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Keine Wendemöglichkeit mehr vor der Mautstelle?

© dpa

Ausländer-Maut: Straßen für Millionen

Seit 30 Jahren versucht die CSU, eine Maut für Ausländer auf den Weg zu bringen. Jetzt will sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt damit profilieren.

Drei Jahrzehnte hat es gedauert, aber nun steht Dionys Jobst kurz vor dem Ziel. 1984, es war im Januar, platzte der CSU- Abgeordnete aus der Oberpfalz mit der Idee heraus, Ausländern auf deutschen Autobahnen eine Maut abzuknöpfen. Auf die Eingebung ist Jobst, mittlerweile 86, immer noch stolz. „Ich fand es schon damals ungerecht, dass wir bei den Nachbarn Autobahngebühren zahlen müssen und Ausländer bei uns umsonst fahren“, erzählt er.

Helmut Kohl bügelte Jobsts Vorstoß damals rasch ab – aber nun kommt Alexander Dobrindt. Schon in der zweiten Junihälfte will der Bundesverkehrsminister von der CSU sein Konzept für die Ausländer-Maut vorlegen. Die Arbeiten daran laufen seit Monaten, für Dobrindt ist es das wichtigste Projekt überhaupt. Zum einen, weil er bisher im Amt blass geblieben ist. Zum anderen, weil kaum ein Thema für die CSU wichtiger ist. Das hat Parteichef Horst Seehofer so entschieden.

Über die Jahre ist die Pkw-Straßengebühr mehr geworden als nur ein politischer Plan unter vielen. Neun von zehn Bürgern in Bayern sind laut Umfragen dafür, Ausländer zur Kasse zu bitten. Sie haben die immer neuen Versuche der Quasi-Staatspartei CSU verfolgt, das Thema bundesweit durchzusetzen. Doch immer wieder machten ihr Parteifreunde oder Regierungspartner einen Strich durch die Rechnung.

Die CSU will die Maut für Ausländer.
Die CSU will die Maut für Ausländer.

© Karikatur: Klaus Stuttmann

Zum Beispiel 1990 und 1997, als die Pläne für eine allgemeine Autobahnmaut schon weit gediehen waren, den Mitregenten von CDU und FDP aber eine Erhöhung der Mineralölsteuer politisch geschmeidiger erschien. Oder 2006, als es eine Vignette geben sollte mit gleichzeitiger Senkung der Mineralölsteuer, um Einheimische zu entlasten und den Tanktourismus einzudämmen. Seitdem drängten die Christsozialen immer ungeduldiger: 2007 forderte der Bayerische Landtag die Maut, 2010 der CSU-Parteitag. Und 2013 ließ Seehofer ultimativ wissen, dass er einen Koalitionsvertrag nur unterschreiben werde, wenn sich die Maut darin wiederfinde.

Eine Maut für Ausländer sei eben nur gerecht

Die Vehemenz der Bajuwaren erklärt sich aus der Geografie. „Der Bayer fährt im Winter nach Kufstein in Österreich, im Sommer an den Gardasee nach Italien – und überall muss er Maut bezahlen“, sagt Günther Beckstein, als Ministerpräsident bis 2008 auch ein glühender Anhänger der Gebühr. Da sei es nur gerecht, dass Ausländer hierzulande ebenso zur Kasse gebeten werden. Hinzu kämen Niederländer und Schweizer in Scharen, die Bayern zum Transitland machen und die malerisch gelegenen Autobahnen verschleißen. Dass vor allem Lastwagen die Straßen zerbeulen, Pkw wegen ihres geringen Gewichts dagegen so gut wie gar nicht, ficht die Christsozialen nicht an.

Durchgesetzt wurde die Maut parteiintern von Süd nach Nord, erinnern sich alte CSU-Recken. Zuerst waren die Oberbayern, die den Grenzverkehr am stärksten spürten, für die Idee entflammt. Die Unterfranken nahe Hessen mussten vom Problem erst noch überzeugt werden, ganz am Ende kam auch die CSU-Landesgruppe in Berlin ins Boot. Mittlerweile geht es noch um mehr. „Die Maut ist zum Symbol der Durchsetzungsfähigkeit der CSU im Bund geworden“, sagt Beckstein. Dabei konnte sich die Partei zuletzt über mangelnden Einfluss nie beklagen – das Betreuungsgeld und die Mütterrente sind in erster Linie bayerische Wünsche.

