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Der Kapitän ist wieder da. Andre Mijatovic kehrt ins Team zurück, genauso Sascha Burchert, der Torhüter Marco Sejna ersetzt. Foto: Engler

© Fotoagentur Engler

Zweite Liga: Hertha BSC auf der Suche nach Führung

Hertha BSC hofft im Spitzenspiel gegen Erzgebirge Aue auf den positiven Einfluss von Rückkehrer Andre Mijatovic. Den Berlinern mangelt es an Führungsspielern – gerade in der derzeitigen Situation, in der sie mit einem Negativtrend zu kämpfen haben.

Berlin - Die Fußballbranche beschäftigt sich nur höchst ungern mit Eventualitäten, am liebsten hält sie sich an die harten Fakten. Warum sollte man auch vorab alle negativen Möglichkeiten im Kopf durchspielen? Markus Babbel, der Trainer von Hertha BSC, stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Am Freitag wurde er gefragt, was er denn zu tun gedenke, falls Andre Mijatovic wider Erwarten doch noch gegen Erzgebirge Aue ausfalle. Babbel wurde von dieser Frage zwei Tage vor dem heutigen Heimspiel gegen den bisherigen Tabellenführer (13.30 Uhr, live bei Sky) offensichtlich vollkommen überrascht. „Ich geh einfach davon aus, dass es funktioniert“, sagte Herthas Trainer, und dann stammelte er, dass es ja nicht viele Alternativen für die Position in der Innenverteidigung gebe. Kaka fiel ihm ein, der Brasilianer, der aus für Babbel vermutlich unerfindlichen Gründen Herthas Kader angehört, und Alfredo Morales, ein 20-Jähriger aus der U 23, der vor einer Woche in München sein Debüt bei den Profis gegeben hat – im Mittelfeld.

Babbel hat dieser Tage von großer Freude gesprochen, dass Mijatovic ihm wieder zur Verfügung steht. Sieben Wochen ist der Kapitän wegen einer Fraktur des Schienbeinköpfchens und eines Außenbandanrisses im rechten Knie ausgefallen. Erst seit Mittwoch trainiert er wieder mit der Mannschaft. Trotzdem gibt es zu seiner Rückkehr in die Startelf zum Spitzenspiel gegen Aue keine Alternative. Weil Mijatovics bisheriger Vertreter Sebastian Neumann nun ebenfalls verletzt ausfällt, besteht in der Innenverteidigung dringender Personalbedarf. Noch wichtiger aber ist der Kroate aus atmosphärischen Gründen. Es mangelt Hertha an Führungsspielern – gerade in der derzeitigen Situation, in der die Berliner mit einem stabilen Negativtrend zu kämpfen haben.

Vier der letzten fünf Spiele hat der Bundesliga-Absteiger und erste Aufstiegsanwärter verloren, von Platz eins ging es runter auf Platz fünf, sodass die Stimmung längst ein wenig verschattet ist. Wirklich überzeugend klingt es da nicht, wenn Manager Michael Preetz vor dem Duell mit dem Überraschungsteam aus Aue sagt: „Der Druck, den wir jetzt haben, ist positiver Druck: Wir spielen um die Tabellenführung.“ Die Maßnahmen des Trainers passten nicht ganz zu dieser Deutung: Babbel hat in dieser Woche schon ab Donnerstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren lassen, um in Ruhe arbeiten zu können. Dass ihm das als Ausdruck gesteigerter Nervosität ausgelegt wurde, wird ihm im Zweifel egal sein. Genauso wie er den Medienboykott seiner Spieler durchaus goutierte, obwohl er selbst davon vollkommen überrascht wurde. „Ich wusste es nicht. Aber als Trainer freut es mich natürlich“, sagt Babbel. „Es geht jetzt weniger darum, gute Interviews zu geben als gute Leistungen zu zeigen.“

Mijatovics schnelle Rückkehr in die Mannschaft ist ein Risiko, aber vermutlich ein genau kalkuliertes. Ähnlich wie mit dem Kapitän hat es Hertha auch mit Maikel Aerts gehandhabt. Der Torhüter stand nur 17 Tage nach einem Kreuzband- Anriss wieder auf dem Feld, weil die Berliner glaubten, nicht auf ihn verzichten zu können. Babbel sagt über Aerts und Mijatovic: „Das sind einfach Spielerpersönlichkeiten, die eine große Ausstrahlung haben und eine Wirkung auf die Mitspieler.“ Und von genau solchen Persönlichkeiten besitzt Hertha nicht allzu viele. In seiner Not hat Babbel in dieser Woche sogar Andreas Neuendorf aus der U 23 zu den Profis zurückgeholt, weil der ein Typ ist, „der lautstark ist, der versucht, die anderen Spieler mitzureißen“. Erfahrung, Ruhe, Witz, aber auch Ernsthaftigkeit habe Neuendorf in die Mannschaft getragen.

Trotzdem kommt seine Beförderung im zarten Alter von knapp 36 Jahren dem Eingeständnis gleich, dass Herthas Kader ein paar gravierende strukturelle Schwächen aufweist, die nun notdürftig repariert werden müssen. Babbel hat in dieser Saison etliche Nachwuchsspieler gefördert und in seine Mannschaft eingebaut. „Die Jungen machen ihren Job“, sagt er, „sehr gut sogar.“ Aber die Jungen sind naturgemäß noch damit überfordert, die Richtung vorzugeben. Gerade in Krisenzeiten, wenn sie selbst noch Führung brauchen.

Doch Herthas Kader fehlt es an Spielern, die gemeinhin als Typen bezeichnet werden und nicht gleich beim geringsten Widerstand einknicken. Rob Friend ist eher ein Einzelgänger, den Südamerikanern Adrian Ramos und Raffael fehlt der Wille, sich zu exponieren, Roman Hubnik und Lewan Kobiaschwili fallen eher als Schweiger auf. Bleiben aus der bisherigen Startelf Christian Lell, der fast logischerweise Mijatovic als Kapitän vertreten hat, und Peter Niemeyer, der heute wegen seiner Gelbsperre fehlt. „Die älteren Spieler sind natürlich jetzt gefordert“, sagt Babbel. „Sie müssen den Kopf rausstrecken.“ Damit Hertha wieder nach oben kommt.

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