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Sport: Zu früh gefreut

Wie Stefan Effenberg Herthas 3:7-Niederlage einleitete

Der Ball kommt scharf von der linken Seite, flach getreten. Plötzlich stehe ich im Strafraum der Bayern, nur Torwart Raimond Aumann vor mir. Ich grätsche – und dann ist der Ball drin. Tor! Tor! Ausgleich! In München! Ich reiße die Arme hoch, schreie und renne einfach los. Acht Minuten noch, dann ist Pause. Kein Gegentor mehr, bitte! Dann ab in die Kabine, Luft holen und dann – tja, und dann kam Stefan Effenberg und schoss das 2:1 für die Bayern. Nicht mal eine Minute nach meinem Tor. Ich weiß nicht, wie er getroffen hat, ich habe das Tor nicht gesehen, und ich will es auch nicht wissen. Von den Bayern haben wir damals, im Mai 1991, noch fünf Tore bekommen, 3:7 stand es am Ende, und unser Trainer Peter Neururer hat hinterher gesagt, dass er zuletzt beim Tipp-Kick gegen seinen Bruder so hoch verloren habe. Irgendwie waren wir froh, dass die Saison drei Wochen später vorbei war. Wir sind als Tabellenletzter abgestiegen.

Vielleicht hätte ich mit Effenberg damals das Trikot tauschen sollen. Da aber hätte unser Zeugwart geschimpft. Wir haben bei Hertha nämlich nur einen oder zwei Trikotsätze gehabt. Aber so ein Superstar wie heute war Stefan damals ohnehin noch nicht. Da gab es andere bei den Bayern. Jürgen Kohler zum Beispiel. Oder Roland Wohlfarth. Effenberg war in meinem Alter, Anfang 20, und er trug eine fürchterliche blonde Matte auf dem Kopf. Hübsch war der Stefan sowieso nie, aber unbequem. Auch auf dem Platz. Er hat oft provoziert, richtig laut. Aber wäre er glatt gewesen, so ein Schönling – er hätte es im Fußball bestimmt nicht so weit gebracht.

Sven Kretschmer bestritt in der Saison 1990/91 22 Bundesligaspiele für Hertha BSC. Heute ist er Kapitän der Amateurmannschaft.

Sven Kretschmer

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