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In Unions-Orange: Arbeitgeber-Appell an die Kanzlerin.

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BVG untersagt Arbeitgeberkampagne: Plakatieren verboten

Die BVG untersagt Arbeitgebern in ihren U-Bahnen eine Plakatkampagne gegen die Regulierung von Leiharbeit. Mit den Gewerkschaften war sie nicht so streng.

Dürfen die Berliner Verkehrsbetriebe auf ihren Flächen Werbeplakate zu politischen Themen verbieten? Was ist wichtiger: das Neutralitätsgebot eines öffentlichen Unternehmens oder die Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum? Und muss bei einem Verbot nicht wenigstens gewährleistet sein, dass es für alle Interessenvertreter gleichermaßen gilt?

Um all diese Fragen kreist ein bizarrer Streit zwischen der BVG und einer Berliner Werbeagentur, der inzwischen auch Anwälte beschäftigt. Mit allem, was dazugehört: Unterlassungserklärung, Fristsetzung, Schadenersatzforderung ...

Weder schutzbedürftig noch verzichtbar

Es geht um eine bundesweite Arbeitgeber-Kampagne gegen die Regulierung von Werk- und Zeitverträgen. Über Großplakate wird an wichtige Politiker appelliert, selbstständige Firmenberater und IT-Spezialisten von den geplanten Regelungen auszunehmen, da sie als Gutverdiener weder schutzbedürftig noch für die Wirtschaft verzichtbar seien.

„Frau Merkel, bitte retten Sie Deutschlands Experten“, heißt es in sattem CDU-Orange. Oder, in einer Mischung aus SPD-Rot und Linkspartei-Lila: „Herr Gabriel, bitte stoppen Sie diesen Angriff auf die deutsche Wirtschaft“. Ergänzt wird der Appell durch den Hinweis, dass die SPD selbstständige Experten in Unternehmen „verbieten“ wolle und damit der „Innovationskraft der deutschen Wirtschaft“ schade.

Protest gegen die Arbeitsministerin.
Protest gegen die Arbeitsministerin.

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Sieben solcher Plakatmotive hatte die Blumberry GmbH für Berliner U-Bahnhöfe vorgesehen. Auf 125 Flächen, für 20 000 Euro. Doch von wegen „Is mir egal“, wie sich die BVG per Werbevideo gerade selber inszeniert: Der Plakataushang wurde untersagt. Begründung: „Der Aussage nach“ handle es sich um Wahlwerbung. Und die sei für BVG-Flächen vertragsrechtlich ausgeschlossen.

So aber wollten die Blumberry-Profis sich und ihren Kunden – die von Personalberaterfirmen gegründete „Allianz für selbständige Wissensarbeit“ (ADESW) – nicht abfertigen lassen. Sie wandten sich an einen Anwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Und dieser belehrte die BVG darüber, dass es sich „weder um Wahlwerbung noch um Werbung mit parteipolitischem Inhalt handelt“.

Was ist parteipolitische und was nur allgemein-politische Werbung?

Erstens werde derzeit weder in Berlin noch auf Bundes- oder Europaebene gewählt. Zweitens hätten die Plakate keinerlei Bezug zu irgendwelchen Wahlen. Und drittens entbehre die Kampagne jeglichen parteipolitischen Inhalts. Sie diene allein den Interessen der dahinterstehenden Arbeitgeber. Es handle sich um „allgemein-politische Werbung“. Ihr die Zustimmung zu verweigern, sei „nicht rechtmäßig“.

Die Verkehrsbetriebe belehrten zurück. Er lege den Begriff „Werbung mit politischem Inhalt“ falsch aus, teilte die BVG-Rechtsabteilung dem Anwalt mit. Wenn die Verkehrsbetriebe nur Werbung für politische Parteien hätten ausschließen wollen, hätten sie das auch genauso formuliert. Tatsächlich sei in der Vereinbarung zwischen dem Werbeunternehmen Wall AG und der BVG aber ausdrücklich von „Werbung mit parteipolitischem Inhalt“ die Rede.

Auch auf die Grünen hoffen die Arbeitgeber.
Auch auf die Grünen hoffen die Arbeitgeber.