Um der Maut den Weg zu bereiten, hat die CSU personell vorgesorgt. Mit Dobrindt stellt sie den Verkehrsminister, der Schwabe Ulrich Lange wurde verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Auch Generalsekretär Andreas Scheuer ist sensibilisiert, er war unter Peter Ramsauer Parlamentarischer Verkehrs-Staatssekretär.

Die Jahresvignette soll rund 100 Euro kosten

Allerdings ist das Projekt noch kein Selbstläufer. Das liegt vor allem an den drei Bedingungen, die die vielen Skeptiker aus den eigenen Reihen in den Koalitionsvertrag gemogelt haben: Inländische Autofahrer dürfen durch die Maut nicht zusätzlich belastet werden, eine Diskriminierung von Ausländern verbietet das EU-Recht, und für den Verkehrsetat soll eine Menge Geld hängen bleiben. „Ein magisches Vieleck“, spotten selbst gewichtige CSU-Leute.

An den Vorgaben arbeitet Dobrindt mit einem kleinen Kreis von kaum zehn Leuten. Die Eckdaten stehen fest: Die Jahresvignette soll rund 100 Euro kosten, es soll auch Monats- und Zehn-Tages-Vignetten geben. Je umweltfreundlicher ein Auto, desto weniger soll die Plakette kosten. Elektroautos fahren sogar gratis. Um Mehrkosten für deutsche Autofahrer zu vermeiden, soll die Maut nach einem ähnlichen Prinzip wie die Kfz-Steuer erhoben werden, also in verschiedenen Stufen.

Für seinen Etat erwartet Dobrindt „einen Milliardenbetrag“ – gerechnet über die gesamte Wahlperiode. Käme das System also 2016, wäre nach seiner Annahme mit 500 Millionen Euro im Jahr zu rechnen. Noch 2013 hatte ein Gutachten eine Summe von 900 Millionen Euro ergeben. Aber auch das wäre angesichts des Finanzbedarfs für die Infrastruktur nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Fachleute fürchten Ineffizienzen im System

Wie viel Geld hereinkommt, hängt von mehreren Unbekannten ab: Wie viele ausländische Autofahrer sind hierzulande unterwegs? Wie viele Bürger auf dem Land oder Besitzer von Zweit- oder Drittwagen werden sich überhaupt eine Autobahn-Plakette kaufen? Genau weiß das niemand. Fachleute fürchten zudem enorme Ineffizienzen im System. „Verwaltung und Kontrolle dürften extrem aufwendig werden“, warnt Verkehrsberater Frank M. Schmid. Womöglich blieben am Ende nur 100 oder 200 Millionen Euro übrig.

Noch vor der Sommerpause wird es nun ernst. Dobrindt hat sich wegen der zu erwartenden Debatte im Juli viele Termine freigehalten. Gleichwohl ist das politische Klima günstig. Der ADAC, einst der stärkste Maut-Widersacher, ist derzeit nur ein Schatten früherer Tage. Und die EU-Kommission muss sich nach der Europawahl erst sortieren. Scheitert das Vorhaben, sieht es nicht nur für Dobrindt schlecht aus. Auch die Industrie, die am Maut-Betrieb und am Bau neuer Straßen verdienen will, ist nervös. „Das Thema wäre dann für zehn Jahre tot“, fürchtet ein Berliner Lobbyist.

Womöglich läuft der Plan auch anders: Ist das Vignetten-System erst eingeführt, könnte man schrittweise auch Inländer stärker zur Kasse bitten. Schließlich wächst der Sanierungsbedarf von Straßen und Brücken weiter. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hat mit seiner Forderung einer Infrastruktur-Abgabe von 100 Euro pro Kopf das Thema am Laufen gehalten. „Womöglich ist hier noch nicht aller Tage Abend“, sagt ein CSU-Grande aus dem Bundestag vieldeutig. Aber auch dann, wenn es klappt mit der Ausländer-Maut, hat die CSU ein Problem. Sobald das Thema Maut durch ist, braucht sie einen neuen Gassenhauer, um die Leute zu mobilisieren.

Dionys Jobst, der Erfinder der Maut, hat bereits vorgesorgt. 1993 brachte er die Idee ins Spiel, Mallorca für 50 Milliarden D-Mark zu kaufen und es zum 17. Bundesland zu machen. Womöglich ließe sich diese Idee am Ende einfacher umsetzen als der Plan von der Ausländer-Maut.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 03. Juni 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag in Sitzungswochen des Bundestages erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen. Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

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