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Sport: Zaudern statt zaubern

Tabellenführer Werder Bremen wankt beim glücklichen Erfolg in Frankfurt – und entdeckt die Nervosität

Frankfurt. Zu Auswärtsspielen trägt Jürgen L. Born neuerdings eine grün-orangefarbene Krawatte. „Die bringt uns Glück“, sagt der Vorstandsboss von Werder Bremen. Insofern hat das modische Anhängsel in den Trikotfarben seinen Zweck am Ostersamstag in Frankfurt bestens erfüllt. Was Born so ausdrückte: „Das Tor von Valérien Ismael ist mit Geld nicht zu bezahlen.“ Ein Elfmetertor zum glücklichen 1:0-Erfolg beim Abstiegskandidaten Eintracht Frankfurt hat zur kollektiven Erleichterung beim Tabellenführer der Bundesliga geführt. „Gott sei Dank ist das Tor überhaupt noch gefallen“, sagte Trainer Thomas Schaaf. Derweil ahnte Born, was ohne den Elfmeter gewesen wäre. „Dann hätten wir uns das Gejaule der Bayern anhören müssen.“

So oder so bleibt den Bremern das Ballyhoo nicht erspart. Denn der Elfmeterpfiff war strittig – Alexander Schur hatte den davon eilenden Nelson Valdez vor dem Strafraum am Trikot gezogen. Schiedsrichter Jürgen Jansen wertete die Szene des Spieltags als „eine Grenzentscheidung“, also mit dem bloßen Augen schwerlich wahrnehmbar. Schaaf verbat sich alle Diskussionen darüber, und verwies auf den Gesamtzusammenhang. „Wir haben diese Saison so viele Elfmeter nicht bekommen.“ Sportdirektor Klaus Allofs konterte die Vorwürfe aus München auf andere Art. „Das Glück kennen die Bayern ja.“ Noch immer sei der Vorsprung sensationell groß, „das sollte reichen“. Überhaupt findet Bremens Geschäftsführer für den Profifußball die Kritik an seinem Team überzogen. „Kein Deutscher Meister hat alle 34 Spieltage gezaubert.“

Als wichtig für den Kopf, wertete Fabian Ernst den Sieg. Auch Klaus Allofs sagte, dass es der schwierigste dieser Saison gewesen sei. „Wir sind nicht mehr locker.“ Und offenbar gerät Werder auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Überheblichkeit ganz augenfällig derzeit ein wenig ins Wanken. Die überflüssige Tätlichkeit von Ümit Davala, der sich genau wie Ioannis Amanatidis eine Rote Karte einhandelte, ist nur ein Beleg dafür. Schaaf urteilte über die beiden Platzverweise: „Von beiden indiskutabel.“

Ein anderes Indiz ist die lauffaule bis lustlose Vorstellung des Offensivtrios Micoud-Ailton-Klasnic. Der Trainer beorderte gleich alle drei vorzeitig vom Feld und rüffelte sie später. „Wir müssen uns besser bewegen, Nelson Valdez hat es nach seiner Einwechslung vorgemacht.“ Zudem fällt das auf Kombinationen durch die Spielfeldmitte abgestellte Konzept der Bremer immer dann in sich zusammen, wenn Micoud der Spaß und den Stürmern der Raum genommen wird. Sinnreiches Flügelspiel gegen massierte Abwehrverbünde à la Frankfurt steht nicht auf der Agenda des Titelanwärters 2004. Und das Werder-Ensemble bewegt sich auf dem Platz nicht mehr mit jener spielerischen Leichtigkeit. Was vielleicht daran liegt, dass die Bremer im Training seit Wochen nicht mehr als nötig tun: Schaaf hat den Seinen ein Schonprogramm aufgelegt, kein Team übt unter der Woche weniger als Werder Bremen.

Valérien Ismael, der nervenstark den Elfmeter zum Tor des Tages verwandelte (80.), glaubt auch ein psychisches Problem zu erkennen. „Es ist eine ganz neue Situation für Werder und ein ganz neuer Druck.“ Soll heißen: nicht mehr als Außenseiter den jeweiligen Gegner überraschen zu können, sondern als Liga-Primus gewinnen zu müssen. Für den französischen Abwehrchef, abermals Bremens Bester in Sachen Willens- und Kampfstärke, steht jedoch außer Frage, dass der Deutsche Meister zu Saisonende Werder Bremen und nicht Bayern heißen wird. Er hofft auf eine Vorentscheidung für Werder am kommenden Wochenende. „Die spielen am Samstag in Dortmund, wir am Sonntag gegen Hannover. Dann kann schon alles gut für uns sein.“

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