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Sinn und Zweck dieser Formulierung sei es gewesen, auch „Werbung untersagen zu können, die beabsichtigt, zu der politischen Willensbildung der Bevölkerung beizutragen“ – und es sei ja wohl nicht zu bestreiten, dass die Kampagne diesem Zweck dienen solle. Die BVG sei aber „kein privates Unternehmen, das politische, soziale oder kulturelle Meinungsäußerungen kundtun kann, sondern ein öffentliches (...) Unternehmen, das dem Neutralitätsgebot unterliegt“.

Womöglich ist damit jetzt ja ein Fass geöffnet. Neben politischer Werbung künftig auch keine Plakate mit sozialen oder kulturellen Meinungsäußerungen mehr in U-Bahnen und auf BVG-Gelände? Da gilt es aber noch einiges abzuhängen oder zu verbieten. Und vielleicht auch ein neues Videoclip zu produzieren – mit der weniger coolen Botschaft: „Is Verboten“.

"Nur noch Hundefutter und Yoghurt"

Offenbar dürfe bei der BVG „künftig nur noch für Hundefutter und Yoghurt geworben werden“, schimpft ein Mitglied der Blumberry-Geschäftsleitung. Die Deutsche Bahn sei mit dem Thema viel lockerer umgegangen, betont er, sie habe die Kampagne erlaubt. Seit vergangener Woche hängen die Plakate der Arbeitgeber-Kampagne an zahlreichen S-Bahn-Stationen der Stadt.

Was die Berliner Werbeprofis aber besonders wurmt: So politisch enthaltsam, wie sie sich darstellt, verhält sich die BVG in anderen Fällen keineswegs. Während das Unternehmen die Arbeitgeber-Kampagne untersagte, durften die Gewerkschaften auf BVG-Flächen problemlos zu exakt demselben Thema plakatieren.

Dokumentiert haben die Anwälte das etwa für die U-Bahn-Station Französische Straße. Dort hing, großflächig und unübersehbar über den Gleisen, ein DGB-Plakat mit zwei gleich aussehenden Bauarbeitern. „Finde den Fehler“ stand dick dazwischen. Und: „Immer mehr Arbeitgeber missbrauchen Werkverträge. Das führt dazu, dass zwei Mitarbeiter unterschiedlich bezahlt werden, obwohl beide die gleiche Arbeit erledigen.“

BVG: Die Gewerkschaftskampagne war neutraler gestaltet

Die DGB-Plakate seien dem Unternehmen nicht vorgelegt worden, sagt BVG-Sprecher Markus Falkner als Entschuldigung. Von dem fürs Plakatieren zuständigen BVG-Partner, der Berliner Wall AG, wird das bestätigt. Man habe aufs Einholen einer Genehmigung verzichtet, weil die Aussage, „dass Festanstellung grundsätzlich besser ist als Zeitarbeitsverhältnisse/Werkverträge, aus unserer Sicht einen breiten gesellschaftspolitischen Konsens darstellt“. Da die DGB-Plakate „neutraler gestaltet“ seien und anders als die Arbeitgeber-Kampagne Parteien und Politiker nicht direkt ansprächen, habe man sie „nicht als Werbung mit parteipolitischem Inhalt bewertet“.

...und natürlich darf auch die CSU nicht fehlen.
...und natürlich darf auch die CSU nicht fehlen.

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Bei Blumberry ärgern sie sich über diese Unterscheidung. Es handle sich um „krasse Ungleichbehandlung“, die nicht hinnehmbar sei, heißt es in einem weiteren Anwaltsschreiben an die BVG. Um diese zu beseitigen, gebe es nur zwei Möglichkeiten: die Arbeitgeberplakate zuzulassen oder auch Gewerkschaftsplakate zum gleichen Thema zu verbieten. Und wenn die Plakate nicht auf BVG-Flächen hängen dürften, sei der Agentur auch der Schaden zu ersetzen. Mache, im Falle eines Kundenverlusts, mehr als 100 000 Euro.

Die ausgebremste Arbeitgeber-Allianz allerdings möchte nicht weiter nachtreten. Zumal sich ihre Kampagne inhaltlich weitgehend erledigt hat. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kündigte am Freitag an, im Gesetz noch deutlicher zwischen schutzbedürftigen Arbeitnehmern und nicht schutzbedürftigen Selbstständigen zu unterscheiden. Und ADESW-Sprecher Carlos Frischmuth sieht keine Notwendigkeit mehr, weitere Plakate aufzuhängen. Den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) will er aber schon mal fragen, ob die BVG „zu viel Geld hat“, um es sich leisten zu können, bei Werbeplakaten derart wählerisch zu sein.

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