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Sport: ZEN ZU NULL Persönlich weiterkommen

Noch bis zum 30. Juni wird sich unser Leben vor allem um eines drehen: Tore, Tore, Tore.

Noch bis zum 30. Juni wird sich unser Leben vor allem um eines drehen: Tore, Tore, Tore. Doch eine Fußball-Weltmeisterschaft bedeutet mehr, als sich nur mit Bällen zu beschäftigen, die von Netzen aufgehalten werden. Fußball ist Philosophie. Immer wieder dienstags und freitags heben wir deshalb den Fußball während der WM auf eine nächste, höhere Ebene.

Die Ruhe vor dem Sturm bewahren.

So umschreibt der Meister die heutige Aufgabe. Er spricht von einem für uns alle entscheidenden Tag. Schon wieder eines dieser ewig lächelnden Spruchrätsel, dabei sind es nur noch wenige Stunden bis zum Anpfiff gegen Kamerun! Wer soll sich denn da konzentrieren können? Kein Wort über die Aufstellung, Winnies Psychotricks, Janckers Oberkörper, schwarze Männer, urdeutsche Ängste. Eine Zumutung ist das. So sollen wir persönlich weiterkommen?

Ehrlich gesagt hätte ich gute Lust, einfach hinzuschmeißen, mir das ganze WM-Zen sowie sämtliche Meditationstechniken (Soto und Rinzai) sonst wohin zu stecken, stattdessen mein Deutschland-Trikot überzustreifen, in die nächste S-Bahn zu steigen und dann auf dem Potsdamer Platz die nationale Sau rauszulassen. Wollen wir doch mal sehen, wer sich hier selbst vergisst!

Der Meister spürt dieses mein dunkles Unbehagen deutlich und streichelt mir sanft über den Scheitel. „Mein Geist findet keine Ruhe, bitte gebt ihm die Ruhe, nach der er verlangt“, flehe ich, annähernd wieder bei mir, und sehe mich innerlich schon in der Vorrunde gescheitert. „Bring mir deinen Geist, ich werde ihm Ruhe geben“, fordert der Meister mich daraufhin auf. Zwischen meinen Ohren - also dort, wo sich nach Christoph Daum ein Spiel eigentlich entscheidet – wird es auf einmal ganz still. Kein „Ich denke“, kein „Ich sach mal“ oder „Ja, gut“ unterbricht noch mein Suchen.

„Ich kann meinen Geist nicht finden“, bekenne ich dem Meister. „Dann habe ich ihn ja schon zur Ruhe gebracht“, gibt er zur Antwort. Za-Zen! Alle lachen befreit auf. Das war ohne Zweifel einer jener kritischen Momente, die jeder Anwärter auf dem Weg zum Titel überstehen muss. Jetzt darf Kamerun kommen. Schließlich haben wir, alle 23 Teilnehmer der methodisch meditierenden Fußballgruppe nun begriffen, dass die einzigen, die uns wirklich besiegen können, wir selbst bleiben. Wolfram Eilenberger

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