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Da will ich rein: Mehrere Tausend Lobbyisten arbeiten in Berlin und wollen Einfluss auf die Politik.

© dpa

Debatte um Lobbyregister: "Transparenz ist das Entscheidende"

"Die im Dunkeln sieht man nicht" titelte Tagesspiegel-Agenda vor einer Woche und löste damit eine breite Debatte über Transparenz bei Politikern, Politikberatern und Interessenvertretern aus. Im Zentrum steht die Frage: Braucht Deutschland ein verpflichtendes Lobbyregister, in das sich jeder Interessenvertreter eintragen muss? Elf Meinungen zum Thema.

Von Antje Sirleschtov

Für viele Beteiligte ist klar: Ein Lobbyregister könnte mehr Transparenz in den Markt der politischen Kommunikation, Beratung und Interessenvertretung bringen und das Vertrauen in die Demokratie stärken. Der Weg ist damit beschrieben. Wie viel Transparenz aber verträgt die Branche und vor allem: Wie konkret sollen die Angaben in dem Register sein und wer muss sich dort registrieren lassen? Der Tagesspiegel eröffnet nun die Diskussion über die Ausgestaltung des Lobbyregisters ein. Was muss rein, was nicht? Diskutieren Sie mit. Nutzen Sie bitte die Kommentarfunktion am Ende des Textes.

Peter Strieder, Ketchum Pleon
Peter Strieder, Ketchum Pleon

© promo

Peter Strieder, Ketchum Pleon: Derzeit gibt es beim Bundestag ein Verbänderegister, bis zu fünf Repräsentanten erhalten pro registriertem Verband einen Ausweis, der Zugang zu den Gebäuden des Bundestags verschafft. Mitarbeiter von Kommunikationsagenturen oder Anwaltskanzleien haben darauf keinen Anspruch. Schon deshalb wäre ein Lobbyregister neben dem Verbänderegister gut. Das Register kann nur zu mehr Transparenz beitragen, wenn der Umweltverband, der sich seine Kampagne von Teilen der Wirtschaft bezahlen lässt, die Kirchen, die bei ihren Mitgliedern im Bundestag für eine effektivere Steuereintreibung werben, oder die Anwaltskanzlei, die sich sicherlich auf das Anwaltsgeheimnis berufen wird, auch registriert werden. Seriöse Politikberater scheuen kein Register. Andere wird kein Register bewegen, sich anständig zu verhalten. Ethisches Handeln ist eine Frage der Haltung!

"Bei Verstößen muss der Etikrat tätig werden"

Norbert Minwegen, Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)
Norbert Minwegen, Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG)

© Christian Altengarten Photograph

Norbert Minwegen, Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG): Für mehr Transparenz in der politischen Interessenvertretung soll ein öffentliches Register sorgen, in welches sich alle Interessenvertreter eintragen. Über die Konkretisierung wird aktuell intensiv diskutiert. Neben den Kontaktdaten sollten auch die jeweiligen Arbeits- und Themenschwerpunkte aufgeführt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Register alle Interessenvertreter gleichermaßen umfasst. Bei Verstößen gegen die Regelungen des Registers oder Ethikkodizes muss der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) tätig werden. Der DRPR verfügt bereits über einen Ethikrat, der auch Sanktionen verhängt. Eine Online-Registrierung ließe sich leicht mit der Anerkennung entsprechender Kodizes verbinden.

"Sechs Jahre - und keinen Meter weiter"

Dominik Meier, Miller & Meier Consulting, Deutsche Gesellschaft für Politikberatung
Dominik Meier, Miller & Meier Consulting, Deutsche Gesellschaft für Politikberatung

© Mike Wolff

Dominik Meier, Miller & Meier Consulting, Deutsche Gesellschaft für Politikberatung: Legitim, universell, praktikabel, sanktionsfähig – zentrale Aspekte eines verpflichtenden Lobbyregisters, die die Degepol und Transparency International bereits 2008 identifiziert haben. Sechs Jahre später, und wir sind keinen Meter weiter. Praktikable und sanktionsfähige Lösungen gibt es, unbeantwortet bleibt bislang die Kernfrage: Wer ist Lobbyist? Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbände, NGOs – alles Interessenvertreter. Aber auch Lobbyisten?! Oder ist dieser Begriff Beratungsunternehmen, Agenturen, Anwaltskanzleien und Industrieverbänden vorbehalten? Interessenvertretung ist ein verfassungsrechtliches, konstitutives Element der parlamentarischen Demokratie, gesellschaftlicher Interessenausgleich ureigene Funktion von Politik. Soweit die Theorie. Mit dem Ruf nach Transparenz diskutieren wir in der Praxis die Machtfrage „guter“ und „böser“ Interessensvertretung. Erst wenn dieser Dualismus überwunden ist, entsteht ein erfolgreiches Register.

