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Wer kann Bundeskanzlerin?

© Yves Herman/REUTERS

Film über Angela Merkel: In der Hauptrolle: Thalbach? Die Ferres? Meryl Streep?

Wer spielt Angela Merkel? 2017 soll ein Film über sie ins Kino kommen, das nährt wilde Spekulationen. Fest steht bisher nur: Das Drehbuch schreibt Dirk Kurbjuweit.

Als ob es eine verfrühte Promo-Aktion des Filmverleihs sei: Ausgerechnet jetzt erinnerte sich die Öffentlichkeit an die Tränen, die 2011 beim G-20-Gipfel in Cannes wegen Griechenland geflossen sind. Angela Merkel soll sie vergossen haben, die erste Frau Deutschlands. Merkmale: Raute, Anzüge, Marionettenfalten, keine starken Gefühlsregungen.

Emotionen und Äußerlichkeiten sind gerade enorm wichtig. Soeben meldete die AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion, die (wie der Tagesspiegel) zur Holtzbrinck-Gruppe gehört und auf Infotainment spezialisiert ist, dass sie das Leben der Kanzlerin ins Kino bringen will. Nein, nicht eins dieser TV-Movies ist geplant, wie sie über Christian Wulff oder Karl-Theodor zu Guttenberg, über "Spiegel"-, "Mogadischu"- und andere Politaffären gedreht wurden. Auch keine neue Kanzleramts-Serie wie 2005 im ZDF mit Klaus J. Behrendt, sondern ein Werk für die große Leinwand. Das Script liefert der preisgekrönte Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, der 2009 und 2014 Sachbücher über Merkel veröffentlicht hat und dessen Romane "Die Einsamkeit der Krokodile", "Schussangst" und "Zweier Ohne" erfolgreich verfilmt wurden. Das ist aber auch schon fast alles, was die Produktionsfirma über ihr Projekt verrät.

"Ja, wir haben Dirk Kurbjuweit beauftragt, das Drehbuch für einen Kinofilm zu schreiben", sagt AVE-Geschäftsführer Walid Nakschbandi am Telefon. "Seine Veröffentlichungen über Frau Merkel werden aber nicht Grundlage des Films sein." Worum wird es also gehen im Merkel-Drama? Oder in der Merkel-Komödie? Der Romantic Comedy? Dem Thriller? Dem Autorenfilm? Wird es gar ein Caper-Movie, eine Krimikomödie à la "Oceans Eleven", in der eine Gruppe europäischer Gauner eine spektakuläre Staatspleite plant?

Wird Helmut Kohl vorkommen?

Noch liegt das Drehbuch nicht vor, sagt Nakschbandi, er kann auch nicht sagen, ob Helmut Kohl in der Geschichte vorkommt. Merkels Ziehvater, ausgerechnet, der unlängst im XXL-Interview zum Fernsehstar wird: sechs Stunden Kohl im Jahr 2003, erstmals unplugged im Mitternachtsprogramm der ARD. Und Kohl im Merkel-Film? Wäre eine Paraderolle für wuchtige Charakterdarsteller, die die Beteiligten sich kaum entgehen lassen dürften. Schade, dass Günter Strack und Dieter Pfaff schon aus dem Rennen sind.

Nein, rein gar nichts will der Produzent über den Inhalt verraten. Nur dass es ein "Biopic" wird, keine "lineare Geschichte von der Kindheit bis zur Euro-Krise", denn das wäre ja vielleicht "ein wenig dröge". Ziel des Projekts: ein "umfassendes, packendes Bild dieser Frau". Wird sie als Bardame bei einer Uniparty in Leipzig zu sehen sein? Als Backfisch mit Kurzhaarfrisur im Kino bei "Die Legende von Paul und Paula" (ihrem Lieblingsfilm, wie sie 2013 bei einer Veranstaltung der Deutschen Filmakademie versicherte)? Im Gespräch mit Papa Pfarrer über den Gottesbeweis, mit Schutzbrille und Erlenmeyerkolben beim Erforschen von bimolekularen Elementarreaktionen (dem Thema ihrer Diplomarbeit von 1978) oder beim endgültigen Verzweifeln am Sozialismus mit dem Demokratischen Aufbruch?

Ihre politische Zugrichtung, die zweifelhaften Entscheidungen ihrer Amtszeit, das viel zitierte Zaudern, das Aussitzen, das Wanken – all das wird vermutlich weniger eine Rolle spielen. Den Produzenten interessiert vielmehr, "wie sie es geschafft hat, alle Männer in der CDU kaltzustellen", sagt Nakschbandi.

