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Sport: Wohin segelst du?

Marketing gegen Tradition: Alinghi und Neuseeland kämpfen um die Zukunft des America’s Cup

Wenn am 23. Juni die Schweizer Yacht Alinghi und das Team New Zealand vor Valencia an die Startlinie schippern, geht es um den America’s Cup. Um die Trophäe der ältesten Sportveranstaltung der Welt. Der Sieger gewinnt nicht nur die berühmte Silberkanne des America’s Cups – er kann auch noch über dessen Zukunft entscheiden. Er allein bestimmt, wo die Titelverteidigung und nach welchen Regeln sie stattfindet. Weil die beiden Syndikate in dieser Hinsicht recht unterschiedliche Vorstellungen haben, durchlebt die Segelwelt gerade eine nicht zu übersehene Spaltung.

Das führt sogar soweit, dass die meisten Interessierten und Mitbewerber ganz offen einen Sieg der Alinghi favorisieren. Dann würde der Cup nämlich vermutlich wieder in Valencia und damit vor der Haustür der großen europäischen Sponsoren stattfinden. Die drittgrößte Stadt Spaniens hatte 500 Millionen Euro investiert, um den Hafen zu modernisieren und die nötige Cup-Infrastruktur zu schaffen. Die 33. Auflage könnte dort bereits in zwei oder drei Jahren stattfinden. Darüber hat der Alinghi-Eigner Ernesto Bertarelli in einem Gespräch mit dem „Spiegel“ spekuliert und damit der Vermutung Auftrieb gegeben, dass der Cup sozusagen als nächster Marketingschritt als Rennserie mit Regatten in der ganzen Welt etabliert werden soll. Nach diesem Konzept könnten die erstmals ausgetragenen Vorregatten, die so genannten Acts, als fester Bestandteil der Herausforderer-Runde sportlich aufgewertet werden.

Die Acts waren von Alinghi 2004 eingeführt, aber häufig als bedeutungsloses Marketing-Segeln kritisiert worden. Eine Verkürzung des Abstands zum eigentlichen Cup und die Festigung der Acts würde auch etwaigen Sponsoren gefallen, denn sie sind daran interessiert, im Gegenzug für ihre Investitionen eine möglichst kontinuierliche Medien-Öffentlichkeit zu erhalten. Allerdings wären zwei Jahre Vorbereitungszeit für neue Teams zu wenig, um zu den etablierten Kampagnen aufschließen zu können.

Momentan wollen sich weltweit neue Teams formieren, um in der 33. Ausgabe der altehrwürdigen Regatta dabei zu sein. Vorbereitungen werden von den Bermudas gemeldet, aus Malaysia, Südkorea, Australien und aus Italien, wo sich gleich zwei neue Teams gegründet haben sollen. Noch ernst zunehmender sind wohl die Bestrebungen in Dubai. Die Boom-City der Vereinigten Arabischen Emirate wird auch als einer der Austragungsorte für einen künftigen Cup-Act gehandelt. Schon länger kursieren Gerüchte, dass verstärkt arabisches Geld in große Segel-Regatten fließen soll. Aktuell unterstützt die Fluglinie „Emirates“ das neuseeländische Cup-Team. Beim nächsten Mal könnte das Geld in eine Heim-Mannschaft fließen. Solange der kommende Austragungsort aber nicht feststeht, sind alle Bekundungen nichts als leere Absichtserklärungen.

Denn das Schreckgespenst aller Expansionsbemühungen ist eben jenes Team New Zealand. Die traditionsbewussten Neuseeländer, so die Vermutungen, würden im Falle eines Sieges eine „konservative Revolution“ entfachen und den Cup von dem Medien- und Marketing-Tamtam befreien. Das ist für Segel-Puristen eine schöne Aussicht, allerdings auch eine unrealistische. Denn ein so kostenintensives High-Tech-Segeln, wie es der Cup ist, braucht die Sponsoren. Und das sind vorwiegend nicht mehr Privatiers und Mäzene, die Millionen in ihr Hobby stecken, sondern große Unternehmen, die im Cup eine noch unverbrauchte Werbe-Plattform für ihre Produkte und Marken sehen. Darauf ist indirekt auch Neuseeland angewiesen, schließlich bräuchte das Team eine stattliche Zahl von Herausforderern, um das Interesse am Cup aufrecht zu halten. Deswegen würden wohl auch die Neuseeländer an den umstrittenen Acts festhalten, die in China, dem Nahen Osten, in den USA, in Europa und in Australien stattfinden könnten, um Sponsoren zu akquirieren. Weil der neuseeländische Heimathafen von Auckland erst einmal umgebaut werden müsste, würde die 33. Regatta ohnehin nicht vor 2011 stattfinden.

Ob der künftige Austragungsort nun in Europa oder Neuseeland liegt, entscheidet auch über das Schicksal der aktuellen Kampagnen, die gewillt sind, weiterzumachen. Vor allem für die Spanier, die Schweden, die Franzosen von Aréva und die Deutschen ist diese Tatsache von großem Belang. Das United Internet Team Germany arbeitet zwar an einem „großen Umbruch“, wie Teamchef Michael Scheeren sagt. Allerdings dürfte eher der große Einbruch kommen, wenn die Silberkanne nach Neuseeland geht und das nächste Rennen fernab der europäischen Sponsorengewässer gesegelt wird. Für diesen Fall hat United-Internet-Boss Ralph Dommermuth jedenfalls bereits seinen Ausstieg angekündigt. Die Italiener vom Team +39 haben sich schon dazu entschieden, ihre Mannschaft aufzulösen.

Es gibt nur wenige Teams, in deren Kalkulation der diesjährige Gewinner und damit der künftige Austragungsort nahezu keine Rolle zu spielen scheint. Das gilt etwa für das Team China, das jetzt schon an der Folge-Kampagne arbeitet. Syndikatspräsident Chaoyong Wang hat als sportliches Ziel das Mittelfeld anvisiert. „Und beim 34. Cup wollen wir ins Halbfinale.“ Auch die für Neapel startende Mannschaft Macalzone Latino ist nach Worten ihres Chefs Vincenzo Onorato dabei. „Das ist sicher.“

Das einzige neue Team, das in den Grundzügen jetzt schon zu entstehen scheint, ist die englische Kampagne Team Origin. Die von dem Geschäftsmann Keith Mills lancierte Herausforderung hat sich mit dem Neuseeländer Mike Sanderson einen der weltbesten Segler als Sportdirektor geholt. Außerdem wurde die Alinghi-Yacht SUI 75 eingekauft. Nach den Worten von Mills soll Origin nur ein Ziel haben: den Cup, der 1851 vor der englischen Insel Isle of Wight an die USA verloren ging, erstmals nach England zu holen.

Ingo Petz[Valencia]

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