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Sport: Zurück zum Heldenfußball

Beim 2:1 gegen Real Madrid spielen Bayerns Einzelkönner tragende Rollen.

Es war dann in der Nachbetrachtung eines erstaunlichen Fußballspiels noch ein erstaunliches Ereignis zu beobachten. Da saß er nun, José Mourinho, im großen Saal der Münchner Medienlandschaft, den Blick wie immer auf Rache gestellt, Rache für alles und die ganze Welt. Und als man seine übliche Brandrede gegen Schiedsrichter und Gegner, das Wetter und Gott, gegen den Ball und für sein Genie erwarten durfte, da gab sich José Mourinho – moderat. Das ist ein Wort, das Mourinho eigentlich nicht kennt, und dennoch, er entschuldigte den Schiedsrichter, dem schon mal passieren könne, dass er die Abseitsstellung von Luiz Gustavo vor dem Führungstreffer des FC Bayern nicht erkannt habe. Er sagte sogar, dass die Niederlage normal gewesen sei, passiere halt. Ja, stimmt, aber dass Mourinho nicht wütet, passiert eben nicht.

Der Mann hat mit dem FC Porto die Champions League gewonnen, mit Inter Mailand auch, und wenn es nach Gott geht, also nach ihm, gewinnt er sie auch mit Real Madrid. Aber dann hat sich kurz vor der Zielgeraden doch ein Stolperstein gefunden, von dem sich noch herausstellen wird, ob er nicht zur Hürde anwächst. Das 2:1 von Mario Gomez garantiert noch nicht das Ausscheiden von Real Madrid, hat aber gewaltig am Selbstverständnis der Spanier gezerrt.

Umso mehr, da dieses 2:1 nur gerecht war. Lange hatte der FC Bayern in diesem ersten Halbfinale der Champions League um den Lohn für seine Mühen bangen müssen. Furchtsam hatten die Bayern begonnen, hatten erst zu ein wenig Stringenz gefunden, nachdem der emsige Franck Ribéry (in Verbund mit der strittigen Abseitsposition von Luiz Gustavo) die Führung erzielte, aber waren durch den Ausgleich von Mesut Özil fast schon zurückgeworfen in die Tage, in denen ihnen Borussia Dortmund die Meisterschaft wegschnappte.

Trainer Jupp Heynckes lobte im Nachhinein „Leidenschaft, Gier und Hunger“, mit denen seine Mannen sich auch nach der kurzzeitigen Ernüchterung auf Spiel und Gegner gestürzt hatten. Das hatten sie, hinten der exzellente Holger Badstuber und die kaum minder brillanten Philipp Lahm und David Alaba, die im Wechsel dem immer lustloser werdenden Cristiano Ronaldo die Pomade austrieben. In der Mitte Toni Kroos, der mit sauberen Pässen den Aufbau betrieb. Und vorne mit Ribéry, über den schon alles gesagt ist an Superlativen. Und mit Gomez, den sein Trainer in den 89 glücklosen Minuten vor der 90. stets arbeitsam und im Dienste der Mannschaft gesehen hatte. Na ja, man kann auch sagen, dass Gomez nahezu 89 Minuten lang stets falsch zum Ball gestanden hatte und die falschen Laufwege suchte. Nur eben einmal nicht, da machte er alles richtig.

Damit war der Held der Nacht gefunden. Weil sein Treffer ja tatsächlich die Möglichkeiten der Bayern, am 19. Mai im eigenen Stadion im Finale auflaufen zu dürfen, erheblich erweiterte. Gewiss wird das Rückspiel am nächsten Mittwoch im Bernabeu-Stadion von Madrid ein mühsames Unterfangen. Aber ohne Gomez’ Treffer wäre es eben noch erheblich mühsamer geworden. Weil Real immer für einen Treffer gut ist, das hat der derzeitig aussichtsreichste Kandidat für die spanische Meisterschaft und Tabellenführer in dieser Saison mit nun 144 Toren bewiesen.

Jupp Heynckes gab trotzdem die fröhliche Parole aus, nächste Woche nach Madrid zu reisen, um zu siegen. Nicht von Nachteil ist dabei der Umstand, dass Real am Wochenende beim Tabellenzweiten FC Barcelona anzutreten hat, in der Festung von Camp Nou. Die Bayern müssen nach Bremen, brauchen aber keine Ambitionen mehr vorzutäuschen. Schon beim letzten Bundesligaspiel gegen Mainz hatten sie mit Blick auf das Spiel gegen Real auf die besten Kräfte verzichtet. Kaum anzunehmen, dass Heynckes gegen Werder seine erste Garde antreten lässt.

Die Angst, die in den vergangenen Wochen immer mitschwang, die Angst nämlich, am Ende dieser einst so aussichtsreichen Saison mit komplett leeren Händen dazustehen, haben sie fürs Erste besiegt – und dabei die langsam lauter werdenden Kritiker am Vereinskonzept zurückgedrängt. Dass die Bayern kein modernes Konzept mehr hätten, war zu hören gewesen nach der verspielten Meisterschaft, Konzeptfußball nach Art des Deutschen Meisters aber sei das Spiel der Zukunft. Mag alles sein, aber jetzt zählt in der Champions League zunächst der Heldenfußball. Also das Spiel, das von herausragenden Akteuren abhängt. Die Helden von Real, Cristiano Ronaldo, Mesut Özil, Xabi Alonso, haben sie am Dienstag herabgestuft. Das hat die Brust anschwellen lassen, was nicht die schlechteste Voraussetzung für das Rückspiel ist. Denn eigene Helden haben sie selbst genug, um das scheinbar aussichtslose Vorhaben in Madrid erfolgreich zu beenden. Und ob José Mourinho dann immer noch moderat ist, wird ihnen reichlich egal sein.

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