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Sport: Zweiter Sieger, erster Verlierer

Silber – na und? Hermann Maier schmerzt jede Niederlage, erst recht eine gegen Stephan Eberharter

St. Moritz (Tsp). Stephan Eberharter verneigte sich, einmal, zweimal, dann reckte er die Faust, erst in den Himmel, dann in die Fernsehkamera. Ein paar Sekunden später puffte er Hermann Maier, aber dieses Puffen hatte nichts Spontanes wie die anderen Gesten, es kam zögerlich, als müsste Eberharter erst mal eine Hemmschwelle überwinden. Und irgendwie war es ja auch so. Er hatte gerade bei der SkiWeltmeisterschaft in St. Moritz den Super–G gewonnen, aber er hatte vor allem Maier geschlagen. Den großen Hermann Maier, den Medienhelden, der vor kurzem so ein grandioses Comeback gefeiert hatte. Der Mann, in dessen medialem Schatten Eberharter seit Jahren steht. Maier hatte auch ein grandioses Rennen gefahren in St. Moritz, er hatte Bestzeit erreicht, er war zeitgleich mit dem bis dahin führenden US-Amerikaner Bode Miller, er sah sich wohl schon als der große Sieger. Comeback vor zehn Tagen und dann Weltmeister. Was für eine Dramaturgie. Es wäre die große Hermann-Maier-Show geworden, die große Story für die Medien. Vor 530 Tagen hätte man ihm nach seinem Motorradunfall um ein Haar den Unterschenkel amputiert.

Doch dann raste Eberharter ins Ziel. Der Olympiasieger von 2002. Maier und Eberharter haben ein Nichtverhältnis zueinander. Das ist noch das Positivste, was man über diese Beziehung sagen kann. Eberharter war noch schneller als Maier, und er war nun die große Nummer. Zumindest bei diesem Super-G. Maiers Leistung ist gewaltig, aber er war doch nur Zweiter geworden. „Ich habe den Sieg leichtfertig verschenkt“, sagte Maier. „Ich bin unten viel zu brav gefahren. Der Steff ist ein würdiger Sieger, er ist sehr gut gefahren.“ Es war möglicherweise nicht so gemeint, aber der Satz hatte etwas Gönnerhaftes. Als würde da einer seinen kleinen Bruder loben. Weil dessen nächste Niederlage gegen den großen Bruder sowieso programmiert ist. „Dieser Sieg macht mich stolz“, sagte Eberharter. „Ich habe viele Höhen und Tiefen durchgemacht. Dass ich fast zum Ende meiner Karriere noch einmal so zugeschlagen habe, das ist einfach wunderschön.“

Eberharter zeigte gestern so viele Emotionen wie selten zuvor. Als er vor einem jahr in Salt Lake City Olympiasieger wurde und sich erfreut in den Schnee fallen ließ, da rannte der österreichische Pressesprecher Robert Brunner mit einer Ziehharmonika auf ihn zu. Eberharter, der Hobbymusiker, sollte spielen, besser gesagt: Er sollte sich inszenieren, die Bilder gingen ja in die ganze Welt. Aber Eberharter ließ Brunner abblitzen: „Geh weg! Ich bin Rennfahrer und kein Musiker.“ Eberharter spürte, dass er als Medienfigur nur die Lücke ausfüllen sollte, die Hermann Maier durch seinen Unfall gerissen hatte. Aber als eine Ersatzlösung hat sich Eberharter nie betrachtet. Deshalb freute er sich gestern so über diesen Sieg. Und deshalb sagte er, bevor er den Zielraum verließ, trocken: „Es ist schön, wenn man einen der ganz Großen mal eines Besseren belehrt.“

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