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Sport: Wo sind die Helden?

Personalgerangel gefährdet Leipzigs Olympiabewerbung – jetzt wird ein Retter gesucht

Von Matthias Schlegel

und Friedhard Teuffel

Berlin. Bevor die Leipziger Olympiagesellschaft um Sympathie bei der Bevölkerung wirbt und um Geld aus der Wirtschaft, braucht sie erst einmal einen Retter. Nur nicht irgendeinen. Er muss als neuer Geschäftsführer der Olympia-GmbH ein genaues Profil haben, nämlich internationale Erfahrung, ausgezeichnete Managementfähigkeiten und vor allem: integrative Kraft und eine gesamtdeutsche Sichtweise. Schließlich geht es nicht nur um den fehlenden Geschäftsführer, sondern auch darum, die Bewerbung harmonisch nach innen und außen zu vertreten. Dies haben die beiden Sprecher des Aufsichtsrates, NOK-Chef Klaus Steinbach und Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee, bisher nicht fertig gebracht. Bis zur Sitzung am Samstag wollen sich die Mitglieder des Aufsichtsrates der Olympia-GmbH Gedanken machen, ob es so jemanden überhaupt gibt.

Die Mitglieder des Bundestag-Sportausschusses schüttelten jedenfalls bei ihrer gestrigen Sitzung nur die Köpfe über den desolaten Zustand der Bewerbung. Klaus Riegert von der CDU formulierte: „Es ist jetzt die letzte Chance, Leipzig mit einer guten Besetzung international voranzubringen.“

Im Gespräch für den freien Geschäftsführerposten ist im Moment nur Burkhard Jung, Leipzigs Olympiabeauftragter. In den vergangenen Tagen hat er weniger Schrammen abbekommen als der Leipziger Oberbürgermeister Tiefensee. Jung gilt als geschickt, aber international unerfahren. Ins Gespräch hat er sich nicht direkt selbst gebracht, aber gesagt, dass die Bewerbung nur aus der Kraft der Stadt heraus entwickelt werden könne. Genau das aber ist die entscheidende Frage. Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes und Mitglied des Aufsichtsrates, sagte: „Ich neige immer weniger dazu, den Geschäftsführer in der Politik zu suchen. Es muss niemand aus Stadt, Land oder Bund sein. Mir würde jemand aus der Wirtschaft am liebsten sein.“

Derzeit ist die Leipziger Olympiabewerbung fast kopflos. Am Samstag wird der Aufsichtsrat Geschäftsführer Dirk Thärichen endgültig abberufen, weil sein Wehrdienst in einem Stasi-Wachregiment, insbesondere die Verschleierung desselben, ihn nicht für diese Aufgabe eignet. Der mögliche Nachfolger Michael Groß hat auch noch abgesagt, was Richthofen enttäuscht hat. Es ging darum, ob der Schwimm-Olympiasieger Michael Groß neben der Olympia GmbH auch noch seine eigene Agentur in Frankfurt führen könne. Angeblich hat Groß von Anfang an nur unter dieser Bedingung die Verhandlungen mit Leipzig geführt. Dennoch waren einige Mitglieder des Aufsichtsrates davon so überrascht, dass sie Groß am Dienstag bei einem Treffen im Bundesinnenministerium nicht mehr haben wollten. „Wenn er so ein Volltreffer ist, was ich glaube, dann sollte das keine Rolle spielen“, sagt Richthofen.

Anscheinend wollen sich die Verantwortlichen mit der drängenden Personalfrage aber Zeit lassen. Der Olympia-Beauftragte der sächsischen Staatsregierung, der frühere Oberbürgermeister von Riesa, Wolfram Köhler, sagt, man solle jetzt „keine Schnellschüsse“ loslassen. Schließlich habe man mit Mike de Vries noch einen „ausgewiesenen Fachmann als Geschäftsführer“.

Allerdings sollte der Bewerbungschef schon eine Integrationspersönlichkeit sein, die „nicht nur international anerkannt ist, sondern auch regional akzeptiert wird“, sagt Köhler. Der neue Kopf müsse im Rahmen der Debatte über die Gesamtstruktur der Bewerbungsgesellschaft gefunden werden. Köhler hatte auch schon mal die frühere Eisläuferin Katarina Witt ins Gespräch gebracht. Nun sagt er: „Es ist absurd, immer nur nach einem Namen zu suchen. Olympia ist umfassender.“

Hermann Winkler, der Präsident des sächsischen Landessportbundes, ist vor allem darüber froh, dass die Personalie Michael Groß vom Tisch ist: „Mit ihm an der Spitze hätte es eine Dauerdebatte gegeben.“ Er denke an die mittelständische Wirtschaft, die kein Verständnis für überzogene finanzielle Forderungen habe. „In den neuen Bundesländern haben 350 000 Euro einen ganz anderen Stellenwert als im Westen“, sagt Winkler, der zugleich sächsischer CDU-Generalsekretär ist. So führt derzeit Mike de Vries alleine die Geschäfte in Leipzig. Als Anwerber von Sponsoren ist er vielleicht der richtige Mann, aber nicht als internationaler Repräsentant. De Vries ging von Beginn an angeschlagen an die Arbeit, weil sich ein Teil des Aufsichtsrates gegen ihn ausgesprochen hatte. Der Kompromiss lautete dann: de Vries darf bei der Olympia-GmbH arbeiten, aber nur auf Abruf. Er soll irgendwann zur Deutschen Sport Marketing wechseln.

Großes Interesse dürfte zurzeit niemand am Geschäftsführerposten haben. Die Olympiabewerbung hat großen Schaden genommen durch die anhaltenden Personaldiskussionen, durch Streitigkeiten innerhalb des Aufsichtsrates, durch verspätet und unklar vorgelegte Konzepte. Großen Idealismus muss der Retter also auch noch mitbringen.

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