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Sport: Zurück zu den Wurzeln

Unter Trainer Bernd Schuster hat Real Madrid etwas Erstaunliches geschafft: ein solider Verein zu werden

Seinen letzten großen Auftritt hatte Guti, der Blonde mit dem Stirnband und der Rückennummer 14, am Samstag beim Ligaspiel gegen Murcia. In der neunten Minute pflückte er mit dem rechten Fuß einen Pass von Gago aus der Luft und lenkte ihn in perfektem Bogen auf Robinho, der den Ball ins Tor köpfte. Auch wenn das Unentschieden (1:1) gegen den südspanischen Aufsteiger garantiert nicht in die Annalen des Klubs eingehen wird, zeigte der Spielzug doch, wer das Herzstück von Bernd Schusters Real Madrid ist: José María Gutiérrez Hernández, kurz Guti. Seit zwölf Jahren spielt der Madrilene im weißen Trikot, erstmals seit seinem Aufstieg in die Profimannschaft hat er nun einen Stammplatz in der Startformation.

In seinen besten Momenten sprüht der technisch begabte Mittelfeldspieler vor Kreativität; in weniger guten Momenten handelt er sich durch fiese Fouls Rote Karten ein. Bernd Schuster schätzt nicht nur Gutis Können, sondern auch dessen Erfahrung. Nur Raúl ist noch länger bei Real – und es ist kein Zufall, dass der Trainer auch dem spanischen Rekordspieler zu einer Renaissance verholfen hat. Immer wieder hat Schuster betont, wie unentbehrlich für ihn die legendäre Nummer sieben ist, nicht nur als Symbol für die Fans und als psychologische Stütze für die Mannschaft, sondern auch auf dem Rasen. Schuster lässt Raúl wieder im zentralen Sturm spielen, seine Vorgänger hatten ihn sukzessive vom Tor entfernt. Die Rückgabe seines Stammplatzes dankte er mit bisher sechs Saisontreffern.

Dass Schuster seine Mannschaft ausgerechnet um zwei Urgesteine gruppiert, mag etwas Traditionalistisches haben. Doch es passt zu einem Verein, der dem Glamour der Galaktischen abgeschworen hat und neuerdings auf Tugenden wie Teamgeist und Disziplin setzt. Real Madrid hat Schwächen, die Defensive ist verbesserungswürdig, nicht jedes Spiel versprüht den Glanz durchdachter Taktik. Aber die Elf ist effektiv. Mit 29 Punkten und neun Siegen aus 13 Spielen steht sie in der spanischen Liga auf dem ersten Tabellenplatz. Im Bernabeu-Stadion, das in der letzten Saison unter regelmäßigen Buh-Rufen erzitterte, blieb Real Madrid unbesiegt. Gewinnt die Mannschaft auch noch heute Abend gegen Werder Bremen, qualifiziert sie sich als Gruppenerster für das Achtelfinale der Champions League.

Der Verein feiert die erfolgreichste Saison seit 15 Jahren. Klubführung und Madrider Sportpresse danken es mit wohlwollendem Schweigen. Präsident Ramón Calderón, sonst nie um eine Polemik verlegen, sucht schon lange nicht mehr das Scheinwerferlicht, um wie zu Capellos Zeiten Spieler als mittelmäßige Hollywoodschauspieler abzukanzeln. Solche Manöver überlässt er lieber der Konkurrenz aus Barcelona. Bei der Lektüre der täglichen Ronaldinho-Skandalchronik werden sich die Chefs der Weißen königlich amüsieren. Ehemalige Superstars, die mit ihrer Null-Bock-Haltung Teamkollegen vergrätzen; Präsidiumsmitglieder, die Verkaufsgerüchte lancieren – all das kennt Real Madrid aus eigener Erfahrung, doch in dieser Saison liefert ausnahmsweise der Rivale FC Barcelona die Aufreger.

Dagegen nehmen sich die Gerüchte über Real Madrid harmlos aus. Bernd Schuster ist als Kandidat für den Posten des englischen Nationaltrainers im Gespräch und hat in seinem Vertrag keine Ausstiegsklausel, die das verhindert? Geschenkt. Der Deutsche schwört einfach seinem Verein Treue, sein Vertrag wird um die betreffende Klausel und eine Lohnerhöhung erweitert. Als die Sportzeitung „Marca“ Christoph Metzelder Anfang dieser Woche fragte, ob dem FC Barcelona etwas vom Madrider Geist fehle, antwortete der deutsche Nationalspieler: „Keine Ahnung, aber bei uns ist die Stimmung gut. Wir haben eine gute Mischung an Spielern und sind auf dem richtigen Weg.“

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