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Wolfgang Sidka, 65, war in der Saison 1988/99 bei Werder Bremen Trainer von Alexander Nouri (Mitte, 2. v. r.)

© dpa

Wolfgang Sidka über Herthas Trainer: „Er war ein guter Techniker“

Wolfgang Sidka trainierte den jungen Alexander Nouri in Bremen. Im Interview spricht er über das Duell seiner ehemaligen Klubs Hertha BSC und Werder.

Herr Sidka, haben Sie sich in Berlin schon mit Alexander Nouri getroffen?
Nein.

Wann haben Sie ihn zuletzt gesprochen?
Als er Trainer beim VfB Oldenburg war. Da saß ich mal für Sport1 als Co-Kommentator beim Spiel Oldenburg gegen Meppen am Mikrofon. Vorher hatte ich mich mit Alex getroffen, um ein paar Informationen über die aktuelle Mannschaft des VfB einzuholen. Da war er sehr offen.

Nouri hat erzählt, Sie hätten ihn als Trainer bei Werder Bremen zu den Profis geholt. Deckt sich das mit Ihrer Erinnerung?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein Spiel unter mir gemacht hat.

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Er sagt, im UI-Cup.
Ja, das stimmt. Es war damals ein wichtiges Spiel, um noch in den Europa-Cup zu kommen. Wir hatten damals …

… zur Saison 1998/99 …
… einige junge Spieler im Kader. Nicht nur Alex, auch Timo Schultz war dabei, der aktuell U-19-Trainer bei St. Pauli ist, Christoph Dabrowski, auch Razundara Tjikuzu. Es gab von der Vereinsführung Vorgaben, viele Nachwuchsspieler mit trainieren zu lassen. Aber dann stehen Sie als Trainer da, haben 33 Spieler im Kader und können gar kein effizientes Training mehr machen. Damit ist niemandem geholfen.

Ist Ihnen Nouri als besonderes Talent aufgefallen?
Er war ein guter Techniker, aber noch unglaublich jung, erst 18 oder 19 Jahre alt. Soll ich Ihnen mal erzählen, wie das bei mir in diesem Alter war?

Gern!
Als ich bei Hertha die ersten Male mit der Bundesliga-Mannschaft mittrainieren durfte, haben mich die Profis regelrecht durch die Luft gehauen. „Du musst schneller spielen“, haben sie gesagt. „Wie denn?“, habe ich gefragt. „Wenn ich den Ball annehme, ist er doch schon wieder weg.“ – „Du musst halt vorher wissen, wo du hinspielen willst.“ Ich habe den Ball gestoppt und dann erst geguckt, aber da war es schon zu spät. Mit 17 bin ich bei einem Freundschaftsspiel gegen Hessen Kassel beim Stand von 2:1 für Erwin Hermandung eingewechselt worden. 20 Minuten später lagen wir 2:3 zurück. Ich musste runter, und Hermandung kam wieder für mich aufs Feld. Unser Trainer Fifi Kronsbein hat danach über mich gesagt: „Den will ich hier nie wieder sehen.“

Was er aber nicht wahr gemacht hat.
Mit 18, 19 habe ich bei Hertha in der zweiten Mannschaft gespielt, durfte aber immerhin mit den Profis trainieren. Das war super für mich. Sonst hätte ich den Sprung nie geschafft. Ich sage immer: Im Fußball muss man auch Glück haben. Und das hatte ich. So kam ich mit gerade 18 zu meinen ersten Bundesligaspielen.

Alexander Nouri kam im November zu Hertha, seit dem Rücktritt von Jürgen Klinsmann ist er Cheftrainer.
Alexander Nouri kam im November zu Hertha, seit dem Rücktritt von Jürgen Klinsmann ist er Cheftrainer.

© Andreas Gora/dpa

Alexander Nouri hatte dieses Glück nicht. Er hat nie ein Bundesligaspiel bestritten und wurde von Ihrem Nachfolger Felix Magath in Werders U 23 geschickt. Haben Sie seinen weiteren Weg noch verfolgt?
Erst als er in Oldenburg Trainer geworden ist. Bei dem Klub, für den ich am Ende meiner Karriere noch gespielt habe, bei dem ich Spielertrainer und Trainer war.

Am Samstag treffen Ihre beiden Ex-Klubs Hertha und Werder aufeinander. Beide stecken im Abstiegskampf. Wem fühlen Sie sich emotional stärker verbunden?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Wirklich ganz schwierig. Hertha ist der Klub, zu dem ich schon als Kind gegangen bin. Ich war beim Skandalspiel gegen Bielefeld im Olympiastadion, ich war auch gegen den 1. FC Köln da, als es den höchsten Besuch der Bundesligageschichte gab.

Damals sollen weit mehr als die offiziell 88 075 Zuschauer im Stadion gewesen sein.
Das waren eher 100 000. Ich saß im Oberring, direkt neben dem Marathontor. Es war so voll, dass du dich kaum bewegen konntest. Wenn jemand zur Toilette wollte – keine Chance. Wir sind auch immer umsonst ins Stadion gekommen. Die Eintrittskarten haben wir selbst gebastelt.

Wie das?
Die Eintrittskarten waren leicht rötlich. Wir haben uns also ein Löschblatt in der gleichen Farbe besorgt, das fein säuberlich beschriftet und mit einer Nadel die Ecke so perforiert, dass der Ordner sie abreißen konnte.

Und Ihre Verbindung zu Werder?
Ich bin auch heute noch oft im Weserstadion. Das ist einfach was Besonderes. Seit gefühlt zehn Jahren spielt Werder fast nur gegen den Abstieg, aber wenn es um alles geht, steht das Stadion wie eine Wand hinter der Mannschaft. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich hab’ mich auch gefragt, für wen ich eigentlich bin. Vor ein paar Jahren hat Hertha in Bremen mal eine Viertelstunde vor Schluss mit 3:1 geführt. Als doch noch das 3:3 fiel, habe ich mich gefreut. „Na ja“, habe ich gedacht, „vielleicht bin ich doch ein bisschen mehr für Werder.“ Ich habe 29 Jahre in Bremen gelebt, als Spieler bei Werder nicht nur eine schöne, sondern auch eine prägende Zeit erlebt. Beide Vereine liegen mir sehr am Herzen.

Machen Sie sich ernste Sorgen um den Klub?
Zur aktuellen Situation will ich gar nichts sagen. Meine Kommentare dazu braucht keiner.

Warum nicht?
Ich kenne mich bei Werder immer noch ganz gut aus. Frank Baumann, der heute Sportdirektor ist, wollte ich schon als Spieler zu Werder holen, als ich dort Trainer war. Er ist dann ein Jahr später gekommen. Und Marco Bode …

… der Chef des Aufsichtsrats …
… hat während meiner Zeit als Trainer die Tore geschossen. Ich weiß doch, wie sehr die jetzt unter Druck stehen. Das hat mit Respekt zu tun. Beide Vereine brauchen jetzt absolute Ruhe. Kommentare von außen – das hilft einfach nicht.

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