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Sport: Zwischen Sorgen und Sicherheit

Verlegen oder durchführen? Die Sportverbände reagieren unterschiedlich auf die Anschläge von Istanbul

Von Thomas Seibert

und Benedikt Voigt

Istanbul/Berlin. Wenn Carsten Kerner an die Auswärtsreise in der kommenden Woche denkt, wird ihm etwas mulmig. „Dass wir das mit Sorge verfolgen, braucht man wohl nicht zu sagen“, erklärt der Manager von Alba Berlin. Der Basketballklub muss nach Istanbul fahren, in jene Stadt, die in den letzten zwei Wochen von Bombenanschlägen erschüttert wurde, bei denen mehr als 50 Menschen ums Leben kamen. Das Auswärtige Amt kann die Berliner nicht beruhigen, es empfiehlt „für den Augenblick, bis zur Klärung der Lage nicht unbedingt erforderliche Reisevorhaben nach Istanbul aufzuschieben“. So heißt es auf dessen Internetseite. Doch Alba wird wohl zu Efes Istanbul fliegen müssen. „Wir gehen davon aus, dass das Spiel ganz normal stattfindet“, sagt Kerner.

Die internationalen Sportverbände reagieren auf die Terroranschläge von Istanbul äußerst unterschiedlich. Die Union europäischer Basketball-Ligen (Uleb) führte bereits gestern regulär das Europaligaspiel zwischen Ülker Istanbul und Lottomatica Rom durch. „Wir versuchen, den sportlichen Wettbewerb zu erhalten“, sagt Uleb-Mediendirektor Vladimir Stankovic. Der europäische Fußballverband Uefa beschloss hingegen, alle drei internationalen Spiele, die in der kommenden Woche in der Türkei stattfinden sollten, auf neutralen Boden zu verlegen. Was viele Türken empörte.

„Die Terroristen warfen die Bomben, die Uefa stieß uns den Dolch in den Rücken“, titelte die türkische Zeitung „Hürriyet“. Die Chefs der betroffenen Istanbuler Klubs, Galatasaray und Besiktas, kündigten an, sich gegen die Entscheidung zu wehren. Unterstützung erhielten sie von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der Europa vorwarf, die Türkei zu isolieren und damit den Terroristen in die Hände zu spielen. Erdogan telefonierte am Mittwoch zunächst mit seinem Duz-Freund Silvio Berlusconi in Rom, um das Zustandekommen des Heimspiels von Galatasaray Istanbul gegen Juventus Turin am kommenden Dienstag zu sichern. Am Nachmittag meldete der Ministerpräsident einen Erfolg: Juventus habe seine Bedenken wegen des Spiels in Istanbul zurückgezogen. Im Laufe des Tages wollte er sich wegen des am 9. Dezember anstehenden Heimspiels von Besiktas gegen Chelsea noch an seinen Amtskollegen Tony Blair wenden.

Auch beim Basketballverband meldete sich die Politik. Istanbuls Gouverneur Muammer Güler versicherte der Uleb, dass für die Gästeteams eine hohe Sicherheitsstufe gilt. Die türkische Regierung garantiere deren die Sicherheit. Zum gestrigen Spiel in Istanbul entsandte die Uleb einen Funktionär, der diese Maßnahmen prüft. Von seinem Urteil hängt ab, ob Alba am Mittwoch tatsächlich nach Istanbul fliegen muss. Die unterschiedliche Beurteilung der Lage zwischen Fußball- und Basketballverband wundert Uleb-Mediendirektor Stankovic nicht. „Ein Fußballstadion für 50 000 Menschen ist schwerer zu sichern als eine kleine Halle.“

Aus türkischer Sicht geht es bei den Verlegungen der Uefa jedoch nicht so sehr um Sicherheit. Sondern darum, die türkischen Teams zu schwächen. Von einem Komplott sprach Galatasarays Präsident Özhan Canaydin. Deshalb nannte die Klubführung gestern der Uefa trotz einer Frist kein Ausweichstadion. Trainer Fatih Terim überlegt jedoch bereits, welches andere Stadion das Beste wäre. Deutschland wird von ihm wegen der vielen dort lebenden Türken bevorzugt. Terim wünscht sich Dortmund, weil dort die Ränge bis ans Feld reichen – das könnte angesichts tausender türkischer Fans, die erwartet würden, ein Vorteil sein. Dortmund bestätigte bereits den Kontakt mit der Uefa in dieser Angelegenheit. Als weitere Orte sind Stuttgart und Gelsenkirchen im Gespräch. Aber auch die Niederlande und Belgien kämen in Frage. Eine Entscheidung fällt die Uefa womöglich schon heute.

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