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Sport: Zu viel Mailand im Kopf

Vier Tage vor dem Duell in der Champions League unterliegt der FC Bayern in der Bundesliga 1:2 gegen den Hamburger SV

Oliver Kahn war fassungslos. Kopfschüttelnd stand der Nationaltorwart kurz nach dem Abpfiff auf dem Rasen, zupfte sich am Ohr und blickte immer wieder auf den zerfurchten Rasen hinter sich. „So ein unnötiges Tor“, haderte Kahn, „dieses Tor verstehe ich nicht.“ Seine Stimme überschlug sich fast, während einige Meter hinter ihm der Hamburger Thimothee Atouba im Kreis seiner Mannschaftskameraden zu einem seiner berühmten Tänze ansetzte: Arme und Beine flogen durch die Luft, es herrschte ausgelassene Stimmung beim Hamburger SV. Mit 2:1 (1:0) hatten sie in München gewonnen – und damit Historisches geleistet: Alle elf Bundesliga-Heimspiele in der neuen Allianz-Arena hatten die Bayern bisher gewonnen, die Niederlage gegen den HSV wurde somit zur unliebsamen Premiere.

Dabei hatte es nach Guy Demels erstem Bundesligator für den HSV und weiteren Großchancen für die Hamburger doch noch danach ausgesehen, als sollte wieder einmal der berühmte Bayern-Dusel greifen. Obwohl der Gast das Spiel in der ersten Halbzeit komplett beherrschte, gelang dem eingewechselten Mehmet Scholl in der 83. Minute der Ausgleich, dem weitere Münchener Großchancen folgten. Dass die Bayern am Ende als Verlierer im dichten Schneetreiben dastanden, lag zum einen an dem unbändigen Willen der Hamburger, zum anderen an den Bayern, die ihr Glück nach dem späten Ausgleich überstrapazieren wollten. „Die Mannschaft muss verstehen, dass wir um die deutsche Meisterschaft spielen und nicht um eine Stadtmeisterschaft“, sagte Kahn. „Nach dem Ausgleich bringst du das Spiel über die Runden, und der Abstand bleibt gleich.“ Kahn fauchte hinterher: „Ich hoffe, dass diese Ohrfeige wirkt.“ Mit Ohrfeige meinte Kahn den Hamburger Siegtreffer durch einen Kopfball von Nigel de Jong eine Minute vor dem Ende. Kahn hatte hier keine Abwehrchance – doch beim ersten Gegentreffer durch Demel aus spitzem Winkel hatte er seine Torwartecke verlassen und so die Führung der Hamburger ermöglicht.

Zwar ist die Dominanz der Bayern auf nationalem Terrain bei immer noch acht Punkten Vorsprung auf Werder Bremen und den HSV nicht ernsthaft in Gefahr, doch die bayerische Zielvorgabe sieht in dieser Saison noch größere Aufgaben vor: In vier Tagen soll im Achtelfinalrückspiel beim AC Mailand ein weiterer Schritt in der Champions League gemacht werden. „Das Spiel beim AC Mailand ist mit ein Grund, warum wir heute verloren haben“, sagte Bayern-Trainer Felix Magath und konnte der ersten Heimniederlage somit etwas Positives abgewinnen, „deswegen bin ich auch optimistisch für Mittwoch.“ Nach Magaths Argumentationskette folgt auf die verpatzte Generalprobe ein triumphaler Auftritt in San Siro.

Und es ist gerade die Art und Weise der Niederlage, die den Bayern-Trainer bestätigen könnte: „Ich glaube nicht, dass wir besser Fußball gespielt haben“, sagte Matchwinner de Jong, „aber wir haben besser gekämpft.“ Als bislang einzige Mannschaft haben die Hamburger den Rekordmeister diese Saison bezwingen können – und das gleich doppelt. Doch diese Statistik sowie die gelungene Rückkehr von Regisseur Rafael van der Vaart in die Startelf konnte nicht die unbeschwerte Hamburger Freude aus der Hinrunde hervorrufen. „Nach der Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart sind wir jetzt wieder in der Spur“, sagte Trainer Thomas Doll nüchtern.

Es klang nicht nach hochfliegenden Träumen. „Über die Meisterschaft sollen sich andere Gedanken machen“, sagte Doll. Auch die Klubführung genoss den Erfolg eher ruhig: „Es gibt ganz gute Chancen, dass wir mindestens Fünfter werden“, sagte HSV-Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann und lächelte. Es waren nicht die Worte, sondern dieses Lächeln, das den wahren Anspruch des HSV deutlich machte.

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