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Mein Freund, der Ball. Im Jugendinternat des FC Barcelona, genannt La Masia (im Hintergrund), lernen die Nachwuchsspieler von frühester Jugend einen offensiven und technisch geprägten Spielstil.

© Gunnar Knechtel/laif

Zukunft des Fußballs: Nachwuchs: Seid mutig, spielt offensiv!

Das DFB-Team hat bei der Weltmeisterschaft berauschend gespielt. Wie das Spiel der deutschen und der spanischen Nationalmannschaften die Nachwuchsförderung verändern kann.

In unserer Serie versuchen wir, in die Zukunft zu schauen. Wohin steuert der Fußball? Wie wird er sich weiterentwickeln? Heute, in der zweiten Folge, beschreibt Albert Benaiges, Jugendkoordinator beim FC Barcelona, die künftige Spielphilosophie und Nachwuchsförderung.

Nennen Sie mich ruhig einen Romantiker, aber mir hat die WM Hoffnung gegeben. Warum denn das?, werden Sie sich jetzt fragen. Schließlich sagen die meisten Beobachter, dass das Turnier in Südafrika wenig Innovationen hervorgebracht hat. Viele Spiele waren nicht schön anzusehen und die vermeintlichen Stars mussten schon früh nach Hause. Und dann erst diese schlechten Schiedsrichterleistungen! Also warum soll so eine Veranstaltung jemanden Hoffnung geben? Ganz einfach: weil die richtige Mannschaft gewonnen hat. Ich sage das jetzt nicht, weil ich Spanier bin. Nein, ich sage das, weil ich den schönen und kreativen Fußball liebe. Die selección hat genau so einen Fußball gespielt, auch wenn sich das nicht immer in Toren niedergeschlagen hat. Dass Spanien Weltmeister wurde, ist gut für den Fußball.

Ich würde mir wünschen, dass sich dieser Titel auch auf die Nachwuchsarbeit in den Vereinen niederschlägt und mehr Wert auf eine offensive Ausbildung gelegt wird. Das ist allerdings nicht einfach. Um ein perfekt organisiertes Offensivspiel aufzuziehen, bedarf es viel Übung. Die Spieler müssen sich irgendwann blind verstehen, ein Rädchen muss perfekt ins andere greifen. Das alles ist mit sehr viel Arbeit und Geduld verbunden. Spanien spielt so erfolgreich, weil sich viele Spieler in- und auswendig kennen. Das Gerüst stammt von uns, vom FC Barcelona. Hier haben Iniesta, Xavi und all die anderen von klein auf nichts anderes gelernt. Leider wird vielerorts nicht die Geduld aufgebracht, bis die Spieler in der Lage sind, so ein Offensivspiel aufzuziehen. Der kurzfristige Erfolg wird leider allzu oft einem nachhaltigen Konzept vorgezogen. Wirklich Zeit hat heute ja kein Verein mehr.

Dabei wird in der Ausbildung der Schlüssel für einen zukunftsorientierten Fußball zu finden sein. Das Geld wird mit großer Wahrscheinlichkeit bei vielen Klubs nicht mehr so locker sitzen, wie es im Moment der Fall ist. Die Vereine werden dann zum Umdenken gezwungen sein und mehr auf ihren Nachwuchs setzen müssen. Bei der Jugendarbeit sollte darum keinesfalls gespart werden. Eine gute Ausbildung durch kompetente Trainer ist durch nichts zu ersetzen. Selbst wenn sich der Spieler irgendwann für einen Wechsel entscheidet, so bekommt der alte Klub zumindest eine Ausbildungsentschädigung.

Viele Vereine statten ihre Jugendspieler schon sehr früh mit Verträgen aus. Inzwischen ist die Konkurrenz auf dem Markt sehr groß. Oft werben gleich mehrere Vereine um einen Nachwuchsspieler. Wie sich der Spieler entwickelt und ob er es später tatsächlich zum Profi bringt, lässt sich jedoch nicht erkennen. Es ist immer eine Frage, wie man „zu früh“ definiert, aber viel jünger als zwölf Jahre sollte ein Kind nicht sein, wenn es seine Heimat verlässt. Bei uns stammen die ganz jungen alle aus Barcelona oder der näheren Umgebung. Selbst wenn sie später mit elf, zwölf oder mehr Jahren aus allen Teilen des Landes hier herkommen, ist das Heimweh noch groß genug. Deswegen machen ganz frühe Verpflichtungen nur wenig Sinn, erst recht wenn der Spieler aus einem anderen Land oder gar Kontinent stammt.

Mehr Sinn macht es dagegen, mit den vorhandenen Spielern so viel wie möglich zu trainieren – intelligent zu trainieren. Auch wir Spanier können uns noch verbessern. In manchen Situationen halten wir noch zu lange den Ball, anstatt schnell zu passen. Solche Sachen kann man zum Beispiel gar nicht früh genug beginnen zu üben. Das ist alles eine Frage der Ausbildung. Das war auch bei den deutschen Spielern zu sehen, sie wirkten ebenfalls gut ausgebildet. Herrlich, wie sie den Ball laufen ließen. Da steckte System dahinter. Es ist ärgerlich, dass Deutschland und Spanien schon im Halbfinale aufeinandertrafen. Das wäre ein großartiges Finale geworden. Ich bin mir auch sicher, dass es ein viel besseres Spiel geworden wäre als das Halbfinale zwischen beiden Teams. Deutschland hatte zu viel Respekt. Aber warum nur? Sie hätten mehr auf ihre eigene Stärke vertrauen müssen, aber wahrscheinlich waren sie es einfach noch nicht gewohnt, mit ihrem schnellen, technisch versierten Spiel zum Erfolg zu kommen.

Ich habe durch die WM die Hoffnung, dass sich in Zukunft ein kreativer und anmutiger Fußball durchsetzen wird. Ein Fußball, der die Zuschauer ins Stadion lockt und nicht bloß auf das pure Resultat aus ist. Barcelona, Spanien und auch Deutschland haben gezeigt, dass man auch mit schönem Spiel erfolgreich sein kann. Lange Zeit schien diese Kombination unmöglich. Die vorherrschende Meinung war ja immer, dass man nur mit einer knallharten Defensive die großen Titel gewinnen kann. Zum Glück ist diese These nun widerlegt. Mir gefällt dieses Sicherheitsdenken nicht, auch wenn ich es irgendwo verstehen kann, weil den Trainern viel zu oft nicht die nötige Zeit gegeben wird, um etwas aufzubauen.

Jedenfalls hoffe ich, dass Deutschland seinem neuen Offensivstil treu bleibt, auch wenn es noch nicht für einen Titel gereicht hat. Ich für meinen Teil habe es genossen, der Mannschaft zuzusehen.

Aufgezeichnet von Sebastian Stier. Bisher erschienen: Der Fußball und die Fans, von Dave Boyle (18. Juli).

Albert Benaiges

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