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Sport: Zwischen Anekdoten und Atemübungen

Der ehemalige Berliner Volleyballtrainer Olaf Kortmann unterrichtet Manager in Stressresistenz – und hat damit durchschlagenden Erfolg

Hamburg. Olaf Kortmann glaubt genau zu wissen, wie er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer erreicht. „Sport“, so heiße das Zauberwort, behauptet er. „Die Leute sind an Anekdoten aus dem Hochleistungssport interessiert.“ Dann legt Kortmann los. Vergleiche zwischen Sport und Wirtschaft, das kommt als Einleitung gut an. Anekdoten aus seinen Jahren als Trainer der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Männer oder als Coach des besten deutschen Beachvolleyball-Paares der Frauen, gibt er in seinem Referat zum Besten. Das Auditorium ist dankbar. Zwölf Manager namhafter Unternehmen in Loge 37 der Hamburger AOL-Arena lauschen andächtig.

Die Herren aus der Wirtschaft sind von einer Personalvermittlungsagentur eingeladen worden – Kontakte knüpfen in lockerer Atmosphäre. Kortmann ist das Medium. Sein Vortrag heute: „Stress als Bedrohung und Würze des Lebens.“ Das hört sich ein wenig kryptisch an, doch Kortmann glaubt zu wissen, wovon er spricht. Der 47-Jährige ist einer der erfolgreichsten deutschen Vereinstrainer. Nach Meistertiteln mit dem Hamburger SV, dem USC Münster und drei Jahren beim SCC Berlin reiste er von 1995 bis 1998 mit der Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) um die Welt, gewann 1997 bei der Europameisterschaft in Holland sensationell gegen Russland, rieb sich in der täglichen Arbeit mit dem Team auf, investierte viel – zu viel, wie er findet. „Mit Ende 30 lag ich auf der Couch, mein Herz raste wie verrückt und schlug dann plötzlich gar nicht mehr. Ich dachte, ich hätte einen Herzinfarkt", erzählt Kortmann. Der Arzt diagnostizierte Herzrhythmusstörungen. Die hat Kortmann inzwischen durch Atemübungen und ein ruhigeres Leben im Griff. 1998 wurde sein Vertrag mit dem DVV nicht verlängert. Die Vorstellungen zwischen ihm und dem Präsidium, in welcher Zeitspanne Erfolge zu erzielen seien, gingen weit auseinander.

Heute trainiert er das beste deutsche Beachvolleyball-Paar Okka Rau und Stephanie Pohl. Nebenbei, aber mit großem Einsatz. Das Ziel sind die Olympischen Spiele 2004 in Athen. Im Hauptberuf arbeitet er seit vier Jahren als systemischer Coach. Der Diplom-Sportlehrer hat eine Zusatzausbildung zum Personalentwickler und Organisationsberater absolviert und sich mit einer Partnerin in Hamburg selbständig gemacht. Führungskräfte setzen sich in Kortmanns Seminare, für die er bis zu 2000 Euro am Tag bekommt. Bei ihm sollen sie lernen, wie sie ihre Angestellten motivieren können, wie sie sie richtig ansprechen, aber auch, durch welches Verhalten ihnen eher vertraut und wodurch sie sich mehr Respekt verschaffen. „Der Bedarf an Trainern, die diese so genannten weichen Eigenschaften auch bei den härtesten Managern herauskitzeln können, ist in den vergangenen fünf Jahren enorm gestiegen“, sagt Kortmann. Er selbst habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. „Ich habe früher viel zu wenig mit den Spielern geredet, aus Angst, zu nah an ihnen dran zu sein.“ Vor allem die Reservespieler habe er kaum beachtet, das sei ein Fehler gewesen.

Solche Geschichten hören seine Kunden gern. Sie sollen laut Wunsch des Referenten illustrieren, dass der Redner kein Übermensch ist. Als Kortmann von seinen Herzproblemen erzählt, sinnieren auch einige der anwesenden Manager über den eigenen Stress. Bedrohung oder Motor? Kortmann sagt: „Wenn man immer nur denkt: ,Was passiert, wenn ich das und das mache, oder das und das nicht schaffe?‘, lebt man auf einem ständig hohen Aktivierungsniveau und kommt nicht mehr zur Ruhe.“ Bei vielen gelte dies auch am freien Tag. „Wer um die Außenalster hetzt, um die 7,4 Kilometer ja unter 40 Minuten zu schaffen, setzt sich auch in der Freizeit unter Leistungsdruck.“

Dieses Verhalten scheint den Managern nicht fremd zu sein. Geschickt wechselt Kortmann zwischen seinen Erfahrungen aus dem Trainerleben und denen aus der wissenschaftlichen Ausbildung. Vor wichtigen Punkten kreuzen seine beiden Spielerinnen Rau und Pohl die Finger hinter dem Rücken und denken an erfolgreiche Situationen, um den Druck von sich zu nehmen, erzählt er. Die Manager staunen: So leicht soll das funktionieren? „Ja, wenn man dran glaubt“, sagt Kortmann. Und im Büro? Schon fünf Minuten Atemübungen können vor einer anstehenden Rede entspannen wie ein Viertelstunden-Schlaf, sagt Kortmann. Allein das Denken an den eigenen Herzschlag verhindere für ein paar Minuten, über etwas anderes zu Grübeln – schon das sei Entspannung. Das Referat ist vorbei, die Kundschaft ist zufrieden. Olaf Kortmann ebenfalls. Das Referat war ein Erfolg. In doppelter Hinsicht. Denn ganz so unlukrativ ist die neue Beschäftigung des Olaf Kortmann ja auch nicht.

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