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Wolfgang Niersbach im Interview: „Flitzer sind nicht lustig“

OK-Vizepräsident Wolfgang Niersbach über Sicherheit, Tickets und Sprachregelungen in den Stadien

Herr Niersbach, fünf Monate vor der WM wird über den Einsatz der Bundeswehr diskutiert. Brauchen Sie Hilfe von Soldaten?

Das ist nicht unsere Entscheidung. Wir vertrauen den Behörden, allen voran dem Innenministerium, dass alle notwendigen Maßnahmen präventiv ergriffen werden. Wir denken, dass die Stadien die sichersten Orte der WM sein werden. Wir haben bis zu 1500 Ordner in jeder Arena im Einsatz, allein diese Ordnungs- und Sicherheitsdienste belasten unseren Haushalt mit mehr als 20 Millionen Euro.

Welche Gegenstände dürfen Fans nicht in die WM-Stadien mitnehmen?

Das werden wir in den nächsten Wochen genau auflisten. Fans werden aber nicht fünf Mal kontrolliert, wir wollen keine Hochsicherheitstrakte. Wir werden nicht Trommelstöcke verbieten, nur weil neulich damit ein Spieler verletzt wurde. Dann dürften wir die holländischen Musikkapellen nicht auf die Tribünen lassen – die sind aber wichtig für die Stimmung.

Die Fanfeste in den Innenstädten gelten als besonders gefährdet.

Die Sicherheit dort ist nicht unsere Aufgabe. Wie bei jedem Volksfest sind die Kommunen für Genehmigungen, Sicherheit und sanitäre Einrichtungen verantwortlich. Man sollte beim Thema WM sowieso weniger problematisieren, was ja in aller Regel über die Medien geschieht.

Die Medien machen nur ihre Arbeit.

Uns ärgert manche Detaildiskussion an künstlich kreierten Fronten. Man müsste viel intensiver über das große Ganze sprechen, wie das der Bundespräsident oder die Bundeskanzlerin in ihren Neujahrsansprachen getan haben. Die Berliner Olympiabewerbung für 2000 ist seinerzeit im Lande kaputtgeredet worden.

Ein Fan aus Hamburg verklagt das Organisationskomitee wegen des Ticketverkaufs.

Wir sperren uns, weil dieser Vorgang grotesk ist. Ein Ebay-Kunde verklagt uns auf Zustimmung zur Übertragung von zwei Tickets, die er für 880 Euro ersteigert hat. Der Verkäufer jedoch hat ursprünglich jeweils nur 55 Euro an uns gezahlt. Sollen wir dies gutheißen? Wäre das nicht ein Fall für den Verbraucherschutz? Wir wollen Schwarzhandel unterbinden. Möglich, dass es in dieser Frage zu einer neuen juristischen Auseinandersetzung kommt.

Das Grundproblem ist doch, dass Fans nur ein Drittel der Karten bekommen.

Stimmt nicht, die Fans bekommen mehr als 50 Prozent aller verfügbaren Karten.

Sie rechnen verloste Sponsorentickets ein.

Das Grundproblem ist und bleibt vielmehr, dass es zu wenig Karten gibt. Neulich hat mich Karl-Heinz Riedle angerufen, später Frank Mill und Andy Brehme. Sie alle wollen Karten. Ich habe ihnen keine Zusage geben können. Dann hat mir ein Fan gemailt, dass er seit 1970 zu jeder WM gereist ist und dafür viel Geld ausgegeben hat. Ich solle ihm mal bitte erklären, warum er jetzt im eigenen Land nicht dabei sein darf. Ich weiß gar nicht, was ich dem Mann antworten soll.

Dafür erhalten Sie Lob aus England. Deren Kartenkontingent soll erhöht werden. Geht das zu Lasten der deutschen Fans?

So einfach ist das nicht. Die 31 qualifizierten Nationalverbände müssen uns mitteilen, ob sie alle ihre Karten nehmen. Für jedes Spiel, an dem sie beteiligt sind, stehen ihnen acht Prozent zu. Wir hatten gedacht, dass etwa die Elfenbeinküste oder Ghana nicht das komplette Kontingent nehmen und wir dann Tickets für Verbände mit großem Fanpotenzial übrig haben. Es bleibt aber abzuwarten, wie viele Rückläufer es letztlich geben wird.

Im Februar soll eine Ticketbörse eröffnet werden. Fans können dann ihre Karten an Familienmitglieder übertragen.

Grundsätzlich wird unser Portal im Internet zwei Szenarien berücksichtigen: den Weiterverkauf von Tickets und die Übertragung. Details werden wir rechtzeitig bekannt geben. Zeitdruck besteht nicht, denn die Karten sind nicht einmal gedruckt und werden im April verschickt.

Wie sehen die WM-Tickets aus?

Sie haben ein längliches, in Grün gehaltenes Format. Auch die Sprachdetails haben wir geklärt: Wir werden die Karten in Englisch bedrucken, wir schreiben also nicht „Brasilien – Schweiz“, sondern „Brazil – Switzerland“.

Wird in den Stadien Deutsch gesprochen?

Die Moderation der Stadionsprecher erfolgt auf Englisch und Deutsch. Im Bedarfsfall können spezielle Botschaften in den Landessprachen der am Spiel beteiligten Mannschaften hinzukommen. Auch haben wir uns darauf geeinigt, dass die Städtenamen auf der Mittelbande in der deutschen Version erscheinen. Dort steht nicht „Cologne“ oder „Munich“, sondern „Köln“ und „München“.

Können Sie mit Stadiondurchsagen auch die Flitzer aufhalten?

Die vier Männer vom Confed-Cup kommen gar nicht mehr in die Stadien. Sie haben Hausverbot. Abschrecken können nur höhere Strafen. Gerade hat das Landgericht Rostock drei Personen wegen des gleichen Delikts zu einer Geldstrafe von 20 000 Euro verdonnert – genau dies war die Strafe, die das DFB-Sportgericht zuvor gegen Hansa Rostock wegen mangelnder Aufsichtspflicht verhängt hatte. Flitzer sind nicht lustig. Wer sich an die Tennisspielerin Monica Seles erinnert ...

... die bei einem Tennisturnier in Hamburg 1993 mit einem Messer verletzt wurde ...

... kann nicht lachen, wenn ein Verrückter über den Platz rennt. Aber reden wir nicht über Ängste, sonst dürften auf der Welt ja gar keine Großveranstaltungen mehr stattfinden.

Das Gespräch führten André Görke und Robert Ide.

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