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Wir bleiben drin. Fredi Bobic (li.) mit Suat Serdar, rechts HSV-Spieler Miro Muheim.

© dpa

Zum Klassenerhalt von Hertha BSC: Es ist nicht alles gut

Der Abstieg wurde gerade so vermieden, trotzdem kann Hertha BSC nach dem Klassenerhalt nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Mittags, wenn sich der Großteil der Geschäftsstelle von Hertha BSC zu Tisch begibt, geht Fredi Bobic ins Wasser. Der Geschäftsführer des Berliner Fußball-Bundesligisten hat vor einiger Zeit das Schwimmen als idealen Ausdauersport für sich entdeckt, und auf dem Olympiagelände im Berliner Westend findet er dazu perfekte Bedingungen vor. Eine Stunde zieht Bobic in der Regel seine Bahnen und legt dabei 3000 Meter zurück.

Ziemlich genau ein Jahr ist Fredi Bobic jetzt für die Geschicke von Hertha BSC verantwortlich – und er ist in dieser Zeit nicht nur regelmäßig schwimmen, er wäre auch beinahe gehörig baden gegangen. Erst im letzten Moment, in der Relegation gegen den Hamburger SV, haben die Berliner den siebten Abstieg ihrer Vereinsgeschichte dank einer kaum noch für möglich gehaltenen Energieleistung doch noch abwenden können. Zumindest der letzte Akt war ein beeindruckender. Eine schlechte Saison ging für Hertha BSC doch noch versöhnlich zu Ende. Vieles löste sich im Jubel auf. Aber gut ist deswegen noch lange nicht alles.

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Die Parallelen dieser Spielzeit zu Bobics erstem Engagement bei Hertha BSC sind unübersehbar. Der Jubel war gewaltig, als er 2003 nach Berlin wechselte. Bobic kam als erfolgreicher Stürmer und mit großen Erwartungen befrachtet nach Berlin. Erfüllt haben sich diese Erwartungen damals nicht. Statt um den Titel mitzuspielen, kämpfte Hertha gegen den Abstieg. Bobic funktionierte als Nachfolger von Michael Preetz im Sturm nur bedingt, aber immerhin hatte er mit seinem Tor zum 1:0-Sieg gegen seinen Ex-Klub Stuttgart entscheidenden Anteil daran, dass die Saison nicht mit dem sportlichen Totalschaden endete.

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Welchen Anteil er diesmal an der Rettung hatte, darüber werden später vielleicht einmal die Vereinshistoriker streiten: Hatte er überhaupt einen, weil er am Ende mit Felix Magath noch einen glücklichen Griff tat? Oder war er nicht eher dafür verantwortlich, dass es überhaupt so weit kommen konnte?

Bobic hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Hinterlassenschaften seines Vorgängers Michael Preetz ihm das Leben erheblich erschwert haben. Damit aber macht er sich die Sache ein wenig zu einfach. Und deshalb wäre es auch übertrieben, den Klassenerhalt mehr als eine Nacht allzu euphorisch zu feiern. Die Probleme verschwinden nicht über Nacht. Und gut ist noch lange nicht alles.

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Ja, die Altlasten, die Bobic bei seinem Amtsantritt vorgefunden hat, waren gewaltig. Ja, mit kosmetischen Korrekturen wäre es vermutlich nicht getan gewesen. Ja, an die Strukturen heranzugehen war nicht nur richtig, sondern notwendig. Und trotzdem: Der Kader, der sich über weite Strecken nur als bedingt bundesligatauglich erwiesen hat, ehe er sich bei letzter Gelegenheit noch einmal straffte, dieser Kader war sein Werk.

Auch in den nächsten Wochen bleibt

Man muss es einfach mal so deutlich festhalten: Von all den Spielern, die Herthas Sportchef in den vergangenen zwölf Monaten verpflichtet hat, hat sich keiner als verlässliche Verstärkung erwiesen. Das ist vor allem gemessen an dem Ruf, den sich Bobic in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt erworben hat, keine erfreuliche Erkenntnis. Von seinen Entscheidungen auf der Trainerposition ganz zu schweigen. Natürlich kann es niemand beweisen, aber es spricht einiges für die These, dass der Klassenerhalt mit Pal Dardai, den Bobic im Herbst ohne erkennbare Not geschasst hat, leichter zu bekommen gewesen wäre.

Bobic ist selbstverständlich nicht der Alleinschuldige für die bemitleidenswerte Performance des Vereins. Sich trotz einer Finanzspritze von 374 Millionen Euro nicht nur nicht zu verbessern, sondern sogar dramatisch zu verschlechtern – das spricht für ein Versagen auf allen Ebenen. Ein Versagen, das trotz des Klassenerhalts auf allen Ebenen Konsequenzen haben und den Verein in den nächsten Tagen und Wochen womöglich noch gehörig durchschütteln wird.

Einen Trainer gibt es aktuell für die Mannschaft nicht, der Kader für die neue Saison existiert allenfalls in Bobics Fantasie, Präsident Werner Gegenbauer steht zur Disposition, das Präsidium womöglich auch, und Ingo Schiller, der Finanzgeschäftsführer, hört im Herbst definitiv auf.

Vermutlich ist es diese Gesamtkonstellation, die Bobic vor einer ernstzunehmenden Diskussion um seinen Verbleib im Job bewahrt. Einer muss ja jetzt die Zukunft planen … Die echte Überzeugung der Fans in seine Entscheidungen aber muss sich Bobic erst noch verdienen. Auch nach dem Klassenerhalt.

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