Zu gut für Liga zwei: Wie lange bleibt Ramos noch bei Hertha?

Die Szene hatte etwas Symbolträchtiges: Mit viel Glück kam ein verunglückter Ball von der Brust eines Paderborners zu Peter Niemeyer, der Oberhandwerker von Hertha BSC wollte umgehend wuchtig vollenden. Der Schuss misslang, Niemeyer erwischte den Ball nicht richtig, aber die Kugel trudelte abgefälscht in die Füße von Adrian Ramos.

Was folgte, war großer Sport: Der Kolumbianer konnte den Ball nicht nur sofort annehmen und kontrollieren, er drehte sich blitzschnell um die eigene Achse, täuschte eine Bewegung nach links an, aber machte den Schritt nach rechts, dem Verteidiger vor ihm schwirrte der Kopf, und Ramos schoss flach ins kurze Toreck – der Siegtreffer.

Es sind solche Szenen, die Hertha fehlen werden, sollte sich Ramos in der Winterpause verabschieden. Diese Aktionen, mit denen er Herthas bewährtem Mix aus Wucht, Handwerk und Glück eine Prise Kunst hinzufügt, die nicht nur diesmal den Sieg brachte in einem ausgeglichen schwachen Spiel. Dieses Extra an fußballerischer Klasse, das liefert im Berliner Kader sonst meist nur Ronny.

„Wir hatten Glück, dass Adrian getroffen hat“, gab auch Trainer Jos Luhukay zu, der von einem „extrem wichtigen Arbeitssieg“ sprach. Arbeit, deren Resultat ohne Stuckateur Ramos so schmucklos gewesen wäre wie ein Reihenhaus aus den Fünfzigerjahren. „Wenn wir solche Spiele wie heute gewinnen, kommen wir unserem Ziel immer näher“, lobte Luhukay.

Dass Hertha den Vorsprung zum Relegationsrang auf sieben Punkte ausbauen konnte, war auch dem 1. FC Union zu verdanken, der Kaiserslautern tags zuvor geschlagen hatte, wofür sich die Herthaner artig bedankten. Und Ramos. Fünf Tore hat der Stürmer in seinen letzten neun Spielen geschossen. Wäre er nicht formschwach in die Saison gegangen, er hätte wohl noch mehr als sechs Treffer und vier Vorlagen in der Bilanz stehen. Gleichzeitig rückt sein Abschied mit jedem Tor näher, das Spiel am Samstag gegen den FSV Frankfurt könnte sein letztes sein.

Preetz geht noch davon aus, dass Ramos bleibt

Seit dem Sommer hat der 26-Jährige die Zusage, den Verein verlassen zu können, wenn das Angebot für beide Seiten passt. Kurz vor Ablauf der Wechselfrist wäre Ramos fast schon in Mainz gelandet, aber der Bundesligist wollte ihn nur ausleihen. Hertha hatte sich schon im Sommer reichlich mit Stürmern eingedeckt, in der Erwartung, Ramos würde gehen. Im Winter kommt Pierre-Michel Lasogga zurück, als interner Ersatz sozusagen. Das Geld für Ramos, nach dem Verkauf Raffaels das letzte Stück Tafelsilber, kann Hertha angesichts des offiziellen Schuldenstandes von 42 Millionen Euro gebrauchen.

Zuletzt bestätigte Manager Michael Preetz, sich die Teile der Transferrechte an Ramos, die sein Exklub America de Cali noch hielt, gesichert zu haben. Für die restlichen 20 Prozent der Rechte soll Hertha 600 000 Euro gezahlt haben. Eine Investition, die sich nur bei einem Verkauf des Stürmers lohnt. Wobei sich darüber vor allem die Gläubiger freuen dürften. Am teuersten käme Hertha aber ein verpasster Aufstieg ohne Ramos zu stehen.

Zuletzt hatte Preetz auf der Mitgliederversammlung in Aussicht gestellt, Ramos müsse nicht auf jeden Fall gehen. Am Sonntagabend bekräftige er das im RBB-Sportplatz mit der Aussage: "Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass er bleibt." Vielleicht habe der ja realisiert, dass er auch mit Hertha Erste Liga spielen könne, und wer den sensiblen Stürmer aus seinem Leistungsloch gezogen habe: Jos Luhukay.

Über seine Zukunft kann sich der scheue Ramos, mit einem Vertrag bis 2015 ausgestattet, nun viele Gedanken machen. Den Sonntag und Montag bekam er ebenso wie seine Mitspieler frei. Auch die könnten sich fragen, wie das Spiel in Paderborn wohl ausgegangen wäre, hätte ein anderer Hertha-Stürmer als Ramos den Ball in die Füße bekommen.