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Hart am Ball. Ralf Brauksiepe (CDU) und seine Kollegen im Spiel gegen den Sparkassen- und Giroverband Deutschland im Jahnsportpark.

© Imago

FC Bundestag: Wenn ein Rechter zum Linksaußen wird

Der FC Bundestag ist traditionell eine Fußballmannschaft aller Fraktionen. Bloß in dieser Legislaturperiode ist bislang etwas anders: Es fehlt die Opposition.

Von Katrin Schulze

Auf den ersten Blick ist es ein ungleiches Duell: Abgeordnete gegen Saaldienerinnen. Doch so unterschiedlich die Rollen im Bundestag sind, so ebenbürtig begegnen sich die beiden am heutigen Dienstag, diesmal nicht in Frack und Anzug, sondern in Trikots. Auf dem Fußballfeld gibt es keine Hierarchien. Gemischte Teams, wie sie die Männer zuvor vorgeschlagen hatten, lehnten die Damen dann auch ab, sie rechnen sich so mehr Chancen aus. Wohl nicht ganz zu Unrecht. Marcus Weinberg ist sich jedenfalls unsicher, wie das kleine Turnier ausgehen wird. „Bei den Profis gewinnen die Frauen ja auch regelmäßig mehr als die Männer“, sagt er.

Weinberg organisiert solche Spiele öfter. In Sitzungswochen lädt er jeden Dienstag um 18 Uhr zum Training – oder eben zum Turnier. Im Winter in die Turnhalle des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, ab April dann in den Jahnsportpark. Weinberg, der hauptberuflich für die CDU im Bundestag sitzt und unter anderem als familienpolitischer Sprecher der Union tätig ist, spricht von der „wahrscheinlich schönsten Nebenaufgabe der Welt“. Gemeint ist die Arbeit als Kapitän des FC Bundestag, der er seit 2013 nachgeht. Ohne Fußball kommt auch der deutsche Bundestag nicht aus. Ganz im Gegenteil: Die Abgeordnetenmannschaft wird schon mal als „erfolgreichste Fraktion“ des Parlaments bezeichnet.

Der FC Regierung

Erfolgreich deshalb, weil das Team keine Partei- und Fraktionsgrenzen kennt und so geschlossen auftritt, wie man es im Plenum so gut wie nie erleben wird. Dafür ist der FC Bundestag bekannt, dafür rühmt er sich. Doch genau hier beginnt das Problem, denn in dieser Legislaturperiode ist der FC Bundestag eher ein FC Regierung. Bislang haben sich ausschließlich Abgeordnete der Unions- und SPD-Fraktion angemeldet. „Wir haben zwei Problemfelder“, sagt der Mannschaftskapitän. „Erstens, dass keine Grünen und Linken dabei sind. Zweitens, dass bei uns die Frauen fehlen.“

So sind Weinberg und seine Teamkameraden seit einiger Zeit auf Werbetour durchs Parlament, sprechen gezielt Frauen und Oppositionsmitglieder an, um sie fürs Fußballspielen zu gewinnen – vergeblich. Immerhin finden sich ab und zu Frauen als Gegner, so wie am Dienstag die Saaldienerinnen. Die Sache mit den Grünen und Linken gestaltet sich da schon schwieriger. Die Grünen hätten zum einen dienstags selten Zeit, weil sie sich da in ihrer Fraktion treffen, heißt es. Zum anderen haben sie ihre eigene Fraktionsmannschaft gegründet, die Grüne Tulpe, was einige beim FC Bundestag schon aufregt – auch wenn sie dies öffentlich nicht sagen würden.

Die Linkspartei wiederum scheint generell am Fußball nicht besonders interessiert zu sein. In der zurückliegenden Legislaturperiode war wenigstens einer von ihnen am Start, doch der schied 2013 aus dem Bundestag aus. Und nun? „Ich muss jetzt irgendwie endlich mal den Gregor Gysi ansprechen“, sagt Stefan Rebmann, der Vizekapitän von der SPD, obwohl er genau weiß, dass er wahrscheinlich nicht sonderlich viel Erfolg haben wird beim Oppositionsführer. Aber Rebmann spielt eben „ungern in einer Mannschaft, die nur aus Regierungsmitgliedern besteht“. Das sei schließlich nicht Sinn der Sache. Und zur langen Tradition mag es auch nicht recht passen.

