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Zürich: Blatter als Fifa-Präsident wiedergewählt

An der Spitze wird weiterhin derselbe stehen, aber er will nicht mehr ganz derselbe sein: Joseph S. Blatter, 75 Jahre alt, Schweizer, wird den Internationalen Fußball-Verband Fifa auch weiterhin führen.

Dass zu seiner 13-jährigen Amtszeit als Präsident noch einmal vier Jahre kommen, dafür stimmten am Mittwochnachmittag beim Fifa-Kongress in Zürich  182 der 206 wahlberechtigten Verbände, das macht 88 Prozent. Blatter hatte nach dem Rückzug von Mohamed Bin Hammam aus Katar am Sonntag keinen Gegenkandidaten mehr.

Es waren also nur wenige Verbände, die Blatter ihre Stimme versagten und damit ihre Unzufriedenheit ausdrückten über eine ganze Welle von Korruptionsvorwürfen, die den Weltverband in den vergangenen Tagen überspült hatte. Dass das Ansehen der Fifa so gelitten hatten, dürften sie auch Blatter angelastet haben.

Aber so wie bisher will nicht einmal Blatter weitermachen. „Wir haben einige Schläge eingesteckt, und auch ich habe einige Ohrfeigen bekommen“, sagte Blatter. Er wollte sich sogar gleich an die Spitze der Reformbewegung setzen. „Es geht darum, radikale Schritte und grundlegende Reformen zu unternehmen, nicht nur kosmetische Veränderungen.“ Von „Null Toleranz“ gegenüber Verstößen gegen den Ethik-Code sprach Blatter mehrmals. Und präsentierte noch eine Reformagenda: Künftig soll die Weltmeisterschaft vom Kongress vergeben werden, also von allen Mitgliedsverbänden, nicht mehr vom 24-köpfigen Exekutivkomitee. Außerdem soll die Ethik-Kommission stärker und unabhängiger werden. Und dann möchte Blatter noch eine „Lösungskommission“ einrichten, die „in die Tiefe geht, was in der Fifa passiert ist und wie wir darauf reagieren können“. Darüber ließ er die Delegierten zum Abschluss des Kongresses gleich abstimmen. Knapp 98 Prozent folgten Blatter mit seinen Vorschlägen und per Akklamation gaben die Funktionäre ihm auch noch die Erlaubnis, die Exekutive um eine Frau zu erweitern.

Was in den vergangenen Tagen an Korruptionsvorwürfen gegen mehrere Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees geäußert worden war, schien Blatter beeindruckt zu haben. „Es muss ein für alle Mal Schluss ein mit dieser hässlichen Kritik, mit Vermutungen über Betrügereien und Tricksereien. Unser Ruf steht auf dem Spiel“, rief er den Delegierten zu. Zwei Mitglieder des Exekutivkomitees waren am Sonntag suspendiert worden und saßen deshalb beim Kongress nicht mehr auf dem Podium, Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad&Tobago und Mohamed Bin Hammam aus Katar.

Dass es für Blatter selbst auf dem Kongress glimpflich ablaufen würde, darauf hatte er sich schon seit dem Mittwochmorgen einstellen können. Als nämlich der einzige kritische Antrag abgeschmettert wurde. Ein Antrag von der Opposition. Die Opposition in der Fifa kommt derzeit von der Insel. Die Engländer wollten nach all den Korruptionsvorwürfen nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Punkt 14 wollte der englische Fußballverband FA kippen, Wahl des Präsidenten. „Wir werden universell kritisiert von Regierungen, Sponsoren, Medien und der breiten Öffentlichkeit“, sagte FA-Präsident David Bernstein über den Weltfußball. Er könne daher diese Wahl nicht gutheißen, in der ein König ohne Gegner bestimmt werde. Das widerspreche seinem Demokratieverständnis.

Doch das fußballmächtige England wurde anschließend von Fußballzwergen kleingeredet. Haiti, Kongo, Benin, Zypern und Fidschi. „Wieso möchten sie der Fifa schaden?“, fragten sie unter anderem und forderten ein starkes Votum für Blatter. „Wir dürfen uns nicht von England von unserem Weg abbringen lassen. Wir würden uns sonst dem Gespött der Welt aussetzen.“ Der Applaus für sie nahm das Abstimmungsergebnis vorweg. 172 von 206 stimmberechtigten Mitgliedsverbänden wollten keine Verschiebung der Wahl, das waren 91 Prozent. Nur 17 Verbände stimmten für den Antrag der Engländer.  

Es blieb an diesem Tag bei einem kritischen Antrag. Dazu kamen  allenfalls noch ein paar kritische Äußerungen gegenüber Journalisten wie die des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, der forderte, die Vergabe der WM 2022 in Katar noch einmal zu untersuchen. „Ich der Meinung, dass diese WM-Vergabe nochmals auf den Prüfstand gebracht werden sollte“, sagte Zwanziger, „sogar der Fifa-Generalsekretär hat, egal ob salopp formuliert oder nicht, in einer E-Mail die finanziellen Möglichkeiten Katars kritisch betrachtet.“ Hinterher sagte Zwanziger, der in Zürich für Franz Beckenbauer in die Exekutive rückte: „Ich bin überglücklich, dass künftig der Kongress über die Vergabe der WM entscheidet.“ Er selber wolle sich innerhalb der Fifa für Transparenz stark machen. „Ich werde meinen Einfluss geltend machen, da machen sie sich mal keine Gedanken. Aber es ist nicht alles in der Fifa so schlecht, wie es in den vergangenen Wochen gemacht wurde.“

Auf dem Kongress selbst gab es sonst nur noch die Wortmeldung des dänischen Verbandes, der im Namen des gesamten skandinavischen Fußballs Blatter aufforderte, jetzt auch wirklich eine starke Aufklärungsinstanz einzurichten. Die soll nun kommen. Wenn Blatters Vorschläge umgesetzt werden, hätte die Fifa sogar eine Disziplinarkommission, eine Ethikkommission und eine Lösungskommission. Blatter scheint das nicht zu stören. Er will schließlich der Reformator der Fifa sein. „Es kann sein, dass bei der Arbeit der Lösungskommission herauskommt, dass wir einen außerordentlichen Kongress abhalten und uns nur mit diesem Thema beschäftigen. Einen ganzen Tag“, sagte Blatter. Einen ganzen Tag über Transparenz und Korruptionsbekämpfung reden. Das dürfte für manchen Fußballfunktionär eine ganz schöne Zumutung werden.

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