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Der deutsche Schriftsteller und Regisseur Thomas Brasch, aufgenommen am 1992 in Berlin. Er starb am 3. November 2001 in Berlin.

© Nestor Bachmann/dpa

1968 im Tagesspiegel: Jugendliche in Ost-Berlin wegen Protestaktion verurteilt - darunter der Sohn des stellvertretenden Kulturministers

In Ost-Berlin wurden vier Jugendliche zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich an Protestaktionen gegen die Besetzung der CSSR beteiligt hatten.

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 26.Oktober wurde die Verurteilung mehrerer Jugendlicher in Ost-Berlin bekannt. Darunter befand sich auch der spätere Schriftsteller Thomas Brasch.

Das Ost-Berliner Stadtgericht hat in dieser Woche vier Jugendliche zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich an Protestaktionen gegen die Besetzung der CSSR beteiligt hatten. Unter den Verurteilten ist Thomas Brasch, der Sohn des stellvertretenden Zonen-Kulturministers Horst Brasch, der zwei Jahre und drei Monate Gefängnis erhielt.

Wie am Freitag ferner zuverlässig zu erfahren war, verurteilte das Gericht außerdem Erika Berthold, die Tochter des Direktors des Instituts für Marxismus-Leninismus beim SED-Zentralkomitee, Lothar Berthold, zu einem Jahr zehn Monaten Gefängnis. Ihre Strafe soll für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden sein. In dieser Zeit muß sie die Schule verlassen und sich "in der Produktion bewähren".

Rosita Hunzinger, die Tochter einer Bildhauerin, erhielt ebenfalls wie Thomas Brasch zwei Jahre und drei Monate Gefängnis. Sandra Weigl, eine Verwandte der Ost-Berliner Schauspielerin Helene Weigel, wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Ob die Strafen für Sandra Weigl, Rosita Hunzinger und Thomas Brasch ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurden, ist nicht bekannt. Während sich Erika Berthold und Sandra Weigl in Freiheit befinden, sind Thomas Brasch und Rosita Hunzinger nach wie vor in Haft. Über die Protestaktionen der Jugendlichen sind bisher keine Einzelheiten bekanntgeworden.

 Der Prozeß gegen Havemann-Söhne

Im Prozeß gegen Frank und Florian Havemann, die Söhne des von der SED wiederholt gemaßregelten Professors Robert Havemann, vor dem Ost-Berliner Stadtgericht hielten am Freitag die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung ihre Plädoyers. Die Strafanträge wurden jedoch noch nicht in West-Berlin bekannt.

Wie zuverlässig zu erfahren war, wird dem 18jährigen Frank im wesentlichen nur vorgeworfen, nach der Besetzung der CSSR „Dubcek" an Häuserwände geschrieben zu haben. Dem 16jährigen Florian Havemann werde zur Last gelegt, daß er am 21. August, dem Tag der Okkupation, aus dem Fenster der Wohnung am Strausberger Platz eine Fahne der CSSR gehängt habe. Das Urteil wird für Anfang nächster Woche erwartet. In dem Prozeß gegen die Havemann-Söhne kam wiederholt der "schädliche Einfluß" des der SED mißliebigen Vaters zur Sprache. Außerdem seien vom Zonen-Schriftstellerverband und vom Institut für Zeitgeschichte in Ost-Berlin Gutachten über den in der Zone verfemten Bänkelsänger Wolf Biermann sowie über Bert Brecht erstattet worden. Frank soll Kontakte zu Biermann unterhalten und bestimmte Texte Bert Brechts auf ausgehängte Plakate geschrieben haben, die anläßlich des "Tages der Volkspolizei" gedruckt worden waren. 

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