Der FC Bundestag im Plenum.
Der FC Bundestag im Plenum.

© promo

Nach einigen Benefizspielen gründete sich das Team offiziell 1967 innerhalb der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e. V., in der Mitarbeiter noch ganz anderen Aktivitäten in Bonn und Berlin nachgehen können. Schießen, Karate, Tischtennis und Laufen beispielsweise. Fußballerisch waren in der Geschichte so einige prominente Namen dabei: Joschka Fischer, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine, Peter Ramsauer. Auch Helmut Kohl trug sich einst als Mitglied des Vereins ein, ein Spiel aber absolvierte er nie. Heute stehen beispielsweise der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann, Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der ehemalige Turner und CDU-Politiker Eberhard Gienger sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert auf der Liste. Zum Training jedoch schaffen es längst nicht alle der 44 Angemeldeten. Meist sind sie Dienstagabend so zwischen zehn und 15 Spieler.

Oft treten die Fußballer dann gegen andere Mannschaften aus ihren Wahlkreisen an, der Verwaltung, aus Verbänden oder Unternehmen. Denn für ein Spiel gegen die Abgeordneten kann sich im Prinzip jede Mannschaft bewerben, Voraussetzung ist ein Mindestalter von 35 Jahren, damit die Chancengleichheit gewahrt bleibt. „Wir sind ja auch nicht die Jüngsten, mit 20-Jährigen können wir gar nicht mithalten“, sagt Weinberg. Manchmal bleiben seine Kollegen und er aber auch unter sich und machen Trainingsspielchen. Auch das hat seine Vorteile: Man geht ungezwungener miteinander um.

Beim Bier plaudert es sich offener

Natürlich wird es dann schon mal laut und deutlich, und natürlich machen sie dann ihre Scherze. Darüber dass ein eher konservativer Politiker Linksaußen spielt oder jemand, der sonst gerne politisch verbal nach vorne prescht, fußballerisch defensiv bleibt. Dass nur SPD- und Unions-Männer dabei sind, bedauern die Beteiligten deshalb auch insofern, als sich eine andere Beziehung unter den Bundestags-Fußballern entwickelt. „Man lernt sich in einem informellen Rahmen kennen“, erzählt Stefan Rebmann. „Und man findet unbewusst einen schon anderen Ton untereinander – auch im Plenum.“ Kapitän Weinberg spricht von der Möglichkeit, „Kollegen von einer anderen Seite kennenzulernen“. Im Spiel könne man schon identifizieren, wie jemand tickt. Ob er eher ein Kämpfer ist oder eher zurückhaltend, defensiv. Das gilt auf dem Platz wie in der Politik.

Denn – und das ist neben der Abwechslung vom Politalltag und der sportlichen Betätigung wohl auch ein Argument fürs Mitspielen – ganz außen vor bleibt das Tagesgeschäft dann eben doch nicht. „Mitunter ist man besser informiert als so mancher Parteikollege“, sagt Rebmann. Beim Bier nach dem Spiel plaudert es sich eben vielleicht doch unverbindlicher und offener als auf dem Flur oder in der Kantine. Wichtig ist den Mitgliedern nur die eiserne Regel, die im Breiten- wie im Profisport gilt: Was in der Fußballkabine gesagt und besprochen wird, bleibt auch dort. So bezeichnet Marcus Weinberg die Kabine als „hoch und heilig“. Auch Vizekapitän Rebmann spricht von einem Ort, an dem höchste Vertraulichkeit herrscht. Darauf könne man sich verlassen.

Die ganz großen geheimen Pläne seiner Fraktion wird mutmaßlich sowieso kein Kollege beim Fußball verraten, und ins Detail wird er sicher auch nicht gehen. Allerdings hilft manchmal ja schon ein kleiner Informationsvorsprung. Dass die CDU etwas in Sachen Mindestlohn plant, hat der SPD-Abgeordnete Stefan Rebmann zum Beispiel unter der Dusche nach einem Spiel des FC Bundestag erfahren. Gut drei Monate bevor es offiziell wurde.

Dieser Text erschien in der neuen Beilage "Agenda" des Tagesspiegels. Die "Agenda" erscheint jeden Dienstag in Sitzungswochen des Deutschen Bundestages in der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels sowie im E-Paper und liefert politischen Hintergrund aus dem Innenleben der Macht.

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