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Alte Schule. Eduard Geyer wurde nicht nur durch seine vielen Sprüche bekannt.

© Jörg-Florian Eisele/dpa

Zum 75. Geburtstag von Eduard Geyer: Energie Cottbus ist nicht genug

Eduard Geyer feiert seinen 75. Geburtstag. Der Mann, der als einer der wenigen ostdeutschen Trainer zu einer gesamtdeutschen Marke geworden ist.

Die A-Junioren von Energie Cottbus haben am Wochenende einen großen Sieg errungen und im DFB-Pokal die U 19 von Bayern München ausgeschaltet (3:2). Und es ist keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass dieser Sieg vielleicht nie zustande gekommen wäre ohne einen Mann, dessen letzte Amtshandlung beim FC Energie schon 15 Jahre zurückliegt. Sein Name: Eduard Geyer.

Als sich der knorrige und knurrige Sachse im Sommer 1994 der Cottbuser Fußballmannschaft in der damals drittklassigen Regionalliga annahm, „hatten wir einen Trainer, einen Co-Trainer, einen Präsidenten, einen Geschäftsführer und eine Sekretärin“, sagte Geyer der Deutschen Presse-Agentur. „Wir hätten alle mit aufs Mannschaftsfoto gepasst. Damals gab es keine sechs Ernährungsberater.“ Was es außerdem nicht gab in Cottbus: einen Verein mit Bundesliga-Historie, eine 20 000-Mann-Arena geschweige denn ein Nachwuchsleistungszentrum.

Der Geyer, „Ede“ genannt, aber hat mit seiner Arbeit den Grundstein für all das gelegt. Und er ist selbstbewusst genug, um das so zu formulieren: „Was Cottbus heute ist, haben wir erschaffen. Wir haben den Leuten in einer wirtschaftlich schwierigen Region Selbstverständnis gebracht. Der Fußball wurde zur Ersatzreligion.“ Und Geyer selbst zu einer Legende. Am Montag, dem 7. Oktober, wird er 75 Jahre alt.

Doch wenn Geyer Geburtstag feiert, entsendet nicht nur die Lausitz ihre Glückwünsche, sondern die ganze Republik. Denn dem gebürtigen Bielitzer und letzten Nationaltrainer der DDR ist etwas gelungen, das abgesehen von Hans Meyer kein anderer Trainer aus dem Osten geschafft hat: Er ist zu einer gesamtdeutschen Marke geworden. Das lag vor allem an seinem Unterhaltungsfaktor.

Mit seinem bissigen Humor, den er mit liebenswürdigem Ossi-Idiom vortrug, lieferte Geyer so viele kernige Sprüche, dass sich damit ein komplettes Zitatebuch füllen ließe. Mit Sätzen wie „Ich kann doch nicht schon jetzt die Aufstellung vom nächsten Wochenende sagen. Der kriegt eine Grippe, beim anderen kriegt die Oma einen Zahn“ oder „Manche von den Jungs haben eine Berufsauffassung wie die Nutten von St. Pauli. Die rauchen, saufen, gehen morgens um 6 Uhr ins Bett und haben am nächsten Tag ein Spiel“ hätte Eduard Geyer wohl auch beim Fußballerspruch des Jahres abgesahnt, wäre dieser nicht erst 2006, also zwei Jahre nach seiner Entlassung bei Energie Cottbus, ins Leben gerufen worden.

Geyer jagt Ulf Kirsten mit einer Fahnenstange

Doch Geyer konnte nicht nur lustig. Es gab sicher attraktivere Aufgaben, als unter Geyer Fußball spielen zu müssen. Ulf Kirsten soll er beim Training von Dynamo Dresden mit einer Fahnenstange gejagt haben, weil dieser ihm blöd kam. Auch Energies Rekordspieler Detlef Irrgang erinnert sich an so manche Anekdote: „Wir haben auf St. Pauli mal einen Ausgleich in der 93. Minute kassiert. Ede hat in der Kabine alle Getränketonnen umgeschmissen. Da hat knöchelhoch das Wasser gestanden. Wir haben davor gewartet und sind erst duschen gegangen, als Ede bei der Pressekonferenz war“, sagte Irrgang. „So lange waren wir nach einem Spiel noch nie auslaufen. Wenn du verloren hast, hast du die ganze Bandbreite des Hasses, den er in sich hatte, gespürt.“

Das Verlieren hat Eduard Geyer auch im Rentenalter von nun 75 Jahren noch nicht gelernt. Er ist der Typ, der auch seine Enkel beim Mensch-Ärgere-Dich-Nicht bescheißt. Eine seiner größten sportlichen Niederlagen hatte Geyer noch als Aktiver erlebt. Im Europapokal 1973 lief Abwehrspieler Geyer Bayern Münchens Uli Hoeneß zweimal zu oft hinterher. Dynamo schied aus und Geyer musste sich harsche Kritik in der Heimat gefallen lassen.

Umso größer muss die Genugtuung gewesen sein, als er 27 Jahre später als Trainer von Energie Cottbus eben jene Bayern in der Bundesliga besiegen konnte – mit Uli Hoeneß als Manager. Geyer hat also durchaus eine besondere Beziehung zum Rekordmeister aus München. Und auch wenn sie am Samstag vielleicht nicht an ihn gedacht haben: Ein passenderes Geschenk zum 75. Geburtstag hätten ihm Energies A-Junioren kaum machen können.

Steven Wiesner

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