"Transparenz ist das Entscheidende"

Hildegard Müller, Bundesverband Deutsche Energie- und Wasserwirtschaft
Hildegard Müller, Bundesverband Deutsche Energie- und Wasserwirtschaft

© pa/dpa

Hildegard Müller, Bundesverband Deutsche Energie- und Wasserwirtschaft: Transparenz ist bei einer guten und modernen Lobbyarbeit das Entscheidende. Ein verpflichtendes Lobbyregister und eine legislative Fußspur können im Grundsatz dafür wichtige Beiträge leisten. Moderne Verbände tragen genau wie andere Interessengruppen mit ihrer Arbeit zu einer transparenten Interessenvertretung bei, da sie viele Einzelmeinungen verschiedener Gruppen, Branchen und Mitglieder bündeln. Das ist eine wichtige Voraussetzung für das Finden von politischen und gesellschaftlichen Kompromissen.

"Es wird nicht alle Probleme lösen"

Michael Wedell, Metro Group
Michael Wedell, Metro Group

© promo

Michael Wedell, Metro Group: Wir finden die Idee eines Transparenzregisters gut und richtig. Wichtig ist, dass die Verantwortung für die Erstellung und Umsetzung eines solchen Registers bei der Politik liegt. Dadurch wird die nötige Transparenz, Beteiligung und Ausgewogenheit gewährleistet. Und natürlich muss das Register für viele Akteure gelten und funktionieren: für Unternehmen, Verbände, Nichtregierungsorganisationen oder Kanzleien. Es wird nicht alle Probleme des Lobbyings lösen – aber es ist eine von mehreren Maßnahmen. Eine andere machen wir von uns aus: Wir starten eine Internetseite, auf der wir über unsere Aktivitäten und Positionen tagesaktuell berichten. Dieses „digitale Hauptstadtbüro“ geht Anfang des Jahres online.

"Fairness und Vergleichbarkeit"

Axel Wallrabenstein, MSL Germany
Axel Wallrabenstein, MSL Germany

© Tobias Koch / www.tobiaskoch.de

Axel Wallrabenstein, MSL Germany: Ein Lobbyregister ist für viele der Schlüssel zur notwendigen Legitimierung von Lobbying. Lobbyisten wären daher schlecht beraten, sich der Forderung zu verschließen. Allerdings muss ein Lobbyregister zwei Anforderungen erfüllen, um nicht ein verzerrtes Bild zu zeichnen: Fairness und Vergleichbarkeit. Ein faires Lobbyregister umfasst vom Wirtschaftsverband bis zur Umweltschutzorganisation alle aktiven Interessenvertreter. Dabei müssen sowohl professionelle Politikberatungen als auch Anwaltskanzleien, die als Vertreter der politischen Interessen ihrer Mandanten eintreten, berücksichtigt werden. Vergleichbarkeit kann nur durch klare Richtlinien über die zu veröffentlichenden Informationen geschaffen werden.

"Ein Beauftragter für Transparenz und Lobbykontrolle"

Edda Müller, Transparency International
Edda Müller, Transparency International

© promo

Edda Müller, Transparency International: Entscheidend für den Erfolg eines verpflichtenden Lobbyregisters ist, dass dort nicht nur Verbände, sondern auch Dienstleister, Berater, Institute, Unternehmen und Anwaltskanzleien gelistet werden. In einem Verhaltenskodex sollte festgelegt werden, welche Personen dort aufgelistet werden müssen, welche Auftraggeber und Auftragssummen. Wichtig ist, dass jeder nachlesen kann, in wessen Auftrag ein Lobbyist tätig geworden ist und was dafür bezahlt wurde. Ein bestenfalls beim Bundestag installierter Beauftragter für Transparenz und Lobbykontrolle sollte darüber wachen, dass Betroffene auch Rechte in Anspruch nehmen können, zum Beispiel Zugang zum Bundestag. Verbindlichkeit kann das Register nur mit einem Sanktionsmechanismus erreichen.

