zum Hauptinhalt

Sport: Zum Abschied Silber

Dressurreiterin Ulla Salzgeber wird Zweite bei ihrem letzten Ritt mit Rusty

Es wurde unruhig auf den Rängen des olympischen Dressurstadions. Die Zuschauer tuschelten mit ernsten Mienen, und wenn man genau hinhörte, konnte man hier und da den Namen „Rusty“ hören. Irgendetwas musste mit diesem Rusty passiert gewesen sein, mit dem Pferd der deutschen Mannschafts-Olympiasiegerin Ulla Salzgeber. Dann folgte die Durchsage des Stadionsprechers, der das Endergebnis bekannt gab, und aus dem Tuscheln wurde ein Aufschrei. Es war tatsächlich etwas geschehen: Rusty, der Favorit im Einzelwettbewerb des Dressurreitens, war in seinem letzten großen Wettbewerb geschlagen worden. Von Salinero und seiner Reiterin Anky van Grunsven aus den Niederlanden.

Die Durchsage des Stadionsprechers erreichte Ulla Salzgeber auf dem Weg zum Einreitplatz direkt hinter dem Stadion. Einige Meter entfernt saß Anky van Grunsven auf dem Rücken ihres Wallachs, schüttelte fassungslos den Kopf und riss den Mund auf. Jubelrufe suchten sich ihren Weg ins Freie. Sie hatte ihren Erfolg von vier Jahren in Sydney wiederholt. Währenddessen gab die besiegte Salzgeber vorsichtig lächelnd bereits die ersten Interviews. Doch es war ein gequältes Lächeln, das die Verbitterung in ihren Worten nicht zu überspielen vermochte. „Gegen solch eine Richterei kann man nicht anreiten“, sagte sie.

Salzgeber meinte den polnischen Punktrichter Wojciech Markowski, der sie zwei Tage zuvor im Grand Prix Spezial ihrer Meinung nach viel zu schlecht bewertet hatte. Dadurch hatte sich ihr Vorsprung auf van Grunsven, den sie aus dem Mannschaftswettbewerb mit in die Einzelkonkurrenz mitgenommen hatte, deutlich verringert. Sechs Prozent höher hatte Markowski Anky van Grunsvens Ritt im Vergleich zu dem von Salzgeber benotet. „Und das ist schon sehr viel“, sagte die 46-Jährige.

Umso schwerer wog die Wertung, weil die Kür Salinero eher liegt als dem 16-jährigen Rusty. Van Grunsvens zweiter Olympiatriumph nach Sydney 2000 hatte sich angekündigt. „Ich hatte seit Dienstag damit gerechnet“, sagte Salzgeber. „Deshalb trifft es mich auch nicht so hart.“ Ihre gefährlich blitzenden Augen sprachen eine andere Sprache. Offen von Betrug sprach Salzgeber allerdings nicht. „Das kann ich nicht sagen, ich habe Ankys Ritt nicht gesehen.“

Es war ein hervorragender, nahezu perfekter Ritt gewesen, und allemal eine Spur überzeugender als der von Salzgeber. Alles wirkte rund und sicher, so dass die große holländische Fraktion im Stadion von Markopoulo unmittelbar nach Salineros letztem Schritt schon siegessicher jubelte. Van Grunsven hatte wieder einmal bewiesen, dass die Kür ihre große Stärke ist.

In Sydney gewann die 36-Jährige aus den Niederlanden noch auf dem damals 20-jährigen Bonfire. Ein stolzes Wettkampfalter war das für ein Pferd, von dem sich van Grunsven danach nur schweren Herzens verabschiedete. „So ein Pferd wie Bonfire bekommt man nie wieder“, sagte sie vor kurzem noch und fügte an: „Eigentlich.“ Denn sie hat in dem erst 10-jährigen Wallach Salinero wieder ein Pferd gefunden, mit dem sie sich vor wenigen Wochen noch „reelle Chancen ausgerechnet hatte“. Allerdings erst „in vier Jahren“, und nicht schon in Athen.

Ulla Salzgeber jedoch wird, wenn die vorbereitete Gefasstheit erst einmal gewichen ist, traurig sein. Darüber, dass ihr und ihrem Rusty nicht das perfekte Ende der sportlichen Zusammenarbeit vergönnt war. Zweimal Gold war ihr Ziel gewesen, denn „Rusty hätte einen solchen Abschluss seiner Karriere verdient“. Doch vieles spricht dafür, dass er auch mit der Silbermedaille zufrieden ist. Pferde können Farben nur schlecht unterscheiden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false