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In der Planung hieß das 47 m hohe Gebäude "Turmrestaurant". Die Berliner machten daraus liebevoll den "Bierpinsel". Geplant 1968, eröffnet 1976. Seit 2010 steht das Gebäude leer.

© Robert Schlesinger/dpa

1968 im Tagesspiegel: Kaffee trinken über Autobrücke - Restaurant-Turm an der Steglitzer Schildhornstraße

Durch eine Reihe architektonisch und städtebaulich interessanter Bauvorhaben wird die Steglitzer Schloßstraße als Einkaufsstraße noch aufgewertet.

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 6. September 1968 stellte der Tagesspiegel die Pläne für die Steglitzer Schlossstrasse vor - unter- und oberirdisch.

Abgesehen von der U-Bahn, die die Schloßstraße eng mit der City verbinden wird, werden die beiden Einkaufszentren, das bereits begonnene "Forum Steglitz" am Titania-Palast und der "Steglitzer Kreisel", dessen Pläne in Kürze spruchreif sein werden, die Anziehungskraft der Straße erhöhen.

Mittlerweile ist ein neues Projekt auf den Reißbrettern gediehen, das bereits die weitgehende Zustimmung der Stadtplaner und, was noch wichtiger ist, einen interessierten Geldgeber gefunden hat. Mit der Brücke, die aus der Schildhornstraße über die Schloßstraße und die Westtangente führen wird, soll in etwa zwei Jahren ein dreigeschossiges Restaurant zwischen den beiden die Kreuzung flankierenden Warenhäusern entstehen. Den Plan dafür entwickelten die Architekten Schüler und Witte, die ursprünglich lediglich den Auftrag hatten, den U-Bahnhof Schildhornstraße zu gestalten und eine Verbindung zur Straße und zur Brücke herzustellen. Bei dem Entwurf dieser Verbindung zur Oberfläche entstand der Gedanke, den mit Rolltreppen und Fahrstühlen projektierten Aufgangsturm über das Niveau der Brücke hinaus zu verlängern und mit einem Restaurant anzureichern. Außerdem ist an einen Fußgängerüberweg gedacht, der noch über die Fahrzeugbrücke hinweg zum Kaufhaus Wertheim führen soll.

Pläne und Geldgeber

Nach einer überschlägigen Berechnung der Architekten werden die Baukosten für den Restaurant-Turm mit Aussichtsfenstern und Terrassen gut eine Million Mark betragen. Die Bewirtschaftung will die Berliner Kindl-Brauerei übernehmen. Ein weitergehender Plan der Architekten, der ebenfalls schon das Interesse der Grundstücksbesitzer gefunden hat, sieht die Gestaltung der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung an der Einmündung Florastraße vor. Dort sollen in Verbindung mit der Straßenbrücke repräsentative Eckbauten entstehen. Nach Ansicht der Planer wird es dadurch möglich, die Brücke in die städtebauliche Gestaltung einzubeziehen.

Neues Tiefkühlverfahren für die Baugruben einer U-Bahn-Linie

Den Frost, sonst Schreckgespenst für jede Baustelle, werden sich in Berlin die Tiefbaufachleute zunutze machen, um an der Schloßstraße in Steglitz eine gut 110 Meter lange und 18 Meter tiefe Baugrube ohne die sonst unumgänglichen Rammarbeiten ausheben zu können. Dieser als Experiment gedachte Vorgang, der unter anderem in München bereits mit gutem Erfolg abgelaufen ist, leitet an der Einmündung der Schildhornstraße den Bau eines sogenannten Dükers ein, der zwei große Regen- und Schmutzwasserkanäle unter dem in diesem Bereich doppelstöckig geplanten U-Bahn-Tunnel hinwegführen wird.

Bei diesem System wird der Boden beiderseits der Baugrube vor Beginn der Ausschachtungsarbeiten bis zu der in 18 Metern Tiefe vorgesehenen Sohle eingefroren und dadurch derart versteift, daß auf die üblichen Schutzwände verzichtet werden kann. Zu diesem Zweck müssen .lange Lanzen in den Boden eingebracht werden, die mit einer Kühlflüssigkeit gefüllt sind. Dadurch- wird erreicht, daß die Temperatur des Erdreichs konstant 20 bis 30 Grad unter, Null beträgt.

Nach Auskunft der Senatsbauverwaltung werden Einzelheiten des Vorgangs noch ausgearbeitet, doch könne Berlin von den in anderen Städten bereits gesammelten Erfahrungen profitieren. Aus diesem Grund stehe zur Zeit auch die Höhe der dabei entstehenden Kosten noch nicht fest, die allerdings über denen liegen werden, die bei den üblichen Rammarbeiten anfallen. Falls sich das Frostverfahren jedoch bewähren sollte und künftig billiger anzuwenden ist, könnte es eines Tages aus der dicht bebauten Innenstadt die Rammen verbannen.

Nach dem weitgehend fertigen Terminplan soll mit den Vorarbeiten für das Tieffrostverfahren genau am 1. Oktober begonnen werden. Kurz vor Weihnachten, wenn die Außentemperaturen sowieso nahe dem Gefrierpunkt sind, wird der Boden dann nach Art der Gefrierkost ein halbes Jahr lang vereist, so daß dann ungehemmt ausgeschachtet und gebaut werden kann.

Steglitzer Kreisel

Fast zur gleichen Zeit wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch mit den Tiefbauarbeiten für die U-Bahn am Hermann-Ehlers-Platz begonnen. Dort entsteht die vorläufige Endstation der Linie 9 in Verbindung mit einem ausgedehnten Bus-Bahnhof unterhalb des von der Architektin Kressmann-Zschach geplanten "Steglitzer Kreisels". Die Pläne für beide Vorhaben, den Tief- und den Hochbau, werden zur Zeit aufeinander abgestimmt, und ein Vertrag zwischen der Architektin und der Senatsbauverwaltung über das ineinander verzahnte Projekt soll in Kürze unterschrieben werden. Dieser Abschnitt sollte ursprünglich erst 1970 begonnen werden, doch wurde er wegen der Pläne für den "Kreisel" vorgezogen.

Der nächste Bauabschnitt für die U-Bahn, die im Bereich der Schloßstraße zwei übereinander liegende Tunnel erhält, erstreckt sich dann vom Walther-Schreiber-Platz bis zur Treitschke-Straße. Er wird am 1. Mai nächsten Jahres begonnen. Von diesem Zeitpunkt an muß auch mit spürbaren Verkehrsbehinderungen in der Steglitzer Einkaufsstraße gerechnet werden, obwohl während der gesamten Bauzeit in jeder Richtung zwei Fahrspuren zur Verfügung stehen sollen.

Ein Jahr später wird dann hinter dem Hermann-Ehlers-Platz gebuddelt, und 1971 werden die Arbeiten für den Bahnhof an der Schildhornstraße und für den Tunnel bis zum Rathaus Steglitz aufgenommen. 1975, so rechnet die Senatsbauverwaltung, kann der 1,5 Kilometer lange Teilabschnitt in Betrieb genommen werden. Zu dieser Zeit verkehrt die U-Bahn allerdings schon vier Jahre lang bis zum Titania-Palast.

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