vor der WM 2014 in Brasilien zu sehen gewesen, „aber damals konnten wir mit einer anderen Spielweise viel kaschieren“.

Übersetzt aus der Diplomatensprache heißt das: Wir sind einfach nicht besser.

Für Danny Blind war es in Sofia das letzte Spiel auf der niederländischen Bank. Der frühere Innenverteidiger hatte kein gutes Händchen, er schüttelte die Systeme scheinbar beliebig durcheinander, probierte alle paar Spiele einen neuen Torhüter aus und verkrachte sich mit Meinungsführern. In Sofia bot er einen 17-jährigen Verteidiger auf, der bis dato siebenmal in der einheimischen Liga gespielt hatte. Wahrscheinlich ist Blind kein guter Trainer. Seinen einzigen Posten als Cheftrainer behielt er bei Ajax Amsterdam nicht mal eine Saison lang, und das ist auch schon wieder sieben Jahr her. Den Aufstieg zum Bondscoach schaffte er über die früher klassische Ochsentour als aufrückender Co-Trainer.

Alle großen Fußball-Nationen leben in Zyklen. Die Deutschen haben den Abgang der Generation Schweinsteiger/Lahm vergleichsweise gut moderiert, die Spanier plagen sich seit zwei Jahren mit der Erneuerung ihrer Mannschaft nach drei großen Turniersiegen hintereinander. Mal sehen, wie Argentinien in nicht allzu ferner Zukunft den Abschied von Lionel Messi verkraftet. Aber keine Nation wirkt auf den Generationswechsel so schlecht vorbereitet wie die Niederlande.

Schon bei der WM 2014 war viel Glück dabei

Zu lange hat sich die Nation des Voetbal totaal an den Ausnahmespielern des frühen Jahrtausends erfreut. Robin van Persie, Dirk Kuyt, Rafael van der Vaart, Klaas-Jan Huntelaar, Wesley Sneijder und Arjen Robben, ja sogar der hemdsärmlige Nigel de Jong waren auf der ganzen Welt begehrt. Gewonnen aber haben sie im orangefarbenen Trikot nie etwas, und irgendwann war mal Schluss. Schon bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine war die niederländische Mannschaft überaltert und schied in der Vorrunde ohne einen einzigen Punkt aus. Der Einzug ins Halbfinale bei der WM 2014 war van Gaals harter Hand geschuldet, seinem aus der fußballerischen Not geborenen Defensivsystem und auch ein wenig dem Glück. Im Achtelfinale gegen Mexiko richtete es ein später (und sehr fragwürdiger) Strafstoß, im Viertelfinale gegen Costa Rica mussten die Niederländer ins Elfmeterschießen. Van Gaals Nachfolger Guus Hiddink scheiterte krachend auf dem Weg zum EM 2016 und übergab an Danny Blind, der den Misserfolg mit drei Niederlagen in vier Spielen abrundete.

Am Dienstag testen die Niederländer in Amsterdam gegen Italien. Aber was kann da schon getestet werden, unter der Verantwortung von Blinds ehemaligem Assistent Fred Grimm, einer Zwischenlösung für einen Abend. Die Kandidaten für einen Neuaufbau sind überschaubar. Ronald Koeman arbeitet mit großem Erfolg beim FC Everton (und ist ein wenig beleidigt, dass ihn der Verband 2014 nicht als van Gaals Nachfolger wollte). Frank de Boer hat nach guten Jahren bei Ajax im vergangenen Herbst sein erstes internationales Projekt bei Inter Mailand in den Sand gesetzt. Es spricht für die niederländische Not, dass auch der Vorruheständler van Gaal im Gespräch ist und natürlich auch Jürgen Klinsmann, wie immer, wenn eine prestigeträchtige Stelle frei wird.

Aber wäre der Nation wirklich ein deutscher Trainer zu vermitteln? Und hätte ein vom Geist des Aufbruchs beseelter Mann wie Klinsmann überhaupt Lust, sich dieses Kommando anzutun?

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