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Der Fernsehturm am Alexanderplatz in der letzten Bauphase, ca.1968

© Harald Lange/Imago

1968 im Tagesspiegel: Baulärm am Alexanderplatz für die höchsten Gebäude ganz Berlins - Fernsehturm und Hotel Stadt Berlin

Vor 50 Jahren wurde der Alexanderplatz von Grund auf erneuert

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 4. August 1968 bestaunte der Tagesspiegel den Baufortschritt am Alexanderplatz mit unterirdischem Kanalsystem, 25-geschossigen Wohnblocks, dem Hotel Stadt Berlin und dem neuen Wahrzeichen der Stadt - dem Fernsehturm

Die Lokal-Reporter der Ost-Berliner Tageszeitungen haben auf Jahre hinaus ausgesorgt: seit Anfang 1967 vergehen keine zwei Tage, an denen sie nicht mit oft ganzseitigen Geschichten das Baugeschehen am Alexanderplatz besingen dürfen (die jüngsten Überschriften: "Unser Alex wächst wieder zu", "Aus 207 Metern in die Zukunft geblickt" und "Tagebuch des Hotels Stadt Berlin'", zehnte Fortsetzung). Der völlig neu gestaltete City-Kern ist Ost-Berlins ganzer Stolz. Hier geht in der Tat Gewaltiges vor - 1970, wenn alles fertig ist, wird kein alter Berliner am Alexanderplatz auch nur einen einzigen Stein auf dem anderen so vorfinden, wie er ihn aus den Jahren vor 1967 in Erinnerung hatte.

Ost-Berlins "Bauplatz Stadtzentrum", mit Abstand der größte in der ganzen "DDR", verschlingt in 24 Stunden Tag- und Nacht-Arbeit eine Million Mark. 250 Hektar - das ist mehr als der Große Tiergarten umfaßt - werden von Grund auf neu bebaut. 350 000 Kubikmeter Erdreich wurden dazu ausgehoben (und von 60 schweren Kipp-Lastern zur Anhäufung eines neuen "Trümmerbergs" beim Tierpark in Friedrichsfelde transportiert), über zweitausend Bauarbeiter sind am "größten Werk sozialistischer Gemeinschaftsarbeit" beteiligt.

Baulärm unter Tiefstrahlern

Tag und Nacht also Baulärm am Alexanderplatz, der nachts wie taghell im Schein der Tiefstrahler liegt. Der Verkehr ist so gut wie ganz umgeleitet. Wohin man blickt: Baugruben, Zäune, Kanalrohre, Bagger, Laster, Kräne, Betonklötze und Stahlgerippe. Alte Häuser und Straßenzüge, vor allem bei der Rathausund Liebknechtstraße, verschwinden; die Straßenbahnen erhalten eine neue Streckenführung, U-Bahn-Schächte für die geplante Linie nach Weißensee werden ausgehoben; ein System neuer Straßentangenten legt sich um den Alexanderplatz.

Unter dem Alexanderplatz schlängeln sich bereits, blitzsauber geputzt und bis auf die Rolltreppen fix und fertig, die Auto- und Straßentunnel; die beiden Fußgängertunnel sind 500 und 330 Meter lang, der Autotunnel 660 Meter. Für die Stadtentwässerung wurde der Alexanderplatz zudem mit einem neuen Kanalsystem unterquert.

Die Prunkstücke aber werden weithin sichtbar über der Erdoberfläche sein. Terrakottabunte, 25geschossige Wohnblocks in der Liebknechtstraße, ein neues facettenumrandetes Centrum-Warenhaus, die neue Markthalle anstelle der kriegsbeschädigten, nie richtig reparierten und jetzt vollends abgerissenen alten Markthalle am S-Bahnhof Alexanderplatz (sie war Berlins älteste und größte), in Grün und Weiß das "Haus der Elektroindustrie", als Schlußpunkt zur Hans-Beimler-Straße hin das "Haus des Reisens", eins immer höher als das andere.

Gesamtberliner Superlative

Mit Gesamtberliner Superlativen wachsen die beiden größten Bauwerke am Alexanderplatz heran: das Hotel "Stadt Berlin" und als Wahrzeichen des Ganzen der Fernsehturm. Das Hotel, mit dessen Hochbau am 1. April dieses Jahres begonnen wurde, ist mit 70 Metern und 60 Zentimetern augenblicklich kurz nach Halbzeit schon das höchste Haus Ost-Berlins - bei seiner endgültigen Höhe von 122 Metern braucht es dann auch keine West-Konkurrenz zu fürchten. In 39 Stockwerken werden hier 2000 Gäste übernachten können - im 37. Geschoß, 110 Meter über dem Pflaster, bekommt das Hotel "Stadt Berlin" ein 220-Platz-Dachrestaurant.

Weitere hundert Meter höher speisen kann man dann im Drehscheiben-Restaurant des Fernsehturms (in einer Stunde dreht sich die Kugel mit dem Restaurant einmal um ihre Achse). Der Fernsehturm, jetzt bei seinem 250. Meter angelangt, wird im nächsten Jahr schon fertig sein - mit 361,5 Metern bis zur Antennenspitze soll er das zweithöchste Gebäude der Welt werden, nur übertroffen vom noch größeren Bruder in Moskau.

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