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Nach kritischen Äußerungen deutscher EU-Politiker über Polen zeigte ein polnisches Magazin Kanzlerin Angela Merkel in Hitler-Pose, umgeben von EU-Politikern als Wehrmachtsgenerälen.

© Maciej Chmiel/dpa

Deutschland und Polen: Verunsicherte Nachbarn

In diesem Jahr wollen Deutsche und Polen 25 Jahre Nachbarschaftsvertrag feiern. Doch die Vorbereitungen kommen kaum voran.

Eigentlich hätten Deutsche und Polen in diesem Jahr Anlass zu feiern. Vor 25 Jahren wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet. Damit bekannten sich das wiedervereinigte Deutschland und Polen dazu, ihre Beziehungen „im Geiste guter Nachbarschaft und Freundschaft“ zu gestalten und auf allen Gebieten eng zusammenzuarbeiten. Doch heute ist gerade denen, die sich seit vielen Jahren für die deutsch-polnische Freundschaft engagieren, kaum zum Feiern zumute. Zugleich kommen die Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr nicht richtig voran. Von einem „Fehlstart“ spricht der polnische Historiker Krzysztof Ruchniewicz. „Die Machtübernahme der Partei Recht und Gerechtigkeit hat für Verunsicherung gesorgt“, sagt der Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Wroclaw (Breslau).

In Berlin blicken Diplomaten mit Sorge nach Polen: Die neue nationalkonservative Regierung in Warschau entmachtete kurz nach ihrem Amtsantritt im November das Verfassungsgericht und will künftig selbst über die Führungspositionen bei den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden. Die Bundesregierung hat sich bisher auffällig zurückgehalten und die neue Führung in Warschau nicht öffentlich kritisiert. Dahinter steht die Überlegung, dass Grundsatzkritik aus Berlin die in der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verbreiteten Ressentiments gegen Deutschland schüren könnte. Als sich der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, und EU-Kommissar Günther Oettinger kritisch zu den Entwicklungen in Polen äußerten, wurden sie von der neuen Führung in Warschau nicht als EU-Politiker, sondern als Deutsche wahrgenommen, die Polen „unter Aufsicht“ stellen wollten. Entsprechend scharf fiel die Antwort aus Warschau aus – inklusive Parallelen zum Zweiten Weltkrieg. Aus Sicht von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski, der als PiS-Vorsitzender ohne Regierungsamt im Hintergrund die Fäden zieht, spielt Deutschland die Rolle eines Hegemons in Europa.

Im Januar wurde nur ein Logo vorgestellt, kein Konzept

Tatsächlich erweckt die neue Regierung den Eindruck, dass das deutsch-polnische Verhältnis für sie nicht denselben Stellenwert hat wie für ihre Vorgänger. Ministerpräsidentin Beata Szydlo reist erst in der kommenden Woche nach Deutschland, drei Monate nach dem Machtwechsel in Polen. Außenminister Witold Waszczykowski betonte vor dem Parlament zwar die Bedeutung einer „freundschaftlichen Zusammenarbeit“ mit Deutschland, dem „wichtigsten Nachbarn“ Polens. Zugleich zögerte er aber offenbar, sich die Pläne für das deutsch-polnische Jubiläumsjahr zu eigen zu machen. Im November hätte ein Konzept vorgestellt werden sollen, die Deutschen waren zuvor im Gespräch mit der bisherigen Regierung in Warschau. Doch die neue Führung segnete das Konzept dem Vernehmen nach zunächst nicht ab. So wurden im Januar nur ein Logo und eine Internetseite vorgestellt. In der vergangenen Woche verkündete das Auswärtige Amt, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein polnischer Amtskollege hätten das Konzept bei Steinmeiers Besuch in Warschau „indossiert“. Wer dieses Konzept lesen will, wird jedoch enttäuscht. Im Auswärtigen Amt heißt es, es handele sich um ein „internes Dokument“. Selbst Bundestagsabgeordnete, die sich seit Jahren um die deutsch- polnische Freundschaft bemühen, kennen das Papier bisher nicht. Es sei nicht wirklich ein gemeinsames Konzept, sagt ein Insider. Für das Jubiläumsjahr bekam die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit vom Auswärtigen Amt 200 000 Euro. Das Geld von der polnischen Regierung wurde bisher noch nicht freigegeben.

Noch keine Zusage für Regierungskonsultationen

Auch eine Zusage aus Polen für die geplanten Regierungskonsultationen am 17. Juni lässt auf sich warten. Die Bundesregierung will den 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrags gemeinsam mit der polnischen Regierung feiern, aber aus Warschau gibt es offenbar fünf Monate nach der ersten Anfrage aus Deutschland keine Bestätigung für diesen Termin. Nun hofft man in Berlin, dass das Treffen von Szydlo und Kanzlerin Angela Merkel die nötige Klärung bringt. „Ich bin zuversichtlich, dass wir nach dem Besuch von Frau Szydlo in Berlin eine neue Lage haben werden“, sagt Cornelius Ochmann, geschäftsführender Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. In der polnischen Botschaft in Berlin heißt es, man sei überzeugt, dass die Regierungskonsultationen stattfinden werden.

Wie soll Deutschland mit einem Nachbarn umgehen, dessen politische Führung einer weiteren Annäherung skeptisch gegenübersteht? „Wir sollten unsere Bemühungen, Gesprächsfäden und Projekte zu entwickeln, jetzt noch verstärken“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan, der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. Dies mache es in Polen schwieriger, eine antideutsche Linie zu verfolgen. „Wir müssen zeigen, dass wir, auch wenn wir die Positionen nicht teilen, doch darüber ins Gespräch kommen wollen.“ Dies gelte beispielsweise für die umstrittene Erdgas-Pipeline Nord Stream II.

"Es ist Zeit für ein sichtbares Zeichen"

Der Bundestag plant anlässlich des Jubiläums eine Entschließung zum Nachbarschaftsvertrag. Nietan schlägt vor, daraus eine gemeinsame Initiative zu machen. „Warum bieten wir nicht dem polnischen Parlament an, dass eine Arbeitsgruppe mit Abgeordneten aus beiden Ländern eine gemeinsame Resolution erarbeitet, die dann in beiden Parlamenten verabschiedet wird?“

Auch der Historiker Ruchniewicz wünscht sich neue Impulse für das deutsch-polnische Verhältnis. Er regt an, das Polen-Denkmal im Berliner Volkspark Friedrichshain um ein deutsch-polnisches Informationszentrum zu erweitern. „Es ist Zeit für ein konstruktives Gespräch und für ein sichtbares Zeichen.“

Der Text erschien in der "Agenda" vom 2. Februar 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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