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Sport: Zu Gast bei Freunden

Die Nationalelf fürchtet trotz der Ausbootung von Wörns keine negative Reaktion der Dortmunder Fans

Berlin - Norbert Dickel hat gestern Morgen eine exklusive Information erhalten, die ihm in einer Woche erheblich die Arbeit erleichtern dürfte. Dickel, Stadionsprecher von Borussia Dortmund, hat lange mit Oliver Bierhoff telefoniert, und bei dieser Gelegenheit hat ihm der Manager der Fußball-Nationalmannschaft vorzeitig mitgeteilt, dass Sebastian Kehl beim Länderspiel am kommenden Mittwoch gegen die USA dem deutschen Kader angehören wird. Dem Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund werden schon seit Monaten überragende Leistungen bescheinigt, und trotzdem hat er unter Bundestrainer Jürgen Klinsmann noch kein einziges Spiel bestritten. Dass er ausgerechnet in Dortmund zum ersten Mal dabei ist, muss man nicht unbedingt für Zufall halten.

Klinsmann sagt zwar, dass diese Entscheidung nichts mit dem Austragungsort zu tun habe. Angesichts der Verärgerung über die Ausbootung des BVB-Verteidigers Christian Wörns ist Kehls Nominierung aber vor allem als Friedensangebot an das Dortmunder Publikum zu verstehen. „Die Suppe hat er sich selber eingebrockt“, sagt Wörns, der von Klinsmann noch einmal zu einen klärenden Gespräch eingeladen worden war. Doch weil der Bundestrainer seine Entscheidung gegen Wörns nicht mehr ändern will, sagte der Dortmunder das Treffen ab: „Diese Zeit konnte ich besser nutzen.“

Wer berücksichtigt, dass Klinsmann sonst wenig Rücksicht auf die öffentliche Meinung nimmt, kann Kehls Nominierung als Beleg dafür sehen, wie sehr der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine feindselige Atmosphäre im Westfalenstadion fürchtet. „Ich habe Angst“, hat DFB-Vizepräsident Rolf Hocke gesagt. „Es ist eine unglückliche Konstellation, nach der Geschichte um Wörns und der Kritik an Jürgen Klinsmann in Dortmund zu spielen.“ Hocke – wäre er Politiker, würde man ihn als Hinterbänkler bezeichnen – hat mit diesen reißerischen Aussagen den Ton der Diskussion bestimmt und damit das Bestreben des DFB konterkariert, die Angelegenheit nicht zu sehr aufzubauschen. Offizielle Linie ist das, was Oliver Bierhoff auf der Internetseite des Verbandes mitteilt: „Das Dortmunder Publikum hat die Nationalmannschaft schon immer vorbildlich unterstützt. Deshalb freuen wir uns auch auf die Begegnung in der kommenden Woche gegen die USA.“

Historisch betrachtet gibt es jedenfalls keinen Grund zur Sorge. Zum 13. Mal spielt die Nationalmannschaft in einer Woche in Dortmund. Elf Spiele hat sie gewonnen, nur eins, 1977 gegen Wales, endete unentschieden. Vor allem die letzten beiden Begegnungen haben den Ruf des Westfalenstadions als günstiges Umfeld für die Nationalmannschaft begründet. Im November 2001 gewannen die Deutschen 4:1 gegen die Ukraine und qualifizierten sich damit für die WM. Fünf Wochen zuvor, beim 0:0 gegen Finnland, war die Mannschaft in Gelsenkirchen noch ausgepfiffen worden, die Zuschauer feierten den heimischen FC Schalke und schmähten vor allem die Nationalspieler des Erzfeindes Borussia Dortmund. Im Westfalenstadion hingegen war die Stimmung von der ersten Minute an freundlich bis enthusiastisch – und das, obwohl kein einziger Dortmunder in der Anfangsformation stand.

Auch vor dem bisher letzten Länderspiel in Dortmund, im September 2003 gegen Schottland, hatte es Befürchtungen gegeben, dass das Publikum feindselig sein könnte, weil Teamchef Rudi Völler vier Tage zuvor seinen legendären „Käse, Scheißdreck, Mist“-Ausbruch gehabt hatte. Auch diese Sorge erwies sich als unbegründet. Völler wurde noch mehr gefeiert als seine Mannschaft.

„Wir sind eine sehr nationalmannschaftsfreundliche Stadt“, sagt Norbert Dickel. Trotzdem fürchtet der Stadionsprecher des BVB, dass es am Mittwoch „nicht ganz ruhig“ werden könnte, „aber wir haben ja noch ein paar Tage Zeit gegenzuarbeiten“. Der DFB hat bereits bekannt gegeben, dass es am Dienstag ein öffentliches Training der Nationalmannschaft im Westfalenstadion geben werde, verbunden mit der indirekten Aufforderung an die Dortmunder, den bisherigen Zuschauerrekord (20 000 im November in Köln) einzustellen. Außerdem hat sich DFB-Präsident Theo Zwanziger gestern Abend mit den Wortführern unter den BVB-Fans getroffen, um gute Stimmung für die Nationalelf und Klinsmann zu machen.

Klinsmanns Berater Roland Eitel hat angeregt, den Dortmunder Stadionsprecher Dickel noch stärker einzubinden. Dickel, früher selbst Profi beim BVB, genießt bei den Fans hohes Ansehen. „Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht“, sagt er. Es ist ohnehin üblich, dass der lokale Stadionsprecher den DFB-Sprecher beim Programm vor dem Spiel unterstützt. Für Dickel wird es der fünfte Länderspieleinsatz sein. „Ich weiß, was zu tun ist“, sagt er. „Es wird super sein, und wir gewinnen wie immer in Dortmund 4:1.“

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