Wer Regie führt, das wird frühestens Ende des Jahres entschieden, parallel dazu soll das Drehbuch fertiggestellt werden. Erst dann geht es ans Casting. Spekulieren kann man darüber bereits jetzt aufs Schönste, schließlich ließe sich allein aus den Castings eine Comedyreihe mit kurzen Sketchen entwickeln, angesiedelt im Warteraum voller Best-Ager-Frauen in Hosenanzügen, die Rauten üben. Geht man strikt nach dem Jahrgang, haben Jutta Speidel und Katharina Thalbach gute Chancen – beide wurden wie Merkel 1954 geboren. Thalbach müsste nur Merkels recht trüben Sprachduktus einstudieren, und Speidel hat in ihrer Rolle als Nonne in den ersten fünf Staffeln von "Um Himmels Willen" ja schon gezeigt, wie eine aussehen kann, der das Aussehen egal ist, weil es wichtigere Dinge gibt.

Catherine Deneuves Divenleib - das ginge nicht

Nakschbandi spricht jedoch von einer internationalen Koproduktion – als internationales Kinoprojekt hat AVE gerade eine "Anne Frank"-Verfilmung am Start. Das erweitert das Castingspektrum, und die Kollegen von der "Welt" mutmaßen prompt: Meryl Streep macht’s, die hat ja schon Margaret Thatcher verkörpert. Streep ist zwar fünf Jahre älter als Merkel, ihr Spielalter reicht dafür problemlos bis in Merkels 20er zurück, die Zeit, in der sie ihren ersten Mann heiratete (1977). Helen Mirren, Stephen Frears’ "Queen", ist ebenfalls denkbar, aber wahrscheinlich zu glamourös – die Marionettenfalten sind schließlich Merkels visuelles Alleinstellungsmerkmal. Wie wär’s mit einer Französin? Allein beim Gedanken an Catherine Deneuve rollen sich einem jedoch die Zehennägel hoch: Deneuves Divenleib und Merkels unspektakuläres Outfit, das passt nicht zusammen.

Wer weiß, vielleicht haben die Produzenten ja Humor und besetzen die Kanzlerin mit der britischen Komikerin Dawn French, die noch aus Merkels größten Fehlern einen Lacher generieren könnte: Klimapolitik? Nö, heute nicht ...

"Frau Merkel wird sich nicht beschweren", glaubt Nakschbandi jedenfalls, man will ja auch keine Märchen erzählen. Sie ist eine Person des öffentlichen Lebens, sämtliche bereits bekannten Fakten über ihre Vergangenheit dürfen also verwendet werden. Autor Kurbjuweit hat zudem viele persönliche Gespräche mit der Kanzlerin, auch sollen Menschen aus Merkels naher Umgebung befragt werden.

Persönlich ja, allzu privat nein: Merkels Intimsphäre bleibt geschützt. Indiskrete Details aus Merkels Ehe mit dem Chemiker Joachim Sauer wird es also nicht geben, auch wenn man sich die eine oder andere häusliche Szene gut vorstellen kann. Sauer erzählt Merkel nach dem G-8- Gipfel in Heiligendamm von seinem Essen als Hahn im Korb mit den First Ladys, Merkel kontert mit der in starkem uckermärkischen Akzent vorgetragenen Bemerkung "Try walking in my shoes!". Oder Sauer und Merkel sehen einen Bericht über eine Femen-Aktion in der Ukraine. Merkel schüttelt den Kopf, Sauer neckt sie, in Anspielung auf die Dekolleté-Affäre: "Du hast doch damit angefangen, damals in der Oper in Oslo ..."

Stilistisch will man zum geplanten Filmstart 2017 jedenfalls großes Kino liefern, keine dünne Fernsehgeschichte. Womit Iris Berben aus dem Schneider sein dürfte, die bereits in der G-8-Heiligendamm-Komödie "Frühstück mit einer Unbekannten", 2007 auf Sat 1, die Kanzlerin darstellte. Und ebenso die zweite deutsche, als Kanzler-Darstellerin erprobte Schauspielerin, Veronica Ferres. Denn wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann darauf, dass Angela Merkel die Nacht des Mauerfalls nicht, wie Ferres in der albernen Sat-1-Komödie "Die Staatsaffäre", mit einem französischen Charmeur verluderte, der sich später zum Staatspräsidenten hocharbeitete. Wo Frau Merkel den Anfang dieser legendären Nacht züchtig verbrachte, ist schließlich bekannt: in der Sauna. Die Szene wird spitze.

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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