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WM und Arbeitsrecht: Fernsehen und ein Kasten Bier am Arbeitsplatz?

Der vorausschauende Fan hat seinen Urlaub zur Fußball-Weltmeisterschaft meist schon vor Wochen eingereicht. Doch wenn nun seine ganze Schicht zur selben Zeit vor dem heimischen Fernseher sitzen oder ins Stadion fahren will?

Berlin - Was machen die, die trotz allgemeinen Fußball-Fiebers nicht vom Arbeitsplatz wegkommen? Außerdem: Darf ein Sieg der Deutschen mit einem Kasten Bier im Betrieb gefeiert werden? Prophylaktisch hat der Bundesverband der Selbständigen jetzt schon mal brisante Fragen samt Antworten in einem Merkblatt «WM und Arbeitsrecht» veröffentlicht.

«Wir rechnen zwar nicht mit großen rechtlichen Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und -nehmern», sagt Verbandssprecher Michael Wehran, doch für den Fall der Fälle sollten beiden Seiten gewappnet und aktuell übers Arbeitsrecht informiert sein. Der Verband, der bundesweit rund 80.000 Unternehmer vertritt, appelliert aber: «Zufriedene Mitarbeiter sind motivierte Mitarbeiter.» So könnten Chefs eine gute WM-Stimmung in Deutschland durchaus auf ihre Belegschaften umlegen, sagt der 35-jährige Sprecher der dpa.

«Die WM bietet auch die Chance, abseits von der Standard-Weihnachtsfeier ein gutes Betriebsklima aufzubauen und Identifikation zu schaffen», zeigt sich Wehran überzeugt. Der Grill könnte nach Feierabend noch angeworfen und beim Bier über die Spiele gefachsimpelt werden, empfiehlt der Sprecher den Unternehmern. Doch während der Arbeitszeit sei Alkohol tabu, dies sollte ohnehin in den Arbeitsverträgen festgehalten sein.

Ganz klar: Obwohl die Fußball-WM in Deutschland ein außergewöhnliches Ereignis sei, «stehen die arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien nicht im Abseits», heißt es in dem Merkblatt. Während des Fußball-Events herrsche kein Ausnahmezustand, es würden keine anderen Regelungen gelten. «Der Arbeitnehmer hat weiterhin pünktlich zum vereinbarten Arbeitsbeginn zu erscheinen und darf den Arbeitsplatz auch nicht vorzeitig verlassen.»

Und Fernsehen am Arbeitsplatz? Es mache einen Unterschied, ob im Hintergrund ein Radio laufe, oder ob der Arbeitnehmer 90 Minuten lang gebannt vor dem Fernseher hocke, heißt es salomonisch. Aber: «Letzteres kann untersagt werden.» Zudem: Wenn während eines Turniers alle Mitarbeiter gleichzeitig frei nehmen wollen, sei der Arbeitgeber nicht an die Eintragungen in eine Urlaubsliste gebunden. «Denn es würde sonst einen Wettlauf zwischen den Arbeitnehmern geben.»

Rechtsanwalt Rainer Colberg aus München, der das Info-Blatt erstellt hat, setzt ebenfalls auf Konsens. «Viele Arbeitgeber sind auch Fußballfans und werden mit Verständnis für ihre Belegschaft einvernehmliche Lösungen schaffen», sagt er der dpa. Doch am Schichtsystem in Betrieben komme man nicht vorbei. Er als Freiberufler und begeisterter Fußballgucker habe es da besser: Er könne seine Termine zum Teil selbst festlegen. Doch wenn das Gericht zu einer Verhandlung ruft, müsse er auch während der WM erscheinen.

Bei den Berliner Arbeitsgerichten wird indes wie in jedem Sommer mit Klagen wegen nicht gewährten Urlaubs gerechnet. «Das wird auch bei der WM so sein, aber deshalb ein Mehr an Streit kann ich mir nicht vorstellen», sagt der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht, Gerhard Binkert. Es könnten einstweilige Verfügungen erlassen werden. Er denke aber, dass in Unternehmen mit Betriebsrat schon Regelungen für die heiße Fußball-Phase vereinbart wurden. Bestimmt würden auch viele Arbeitgeber bedenken, dass sie mit einer Total-Verweigerung heftigste Proteste der Belegschaft heraufbeschören würden. «Die Stimmung wird eher zu Kulanz und Verständnis füreinander gehen», hofft der Richter.

Bei den Behörden in der Hauptstadt sollen auch während der Weltmeisterschaft Autos zugelassen und Genehmigungen erteilt werden oder Einwohner neue Ausweise erhalten. Bei Behörden mit Publikumsverkehr werde es keine Kompromisse geben können, sagt der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Steltner. «Die Ämter machen nicht früher Schluss, weil ein Mitarbeiter Fußball gucken will.» Doch auch flexible Lösungen seien angepeilt. (Von Jutta Schütz, dpa)

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