"Verpflichtend - und zwar für alle

Andreas Geiger, Alber & Geiger
Andreas Geiger, Alber & Geiger

© promo

Andreas Geiger, Alber & Geiger: Ein Lobbyregister – ganz gleich ob in Washington, Brüssel oder Berlin – macht nur Sinn, wenn es verpflichtend ist. Und zwar für alle. Die damit verbundene Transparenz treibt zum einen die wenigen „schwarzen Schafe“ aus dem Markt, die es bekanntlich in jeder Branche gibt. Zum anderen – und dies ist der wichtigere Aspekt – beugt es dem in Deutschland zum Teil immer noch vorhandenen Misstrauen vor. Lobbyarbeit ist gut und richtig, da sie dem Gesetzgeber die notwendige Informationsbreite für eine vernünftige Entscheidungsfindung verschafft. Wer das bestreitet, verkauft die Menschen für dumm. Die Wähler sollten aber gleichzeitig wissen, wer mit wem wann worüber spricht. Mögliche Zielkonflikte eines solchen Transparenzregisters haben die USA gut gelöst: Verschwiegenheitspflichten und Mandatsgeheimnisse, die dort ebenfalls durch Standesregeln und Gesetze bestehen, wurden gesetzgeberisch dahingehend beschränkt, dass sie einer Veröffentlichung im Lobbyregister nicht entgegenstehen. So sollten wir das auch handhaben.

"In Washington eine Normalität"

Martin Seyfarth, WilmerHale
Martin Seyfarth, WilmerHale

© promo

Martin Seyfarth, WilmerHale: Als auf Industrie-Regulierung spezialisierte Rechtsanwälte wenden wir natürlich nicht immer nur das aktuelle Recht an, sondern machen uns auch Gedanken über den Regulierungsrahmen von morgen. Deswegen sind Kontakte zum Gesetzgeber, also den Parlamentariern und Experten der Ministerien, notwendig und üblich. Für uns als US-Sozietät ist das Lobbyregister in Washington eine Normalität, und ob ein neuer Fall auch Lobbyaktivitäten beinhaltet, wird beim Anlegen jeder neuen Akte von unserem System abgefragt und die eventuell notwendigen Informationen werden veranlasst. Insoweit haben wir nichts gegen dieses Instrument einzuwenden. Transparenz herrscht allerdings auch in Deutschland schon jetzt. Es spricht doch niemand im politischen Raum qualifiziert mit Ihnen als Rechtsanwalt über Inhalte, wenn Sie nicht offenlegen, für wen Sie auftreten.

"Debatte atmet oft Klassenkampfatmosphäre"

Jan Mücke, Deutscher Zigarettenverband
Jan Mücke, Deutscher Zigarettenverband

© pa/obs/Deutscher Zigarettenverband

Jan Mücke, Deutscher Zigarettenverband: In einer Demokratie gehört die Vertretung von Interessen zum Normalfall politischen Handelns. Nur wenn Abgeordnete alle Ansichten kennen, können sie die Tragweite ihrer Entscheidungen abschätzen. Die Debatte um den sogenannten Lobbyismus atmet oft Klassenkampfatmosphäre. Sie wird verengt auf Wirtschaftsverbände, dabei sind Umweltverbände, Verbraucherschützer, Steuerzahlervereine, Gesundheitsaktivisten, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften und auch vermeintliche Lobbykontrolleure längst selbst Lobbyisten. Sie sind professionell organisiert, oft sehr gut finanziert und Teil einer legitimen Interessenvertretung. Seit 1972 führt der Bundestag die "Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern". Diese Liste sollte auch für Kommunikationsagenturen, Anwaltskanzleien und freie Berater geöffnet werden.

"Ein Lobbyregister ist kein Allheilmittel"

Heiko Kretschmer, Johanssen + Kretschmer
Heiko Kretschmer, Johanssen + Kretschmer

© promo

Heiko Kretschmer, Johanssen + Kretschmer: Interessen sind allgegenwärtig in unserer Gesellschaft. Es ist Ausdruck ihrer demokratischen Verfasstheit, dass diese Interessen offen artikuliert und vertreten werden dürfen. Wichtig ist aber, dass dies transparent und nachvollziehbar geschieht. Daher ist ein Lobbyregister kein Allheilmittel. Es ist aber ein wichtiger Schritt, um Transparenz in die Strukturen zu bringen. Darum muss es zwingend alle Interessenvertreter, egal ob Berater, Rechtsanwälte, Unternehmensvertreter, NGO-Lobbyisten oder Gewerkschafts- und Verbandsfunktionäre umfassen. In einem solchen Register sollten grundlegende strukturelle Daten einer jeden Interessenvertretung offen gelegt werden. Parlamentarier, wissenschaftliche Mitarbeiter, Mitarbeiter der Ministerien und Behörden können sich auf diese Weise stets über ihre Gesprächspartner und deren Interessen vorab informieren.

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