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Ein letzter Gruß ins Publikum. Juan Martin del Potro hört auf.

© Reuters

Zum Karriereende von Tennisprofi Juan Martin del Potro: Ein Großer, der ein ganz Großer hätte sein können

Würdigung eines Unvollendeten: Nach unzähligen Verletzungen beendet der Argentinier Juan Martin del Potro seine Tenniskarriere unter Tränen.

„Ich war mehrmals nah dran, aufzuhören“, hat Juan Martin del Potro schon 2016 erzählt. Damals hatte er sich nach einer seiner vielen verletzungsbedingten Pausen in den Tennis-Weltspitze zurückgekämpft. Bei Olympia in Rio schaffte er es sensationell ins Finale, obwohl er nach der Auslosung schon an ein gemütliches Barbecue in der argentinischen Heimat gedacht hatte. Novak Djokovic war damals sein olympischer Auftaktgegner, del Potro besiegte ihn und war danach erst von Andy Murray in einem umkämpften Spiel um Gold zu bremsen.

Gefeiert wurde del Potro während dieser Olympischen Spiele von seinen Landsleuten, die ihre blau-weiß-blauen Fahnen schwenkten, die Nationaltrikots der Fußballmannschaft trugen und immer wieder „Delpo, Delpo“ skandierten. Del Potro war den Tränen nahe, er wirkte in diesen Momenten von Rio glücklich.

Sechs Jahre später konnte der nun 33 Jahre „Turm von Tandil“, wie del Potro aufgrund seiner Herkunft und den 1,98 Meter Körpergröße auch genannt wurde, die Tränen nicht mehr zurückhalten. Am Dienstagabend bestritt er sein wohl letztes professionelles Tennis-Match.

Der Court Guillermo Vilas im Buenos Aires Lawn Tennis Club war aus diesem Anlass noch einmal rappelvoll. 5500 Zuschauer, darunter solche Größen wie Gabriela Sabatini, viele Freunde und erstmals auch seine Mutter, sahen zu, wie del Potro gegen Landsmann Federico Delbonis 1:6 und 3:6 verlor.

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Vor dem vermutlich letzten Aufschlagspiel seiner Tennislaufbahn flossen sie dann, die Tränen des Juan Martin del Potro. Seine Fans erhoben sich und besangen noch einmal ihren „Delpo, Delpo“. Später auf dem Platz sagte er: „Ich werde mich mein Leben lang an diesen Moment erinnern.“ Und: „Ich bin beruhigt, denn mein letztes Spiel war wahrscheinlich auf dem Platz und nicht in einer Pressekonferenz.“

Die hatte er vor dem Turnier in seiner Heimat gegeben und dort bereits seinen Abschied angedeutet. Dabei waren die Argentina Open auch eine Art Comeback für ihn, hatte del Potro doch über zwei Jahre lang kein einziges Profi-Match mehr bestritten. Zuletzt hatte ihn das Knie ausgebremst, nach einem Bruch der rechten Kniescheibe Ende 2018 wurde er die Schmerzen nicht mehr los. An Tennis war fortan nicht mehr zu denken.

Del Potros Aufstieg in die Weltspitze hatte 2008 märchenhaft begonnen

Dabei hatte seine Karriere einst so märchenhaft begonnen. Als Teenager gewann er 2008 im Stuttgarter Weissenhof sein erstes ATP-Turnier, in den Wochen danach folgten direkt drei weitere Titel. Und ein Jahr später schaffte er etwas, was davor und danach keinem außer Rafael Nadal oder Novak Djokovic gelang oder gelingen sollte: Er bezwang den großen Roger Federer in einem Grand-Slam-Finale.

Bei den US Open 2009 ging del Potros Stern endgültig auf, einer neuer Tennisstern war geboren. Einer, dem die Experten zutrauten, die damals noch großen Zwei, später dann großen Drei nicht nur herauszufordern, sondern auch zu besiegen.

Del Potro spielte in jenen Tagen furchtlos auf. Seine Vorhand zischte wie eine Peitsche durch die Luft, der Aufschlag war ein einziges Gewitter. Dazu schien der Argentinier Nerven aus Stahl zu haben. Gegen Federer lag er in jenem denkwürdigen Finale von Flushing Meadows schon Satz und Break zurück, gewann später cool zwei Tiebreaks und hatte den Schweizer tatsächlich entnervt – nachdem der zuvor 40 Siege am Stück bei den US Open gefeiert und das Turnier fünf Mal in Folge gewonnen hatte

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Doch dieser Triumph für del Potro sollte der einzige ganz große Einzelerfolg bleiben. Denn nur wenig später ging es mit ihm rasant bergab. Anfangs gab es Gerüchte über psychische Probleme, tatsächlich aber war es das rechte Handgelenk, das ihm Kummer bereitete. Er musste mehrfach operiert werden und als er es endlich aufwärts ging, spielte das linke Handgelenk nicht mehr mit.

Zwischendurch deutete del Potro immer wieder an, welches Potenzial in ihm schlummerte. Schon 2012 holte er Olympia-Bronze, nach Silber 2016 folgte noch der Davis-Cup-Sieg mit Argentinien. Dazwischen hatte er von 2014 an neun Grand-Slam-Turniere in Folge verletzungsbedingt verpasst.

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Doch del Potro wollte noch nicht aufgeben, auch weil getragen wurde von der Begeisterung nicht nur seiner Landsleute. Der „sanfte Riese“, wie er auch genannt wurde, galt aufgrund seiner zurückhaltenden, fast scheuen Art als einer der beliebtesten Spieler auf der Tour. Weltweit wurde er gefeiert, vor allem bei den Turnieren in Amerika. Und bei den US Open 2018 erlebte er ein letztes großes Highlight und spielte sich noch einmal ins Finale, das er gegen Djokovic verlor. Es war sein letztes großes Aufbäumen.

Mit Juan Martin verlässt ein Großer die Bühne des Tennis, einer der vielleicht sogar das Zeug dazu gehabt hätte, ein ganz Großer zu sein. Doch seiner Körper erinnerte ihn immer wieder daran, dass alles seinen Preis hat. Del Potro hat ihn gezahlt und wohl auch deswegen sagte er nach seinem letzten Match am Dienstag: „Heute wünsche ich mir, dass ich nach zwei Jahren ohne Schmerzen in meinem Bein schlafen kann.“

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