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Sport: Zusammenbruch aller Systeme

Nach dem vierten Platz bei der Handball-EM ist Bundestrainer Brand sauer – und wirft drei Spieler raus

Wortlos und mit düsteren Blicken hatten die deutschen Handballer am Sonntagabend die Siegerehrung in der Hakons Hall von Lillehammer verfolgt, und die Mienen hellten sich auch nicht auf, als sie nach einer endlosen Prozedur eine Teilnehmermedaille erhielten. Aber nicht allein der vierte Platz bei der Europameisterschaft in Norwegen war für das Stimmungstief verantwortlich. Mit der herben 26:36-Niederlage im kleinen Finale gegen Frankreich, der bislang höchsten der EM-Geschichte, hatten sie in nur 60 Minuten den eigentlich akzeptablen Gesamteindruck zerstört. Für drei Profis hat die Niederlage nun noch härtere Konsequenzen. Das Lemgoer Trio Michael Kraus, Lars Kaufmann und Rolf Hermann ist suspendiert worden. Hermann und Kaufmann werde Brand wegen ungenügender Leistungen zunächst nicht mehr berücksichtigen, sagte Horst Bredemeier, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Und auch Kraus erhalte eine „Denkpause“, hieß es tags darauf auf der Webseite des Handballbundes. „Das war kurz und schmerzlos. Das hat Heiner schon in der Mannschaftssitzung kurz nach dem Spiel verkündet“, berichtete Bredemeier am Osloer Flughafen, bevor er nach Deutschland zurückreiste.

Direkt nach dem Spiel hatte Brand bereits klar gemacht, wie sehr ihn dieser Zusammenbruch aller Systeme genervt hatte. „Das war nicht der Weltmeister. Sondern ein Team aus dem Land des Weltmeisters“, hatte er geschnaubt. Einige seiner Spieler, hieß das übersetzt, seien mit der dargebotenen Leistung nicht würdig, sich Weltmeister zu nennen. Und gleichzeitig kündigte der 55-jährige Gummersbacher an, dass diese „absolute Katastrophe“ (Kapitän Markus Baur) in seine Planungen für das olympische Turnier in Peking im August einfließen werde. „Da ich einen oberbergischen Dickschädel habe, werde ich das bis zu den Olympischen Spielen auch nicht vergessen haben“, sagte Brand. „Bei den nächsten Maßnahmen werde ich Hermann und Kaufmann nicht berücksichtigen. Das war einfach zu wenig.“ Über den 24-jährigen Aufbauspieler Kraus, der bei den nächsten Länderspielen fehlen wird, sagt Brand: „Er zeigt derzeit nicht einmal 30 Prozent seines Könnens, er muss lernen, sich voll und ganz auf den Handball zu konzentrieren. Da gilt auch kein WM-Bonus mehr.“

Mangelnde Einstellung, kein allerletzter Einsatz, brüchiger Teamgeist – das sind Dinge, die Brand noch nie gelten ließ. „Heiner will ein Zeichen setzen“, sagte der Lemgoer Rechtsaußen Florian Kehrmann, der mit Baur und Torwart Henning Fritz den Mannschaftsrat bildet. Schon während der EM-Spiele waren einige Risse im sonst so geschlossenen Gefüge in der aktuellen „Mannschaft des Jahres“ offenbar geworden, als nämlich während der Vorrundenniederlage gegen Spanien (22:30) zuerst Kraus und Andrei Klimovets und danach noch Oliver Roggisch und Christian Zeitz aneinander geraten waren. Szenen, die bei den deutschen Handballern jahrelang undenkbar waren. Sie sind Beleg dafür, dass die klaren Hierarchien innerhalb des Teams, auf deren Ausbildung Brand so großen Wert legt, derzeit offenbar nicht von allen akzeptiert werden.

Dass auch einige deutsche Medien die weitere Verwendung des inzwischen als Vereinsspieler abgetretenen Kapitäns Baur (37) zum Thema machten, hat Brand ebenfalls spürbar genervt: „Wer noch immer Zweifel daran hat, dass er ins Team gehört, sollte sie spätestens jetzt ablegen.“ Pikanterweise ist es nun ausgerechnet Baur, der als neuer Trainer des TBV Lemgo das Trio zur Räson bringen soll. Brand: „Von ihm als Trainer erhoffe ich mir, dass die Nationalspieler in Lemgo von seiner Denkweise lernen werden.“ Heikel ist diese Konstellation aber allemal. Ein Jahr nach dem umjubelten WM-Triumph im eigenen Land ist der deutsche Handball in schwere Turbulenzen geraten.

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