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Sport: Zum Brüllen

Während 1860 München der Zweiten Liga entgegentaumelt, streitet die Führung um Macht – und um Trainer Falko Götz

München. Es hat sich in diesen Tagen ein amüsanter Meinungsaustausch entwickelt zwischen den Münchner Tageszeitungen und dem TSV 1860. Während die Gazetten die sportliche Krise und den inzwischen offen ausgetragenen Streit innerhalb der Führungsriege vergnügt in fetten Lettern ausschlachten, kommt die Presseabteilung des Vereins kaum nach, eilig Berichtigungen in Umlauf zu bringen. Diese tragen so schöne Titel wie „Keine Differenzen zwischen Aufsichtsrat und Präsident Karl Auer“ oder „Kein Ultimatum an Falko Götz“. Niemand hätte sich gewundert, wenn noch ein Blatt aus dem Fax gerattert wäre mit der Auskunft: „Keine Abstiegsgefahr für die Löwen“.

Das Prekäre an der Situation des TSV 1860 liegt darin, dass sich zurzeit zwei Probleme überlagern: Auf der einen Seite der drohende Abstieg und die zwangsläufige Trainerdiskussion, auf der anderen Seite ein heftiges Gezerre um Macht zwischen Präsident und Aufsichtsrat. Vor dem Spiel am Samstag gegen den Hamburger SV ist die Atmosphäre im sonnigen Giesing so geladen wie in einer mangelhaft gesicherten Dynamitfabrik, im Falle einer Niederlage dürfte sich die explosive Wucht sowohl gegen den Präsidenten als auch gegen den Trainer richten.

Seit Karl-Heinz Wildmoser im Zuge der Stadionaffäre vor einem Monat vom Präsidentenamt zurückgetreten ist, existiert bei 1860 ein Machtvakuum. Früher bestimmte der Großgastronom in Gutsherrenart allenfalls in Absprache mit seinem Sohn, dem nach wie vor inhaftierten ehemaligen Geschäftsführer Karl-Heinz Wildmoser junior, was bei 1860 zu tun und was zu lassen ist. Nach Wildmosers Rücktritt strebte der Aufsichtsrat, allen voran der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair – der im Gremium großen Einfluss hat – und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, eine Umstrukturierung jenes altertümlichen Machtgefüges an. Von oben sollte ein hauptsächlich mit repräsentativen Aufgaben beschäftigter Präsident lächeln, dazu wurde Karl Auer auserwählt. Zehetmair, weitaus medienerfahrener, beschied sich mit der Rolle des Vizepräsidenten, um im Hintergrund zu wirken. Parallel sollte ein Geschäftsführer installiert werden, der für Professionalität steht und dem Handlungsvollmacht im sportlichen Bereich gewährt wird. Favorit des Aufsichtsrates war Rolf Rüssmann.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Der Metzgermeister Auer fand Gefallen an den Privilegien seines Amtes und setzte eigene Entscheidungen durch. Er lehnte Rüssmann ab, wählte seinen Kandidaten für das noch offene zweite Vizepräsidentenamt ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat aus und legte keinen Wert darauf, den Vorsitzenden dieses Gremiums wie in der Vergangenheit üblich an Präsidiumssitzungen teilnehmen zu lassen. All das missfällt Zehetmair und einigen Mitgliedern des Aufsichtsrates, weshalb es nun zum offenen Bruch kam. Nach einer Präsidiumssitzung am Dienstag hatte Zehetmair Trainer Falko Götz ein Ultimatum gesetzt, wonach er im Falle einer Niederlage gegen den HSV gehen müsse. „Dass sich Herr Zehetmair nach der Präsidiumssitzung geäußert hat, sehe ich als äußerst unglücklich“, erklärte Auer dazu. Außerdem habe es eine derartige Absprache überhaupt nicht gegeben, von einem Ultimatum zu sprechen, sei „absoluter Blödsinn“. Wenngleich die von ihm gewährten Arbeitsplatzgarantien für Götz mal eine, mal vier Wochen betragen, bislang steht Auer hinter dem Trainer.

Demnächst tritt der Aufsichtsrat zusammen, und die Fraktion der Modernisierer wird darauf beharren, die Umstrukturierung des Vereins voranzutreiben – möglicherweise zählt auch ein Trainerwechsel dazu. Sollte sich Auer dagegen stemmen, könnte seine Amtszeit als Präsident als kürzeste in die Vereinsgeschichte eingehen. Sollte er opponieren und mit Rücktritt drohen, würde ihn davon wohl niemand mehr abhalten.

Dem Spiel gegen den HSV kommt also nicht bloß sportlich – Sechzig trennen nach zuletzt katastrophalen Leistungen nur noch zwei Zähler von einem Abstiegsplatz – große Bedeutung zu. Trainer Falko Götz versucht mit der schwierigsten Phase seiner Trainerlaufbahn positiv umzugehen. Am Donnerstag gab er sich betont locker, „weil ich der Mannschaft schlecht vorleben kann, dass ich ein frustrierter Mensch bin“. Hoffnung mache ihm, „dass die Mannschaft mit dem Rücken zur Wand steht und sie in dieser Situation immer die besten Leistungen gebracht hat“.

Diese Hoffnung dürfte Präsident Karl Auer teilen. Nachdem er bislang einer Trainerentlassung im Wege stand, würde eine Niederlage auch seine Position maßgeblich schwächen. Dies wäre genau das, was sich im Aufsichtsrat einige Herren wünschen.

Daniel Pontzen

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