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Sport: Zu gut für den Nachwuchs

Auf die besten Juniorennationalspieler kann Rudi Völler nicht verzichten – das hatte der DFB anders geplant

Berlin. Ulli Stielike hätte eigentlich den großen Tapferkeitsorden der Bundesrepublik Deutschland verdient. Wenn Rudi Völler mit dem Finger schnippst, kann Stielike machen, was er will. So werden die beiden derzeit besten deutschen Fußballtalente, die Stuttgarter Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel, am Samstag mit Völlers Nationalmannschaft gegen Frankreich spielen und eben nicht in Stielikes U-21-Team. Es ist ein „herber Substanzverlust für uns“, sagt der 48-jährige Stielike, „aber es ist ja positiv, dass wir in Deutschland wieder begabte Spieler hervorbringen, denen der Sprung nach ganz oben gelingt.“

Ulli Stielike könnte die beiden Stuttgarter gut brauchen, wenn seine U 21 an diesem Freitag in Leverkusen das wichtige EM-Play-off-Hinspiel gegen die Türkei bestreitet. Ohne einen Erfolg über die Türken hätte seine Mannschaft keine Chance, am Olympiaturnier 2004 in Athen teilzunehmen. Die drei besten Teams der EM-Endrunde erreichen die Spiele im kommenden Jahr in Griechenland. Sollte das nicht gelingen, „läuft ein ganzer Jahrgang ins Leere“, sagt Stielike. „Wir könnten diese hoffnungsvolle Mannschaft nicht konsequent weiterentwickeln, sondern würden nur noch Freundschaftsspiele bestreiten.“ Es wäre ein Rückschlag für den deutschen Nachwuchs.

Der frühere Star von Real Madrid und Europameister von 1980 ist derzeit verantwortlich für drei Nachwuchsmannschaften des DFB. Neben der U 21 sind es noch die U 20 und U 18. Die U 19 wird derzeit von Dieter Eilts betreut. Und im Hintergrund gibt es noch das so genannte Team 2006, über dessen Sinn nach wie vor heftig diskutiert wird. Ins Leben gerufen wurde dieses Perspektiv-Team vor zwei Jahren nach der desaströsen EM. „Das Team 2006 ist nur dann fortzuführen, wenn wir es sinnvoll bestücken können“, sagt Stielike. Das könnte gegeben sein, wenn die Spieler der Jahrgänge 81/82 für die U 21 zu alt werden und dann im Team 2006 weiterlaufen könnten.

Die Beispiele Kuranyi und Hinkel zeigen zwar, dass es um den deutschen Nachwuchs so schlecht nicht bestellt ist. Beide Spieler haben den Sprung in die Stammelf des VfB Stuttgart geschafft und sind aus Völlers Nationalmannschaft kaum wegzudenken. Für Stielike sind sie aber nicht das Produkt des vor zwei Jahren initiierten Nachwuchsförderprogramms, das bis hin zu den Zwölfjährigen reicht. Dieses Projekt, das sich der DFB jährlich zehn Millionen Euro kosten lässt, könne „in vier, fünf Jahren Spieler hervorbringen“. Bisher ließe sich zumindest feststellen, dass die heute 18- und 19–Jährigen besser ausgebildet sind.

Spieler wie Kuranyi, Hinkel oder Mike Hanke (Schalke), die noch in der U 21 spielen könnten, sind eher ein Produkt „nicht geplanter Entwicklungen“. Stielike verweist auf den Zusammenhang mit der Kirch-Krise. Vor allem der VfB Stuttgart sei in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die zwangsläufig dazu geführt hatte, mehr auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Nur so bekamen Spieler wie Kuranyi und Hinkel, Hildebrand oder Tiffert die nötigen Einsatzzeiten in der Bundesligamannschaft. „Und wäre bei Schalke alles rund gelaufen, hätte ein Mike Hanke vermutlich immer noch nicht gespielt“, sagt Stielike. Ähnliches gelte für den FC Bayern (Schweinsteiger, Feulner, Lell) und Hertha BSC (Madlung, Fathi). Bei Borussia Dortmund (Malte Metzelder, Odonkor) war es die Personalnot, die dem Nachwuchs Einsatzmöglichkeiten eröffnete. „Das war so bestimmt nicht geplant“, sagt Stielike, „vieles geschah unter Zwang. Wir können erst zufrieden sein, wenn die Jungs auf lange Sicht konzeptionell eingebaut werden.“

Stuttgarts Trainer Felix Magath hatte zuletzt mehrfach Kritik geübt am Nachwuchsförderprogramm des DFB. „Wie soll ich denn samstags auf einen jungen Spieler setzen, der dann auf einmal vier Wochen mit einer Auswahlmannschaft unterwegs ist? Das kann für die Entwicklung des Spielers nicht gut sein“, hatte Magath gesagt. Der Bremer Spieler Fabian Ernst, der den Sprung in Völlers Nationalelf schaffte, hatte jüngst den Stellenwert des Teams 2006 in Frage gestellt: „Mein Schicksal in Sachen Nationalmannschaft liegt in einer anderen Hand. Am Ende zählt allein die Leistung im Verein.“

Stielike reagiert gelassen. „Wir tragen den Interessen der Ligavereine Rechnung. Früher gab es solche Problemfälle so gut wie nicht.“ Wenn der DFB-Trainer Ende November zur U-20-WM (bis 19. Dezember) reist, verzichtet er auf fünf Stammspieler: Neben Hanke auf Lahm (Stuttgart), Riether (Freiburg), Volz (FC Fulham) und Krontiris (Aachen). Diese Spieler sind längst Stützen ihrer Vereinsteams. In die WM-Phase fallen für den VfB Stuttgart bis zu vier Bundesliga- und zwei Champions-League-Spiele sowie ein Pokalspiel an. „Wir reißen keinen Jungen da raus und riskieren, dass er seinen Stammplatz im Verein verliert“, sagt Stielike. Das alles wäre ein Nachwuchsländerspiel nicht wert.

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