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Der Bundesrat.

© imago/Markus Heine

Bundesrat: Traditionsbruch in der Länderkammer

Ämter im Schatten der Macht, aber nicht einflusslos: Der Bundesrat wählt neue Direktoren. Erstmals werden beide Verwaltungschefs nicht mehr aus den Ländern kommen. Manchen gefällt das nicht.

Wenn Gerd Schmitt an diesem Freitag in Pension geht, dann ist das eine kleine Zäsur für den Bundesrat. Zum einen, weil erstmals seit 1949 eine Frau an die Spitze der Bundesratsverwaltung tritt: Schmitts Aufgabe als Direktor übernimmt seine bisherige Stellvertreterin Ute Rettler. Zum anderen, weil erstmals zwei Beamte in der Länderkammer das Sagen haben, die nicht aus den Ländern kommen. Denn Rettler kam 2010 aus dem Bundesinnenministerium, und ihr Nachfolger auf dem Stellvertreterposten soll der bisherige Gruppenleiter Georg Kleemann aus dem Bundeskanzleramt werden. Zwei in der Wolle gefärbte Bundesbeamte als Verwaltungsspitzen – das gefällt nicht allen im Länderkreis. Zwar ist der Bundesrat ein Bundesorgan, und damit sind die Mitarbeiter Beamte oder Angestellte des Bundes. Aber landespolitische Luft geschnuppert zu haben, zu wissen, wie es in der Provinz zugeht, den Föderalismus von der Landesseite her zu kennen – das sollte doch wohl zum Profil eines Bundesratsdirektoren gehören, meinen manche. Die bisherigen Direktoren (sechs an der Zahl) waren allesamt „Länderleute“. Schmitt, der 2010 vom Vize zum Chef aufgestiegen war, hatte lange im Landesdienst von Baden-Württemberg gearbeitet.

Posten mit Parteibuch

Kleemann, Jahrgang 1966, einige Jahre Mitarbeiter der Unions-Fraktion im Bundestag, war zwar im Kanzleramt für die Bund-Länder-Beziehungen zuständig, kennt dieses Geschäft also gut. Aber die Regierungszentrale gilt im Länderkreis bisweilen auch als Gängelungsinstrument des Bundes. Andererseits: Es sei nicht das Schlechteste, wenn der Bundesrat nun jemanden in der Spitze habe, der die Strukturen im Kanzleramt kenne, wird entgegengehalten. Für die Personalie war Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zuständig, der die Unions-Länder koordiniert. In den Parteirunden gingen die Personalien relativ glatt durch – Rettler bei der SPD, Kleemann in der Union. Die Direktorenposten sind parteibuchgebunden. Hat die A-Seite, also die SPD, die Mehrheit, wie jetzt, darf sie den Direktor bestimmen; der schwarzen B-Seite bleibt dann der Vize. Und umgekehrt.

Ansonsten herrscht die Zweifarbenlehre eher weniger im kleinen Apparat – der Bundesrat hat nur 190 Mitarbeiter, gegenüber 2500 im Bundestag, ohne die Fraktionen. Schmitt betont, dass er in seiner Zeit darauf geachtet habe, die Bundesratsverwaltung aus der Parteipolitik herauszuhalten. Immerhin wechseln die Präsidenten jährlich, mal schwarz, mal rot, neuerdings auch grün – das schafft Freiräume. Denn hauptberuflich ist der Bundesratspräsident Regierungschef im Land, und das bedeutet einen Haufen Arbeit daheim. Deswegen setzen die Ministerpräsidenten darauf, dass ihre Kammer in Berlin gut und lautlos funktioniert – die Direktoren haben dafür zu sorgen, dass zu den Sitzungen der Ausschüsse und des Plenums hin keine bürokratischen Unfälle passieren. Wer sich umhört, bekommt bestätigt, dass die Bundesratstruppe zu den effizienteren Apparaten unter Bundesflagge gehört. Was eben auch daran liegt, dass sie überschaubar ist. Gern hätte Schmitt, wie seine Vorgänger, etwas mehr Personal bekommen, einen höheren Etat. Aber das entscheidet letztlich der Bundestag, und der hat mehr für sich übrig als für die zweite Kammer, die so lästig werden kann, wenn die jeweiligen Mehrheiten sich in die Quere kommen.

Sherpas der Präsidenten

Die Bundesratsdirektoren treten öffentlich vor allem an den Sitzungstagen in Erscheinung. Als Sherpas der Präsidenten leiten sie diese durch das Geschehen, das mal nur zwei Stunden dauert, aber auch mal fünf. Da muss dann souffliert, gelegentlich auch die richtige Seite im Sitzungsordner aufgeschlagen werden, und wichtig ist, sich nicht zu verzählen bei Abstimmungen – gezählt wird im Bundesrat immer noch ohne elektronische Hilfe. Die eigentliche Arbeit aber findet hinter den Kulissen statt. Die Präsidenten wollen und müssen in Verfahrens- und auch Verfassungsfragen beraten werden. Zudem nehmen die Direktoren an den Vorbereitungssitzungen der Bevollmächtigten teil, jeder bei seiner Partei. Der Direktor sitzt dann auch im Ständigen Beirat, dem Gremium der Ländergesandten, in dem die Tagesordnungen festgelegt werden. Der Vizedirektor ist für den Vermittlungsausschuss zuständig; Schmitt hatte da in der rot-grünen Endphase ziemlich zu tun, Rettler dagegen wegen der großkoalitionären Stille zuletzt eher wenig.

"Bundesrat hat an Statur gewonnen"

Die 53-jährige Rheinländerin hat eine „Z-Karriere“ im Bundesinnenministerium hinter sich, kennt also die Anforderungen einer Zentralverwaltung. 1990 fing sie im BMI an, zuletzt leitete sie ein Grundsatzreferat. Zwischendurch war sie einige Zeit ins Willy-Brandt-Haus beurlaubt, arbeitete unter Franz Müntefering und Matthias Machnig, zwei Organisationsbegeisterten. In ihrem Politikfeld, dem „klassischen Sicherheitsbereich“, sei es immer relativ pragmatisch zugegangen zwischen SPD und Union, und Rettler gefällt, dass das im Bundesrat meist auch der Fall ist. Auch Schmitt findet, die Länderchefs der vergangenen Jahre agierten weniger parteipolitisch.

In Bonn war der Bundesrat in einem Appendix des Bundeshauses untergebracht. In Berlin bekamen die Länder mit dem einstigen Preußischen Herrenhaus ein eigenes Gebäude, recht repräsentativ zudem. Für Schmitt ist das ein Grund, dass die Länderkammer mittlerweile stärker wahrgenommen wird, sich im Umfeld der Berliner Republik zu behaupten wusste. Man habe die Chance, die mit dem neuen Standort verbunden gewesen sei, genutzt. „Der Bundesrat hat seither national als gesetzgebendes Verfassungsorgan und international als gesuchter Ratgeber an Statur gewonnen“, sagt er. Dabei hatten die Ministerpräsidenten einst erwogen, in Bonn zu bleiben.

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