zum Hauptinhalt

Sport: Zweifel von höchster Stelle

Auch der Vorsitzende der Welt-Anti-Doping-Agentur glaubt nicht an Lance Armstrongs Unschuld

Berlin - Wer hält eigentlich noch zu Lance Armstrong? Wer glaubt noch daran, dass alle seine sieben Siege bei der Tour de France das Ergebnis von unvergleichlichem Talent sind und nicht von faulem Zauber? Es hat sich jedenfalls schnell ein Kreis von prominenten Sportfunktionären wie Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc gebildet, die nach den Doping-Veröffentlichungen der französischen Sportzeitung „L’Equipe“ nicht mehr viel auf den amerikanischen Radprofi geben. Diesem Kreis hat sich jetzt auch der höchste Doping-Bekämpfer angeschlossen, der Kanadier Richard Pound. Er ist Vorsitzender der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada).

Der „Netzeitung“ sagte er: „Nachdem wir all die Unterlagen in dieser Angelegenheit gesehen haben, sehe ich eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es eine Dopingaktivität gegeben hat.“ An der Verlässlichkeit des französischen Dopingkontrolllabors Chatenay-Malabry zweifelt er nicht. Es hatte im vergangenen Jahr noch einmal Urinproben von der Tour de France 1999 untersucht und dabei in zwölf Proben Dopingspuren gefunden. „L’Equipe“ entschlüsselte einen Teil davon und ordnete sechs Proben mit dem Blutdopingmittel Erythropoietin (Epo) Lance Armstrong zu.

„Nach meiner Auffassung ist es ein sehr gutes Labor. Es gehört zu den weltweit führenden Labors bei der Erforschung von Epo. Ich habe also keinen Grund zu der Annahme, dass die Analyse der Proben nicht ordnungsgemäß war“, sagte Pound. 1999 war Epo noch nicht im Urin nachweisbar, das Kontrolllabor Chantenay-Malabry bei Paris entwickelte jedoch ein eigenes Verfahren, das zwei Jahre später auch zur Anwendung kam.

Armstrong hat bis jetzt alle Vorwürfe zurückgewiesen. Die Testergebnisse seien nicht glaubwürdig, sagte Armstrong, sie könnten auch im Nachhinein nicht mehr durch eine Gegenprobe verifiziert werden. Immerhin ist die Zuordnung der Proben noch möglich. „Wenn Proben tiefgefroren sind, kann man eine DNA-Analyse machen. Diese Tests funktionieren sehr gut“, sagte Professor Wilhelm Schänzer, der Leiter des Kölner Dopingkontrolllabors. Armstrong müsste dazu nur eine Speichelprobe abgeben, um die DNA-Profile miteinander vergleichen zu können.

Über mögliche Sanktionen gegen Armstrong diskutiert seit einigen Tagen der Internationale Radsportverband (UCI). Dabei geht es auch darum, ob die UCI die vorliegenden Beweise für ausreichend hält. Der Verband will seine Beratungsergebnisse jedoch nicht vor Donnerstag bekannt geben, wie ein Sprecher sagte. Auch Pound erwartet das weitere Vorgehen der UCI mit Spannung. „Wenn die UCI-Funktionäre jetzt feststellen, dass offenbar eine Reihe von Topfahrern selbst nach dem Desaster um das Festina-Team bei der Tour 1998 positiv auf Epo getestet wurde, demonstriert das klar: Der Radsport hat ein sehr ernstes Problem“, sagte Pound, „und es zeigt, dass die UCI bei der Lösung des Problems keinen Erfolg hatte.“ Das ist eine sehr höfliche Umschreibung dafür, dass der Weltverband im Kampf gegen Doping versagt hat.

Zur Startseite