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Sport: Wundersamer Wärmeanstieg

Nachdem Ferrari unter Verdacht geriet, bei den Reifen manipuliert zu haben, ist Schumachers Rundenzeit auffallend langsam

Nur Gerüchte, Neid, üble Verleumdungen? Oder doch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit? Die deutliche Trainingsniederlage von Michael Schumacher und Ferrari in Montreal ließ die vor zwei Wochen am Nürburgring aufgekommenen Gerüchte, Ferrari und Bridgestone hätten dort mit den Reifen getrickst, in neuem Licht erscheinen. Als Michael Schumacher dort mit einer Traumrunde ziemlich aus dem Nichts auf die Poleposition fuhr, obwohl es vorher eine ganze Weile lang nicht unbedingt so ausgesehen hatte, war diese Vermutung aufgekommen: Ferrari hat spezielle Methoden entwickelt, um eine bekannte Bridgestone-Schwäche im Qualifying auszugleichen. Die japanischen Reifen sind für eine einzige schnelle Runde normalerweise kaum auf Temperatur zu bringen, ein Thema, über das man sich zum Beispiel beim Schweizer Sauber-Team, ebenfalls Bridgestone-Kunde, schon seit einiger Zeit ärgert.

Verschiedene Versionen wurden damals diskutiert. Die erste: Bridgestone habe möglicherweise einen Satz weicher Reifen hergestellt, der durch Seriennummer und Barcode aber als harte Pneus deklariert gewesen sei, vorgesehen für die Qualifyingrunde und die Startphase. Das wäre allerdings glatter Betrug gewesen. Eine zweite Variante geht so: Bridgestone behandele die obersten Gummischichten auf dem Reifen ganz speziell mit bestimmten Chemikalien, so dass die für das Qualifying und die ersten Runden mehr Haftung liefern. Ist dieser Gummi erst einmal abgefahren, ließe sich nichts mehr nachweisen. Das wäre dann ein Formel-1-typisches „Spiel im Grenzbereich“ des Reglements.

BAR-Honda startete in der Eifel am Samstagabend eine Anfrage beim Technischen Delegierten der Fia, Charlie Whiting – angeschoben von Michelin, wo man deutlich verärgert war. Man solle sich doch bitte einmal den Reifensatz, mit dem Schumacher im Qualifying gefahren sei, etwas genauer anschauen. „Solange es keinen offiziellen Protest gibt, besteht für uns kein Handlungsbedarf“, hieß es dann aber offiziell bei der Fia. Protest legte nach dem Rennen aber keiner der Ferrari-Konkurrenten ein.

Ferrari-Sportdirektor Jean Todt regte sich anschließend massiv über die Vorwürfe auf, sprach von einer „unverschämten Neidgesellschaft und verantwortungslosen Medien, die so was verbreiten“. Michael Schumacher sagte am Donnerstag in Montreal nur: „Es ist ziemlich einfach. Die Fia weiß ganz genau, was bei unseren Reifen passiert und ist diejenige, die sagt, ob es in Ordnung ist oder nicht. Gerüchte, das wisst ihr selber, sind einfach in die Welt zu setzen, meistens ist aber relativ wenig dran.“ Oder doch? Am Samstagnachmittag in Kanada fiel das Ganze nicht nur einigen Michelin-Verantwortlichen erneut ein. Schließlich war jetzt genau das passiert, was schon immer ins normale Bridgestone-Schema gepasst hätte: Ferrari im Qualifying hinten – mit verhältnismäßig großem Zeitrückstand. „Der Abstand ist eigentlich nicht mehr nur durch Spritmenge und Strategie erklärbar", sagte der neue Williams-Technikchef Sam Michael, „so einen großen Tank haben die gar nicht, um so viel Sprit mitzunehmen, dass die Sekunde Rückstand nur dadurch zustande käme.“ Er glaube aber nicht, „dass Ferrari nun von einem Wochenende zum anderen grundsätzlich langsamer geworden ist. Im Rennspeed, das hat man ja schon an den Rundenzeiten in den längeren Trainingsruns gesehen, sieht das anders aus. Es ist wohl eine gewisse Qualifyingschwäche.“

Michelin-Technikchef Pierre Dupasqier, eine der treibenden Kräfte hinter den Vorwürfen, vermutet offensichtlich: Nachdem das Thema einmal öffentlich geworden sei, habe man sich bei Bridgestone und Ferrari zunächst nicht mehr getraut. Eine andere mögliche Variante: In früheren Zeiten wurden gewisse Schummeleien auch von offizieller Seite aus schon mal nach dem Motto behandelt: Wir haben euch erwischt, aber die Formel 1 kann keinen Skandal brauchen, also schauen wir weg, aber künftig lasst ihr es bleiben.

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