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Wolfsburg: Na, dann machen wir mal

Angesichts der neuen Favoritenrolle stellt Meister Wolfsburg von Wucht auf Kombination um – mit Erfolg.

Der professionelle Fußball ist ein Geschäft des schönen Scheins, und je höher man kommt, desto mehr schauspielerisches Geschick wird von den Beteiligten verlangt. Armin Veh ist, bildlich gesprochen, eine alte Bühnensau, und am Freitagabend, kurz vor dem Auftakt der neuen Bundesligasaison, hat er die Rolle des entspannten Meistertrainers gegeben. Ganz gelöst habe er gewirkt, musste sich der Trainer des VfL Wolfsburg nach dem 2:0- Erfolg seiner Mannschaft gegen den VfB Stuttgart nachsagen lassen. Ob er denn gar nicht aufgeregt gewesen sei? „Darf man doch nicht zeigen“, antwortete Veh. „Immer lächeln!“ Wie ein Schauspieler, der schon tausend Mal dieselbe Rolle gespielt hat und beim tausendundersten Mal doch nervös ist wie bei der Premiere.

Veh erlebte am Freitag die Wiederaufnahme eines Stücks, an dem er sich schon vor zwei Jahren versucht hat. Zum zweiten Mal startete er mit dem Meister in die Saison, und auch wenn er die Mannschaft – anders als 2007 den VfB Stuttgart – diesmal nicht selbst zum Titel geführt hat, so findet er sich beim VfL nun in exakt der gleichen Situation wieder, an der er beim VfB im Grunde gescheitert ist. Er soll den Erfolg verstetigen. „Das kann man nicht eins zu eins vergleichen“, sagte Veh, aber „eine gewisse Sensibilität“ besitze er natürlich schon. In Stuttgart gelang ihm die Moderation des Erfolges nur bedingt: 18 Monate nach dem Titelgewinn und dem Sturz zurück ins Mittelmaß wurde er entlassen.

Man kann es gewagt finden, dass der VfL als Nachfolger für Felix Magath einen Trainer engagiert hat, der mit der Konsolidierung auf höchstem Niveau schon einmal überfordert war; man kann es auch als besonders clever werten, weil Veh mit Sicherheit klug genug ist, dieselben Fehler nicht ein zweites Mal zu begehen. In Stuttgart hat er einst mit Macht versucht, die Meistermannschaft personell aufzumotzen und dabei ein funktionierendes Team zerlegt; beim ersten Bundesligaauftritt mit dem VfL hingegen hielt sich sein Veränderungswillen in Grenzen. Von den drei Neuen stand nur Karim Ziani in der Anfangself; Thomas Kahlenberg fehlte wegen einer Leistenverletzung, und der immerhin zehn Millionen Euro teure Obafemi Martins blieb 90 Minuten auf der Bank.

Das heißt nicht, dass in Wolfsburg alles so bleiben wird, wie es war. Wichtiger als die personelle Besetzung der Mannschaft ist Veh das Design ihres Spiels. Sein Ziel ist es, das Portfolio des Teams zu erweitern. Den alten Wuchtfußball hat die Mannschaft immer noch im Repertoire. Das 2:0 durch den Brasilianer Grafite war „ein typischer VfL-Konter“, wie Veh sagte. Aber den Platz dafür bekamen die Wolfsburger erst, nachdem Zvjezdan Misimovic sie 20 Minuten vor dem Ende in Führung geschossen hatte.

So könnte es dem Meister noch häufiger ergehen. „Wir werden sicher nicht oft am Anfang Tore machen“, ahnt Misimovic. „Viele Mannschaften werden sich gegen uns hinten reinstellen, da müssen wir uns durchkombinieren.“ Veh will mehr Kurzpässe und Kombinationen sehen, um dieser Schwierigkeit besser trotzen zu können. „In der letzten Saison waren wir größtenteils der Underdog“, sagt Misimovic. Jetzt aber werden viele Gegner wohl mit der Einstellung gegen den VfL Wolfsburg auftreten: Na, dann macht mal!

Mit Grafite, Misimovic und Edin Dzeko verfügt Wolfsburg auch für diese Art Fußball über ausreichend individuelle Qualität. Zudem lobte Grafite nach dem Auftaktsieg die „Lust der Mannschaft zu gewinnen“, ihre Einigkeit und ihr ausgeprägtes Arbeitsethos. Ein Hang zur Selbstüberschätzung ist jedenfalls nicht festzustellen, viel eher eine gesunde Einschätzung der neuen Situation. „Es wird deutlich schwieriger“, sagte Misimovic.

Offiziell will der VfL wieder unter die ersten fünf kommen, was Veh angesichts von zehn Klubs mit dem gleichen Ziel für ambitioniert genug hält. Gefahr droht eher aus dem immer noch euphorisierten Umfeld. „Ich bin kein Mathegenie“, sagte Jürgen Marbach, der Marketinggeschäftsführer des VfL, „aber Platz eins und zwei gehören auch unter die ersten fünf.“

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