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Gerade erst besuchte Außenminister Sigmar Gabriel (links) seinen US-Amtskollegen Rex Tillerson in Washington.

© dpa/AP/Alex Brandon

G20-Außenminister in Bonn: Wie geht Kooperation in Zeiten von Trump?

Zur Zusammenkunft der G-20-Außenminister in Bonn kommt auch US-Außenminister Rex Tillerson. Das Treffen wird ein erster Test für die künftige Zusammenarbeit mit den USA.

Für den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel ist es eine Premiere: Wenn er am Donnerstag im alten Plenarsaal des Bundestags in Bonn seine Amtskollegen aus den G-20-Staaten begrüßt, wird er zum ersten Mal in seinem neuen Amt ein großes internationales Treffen leiten. Bei keinem G-20-Außenministertreffen zuvor war so viel diplomatisches Geschick gefragt.

Viele Themen stehen auf der Agenda der Minister aus den größten Industrie- und Schwellenländern der Welt, aber eigentlich dreht sich derzeit alles um eine Frage: Wie geht Multilateralismus in Zeiten von Trump? Was ist möglich an internationaler Zusammenarbeit mit einem Land, dessen neuer Präsident Multilateralismus ablehnt und am liebsten mit einzelnen Ländern individuelle „Deals“ abschließen will? Und was bedeutet die neue weltpolitische Konstellation für die drängendsten Probleme der Welt?

Einfache Antworten auf diese Fragen wird es in Bonn nicht geben, das Außenministertreffen kann nur ein erster Stimmungstest sein. Es ist das erste internationale Treffen überhaupt, an dem mit dem US-Außenminister Rex Tillerson ein Vertreter der neuen Administration in Washington teilnimmt. Beim G-20-Agrarministertreffen in Berlin, das am Tag nach Trumps Amtseinführung stattfand, war der bisherige Minister schon nicht mehr im Amt und der neue noch nicht.

Aus Russland reist Außenminister Sergej Lawrow an, auch die übrigen G-20- Staaten werden in Bonn vertreten sein: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei – und die EU. Für die Vereinten Nationen nimmt zudem der neue UN-Generalsekretär Antonio Guterres teil.

In Bonn soll über Prävention von Konflikten gesprochen werden

Anders als bei vielen anderen Treffen auf Außenministerebene sollen in Bonn nicht aktuelle Konflikte und Kriege im Mittelpunkt stehen. „Beim G-20-Treffen in Bonn werden die Außenminister über ihre langfristige Zusammenarbeit jenseits der akuten Krisendiplomatie beraten“, heißt es im Auswärtigen Amt. „Dabei soll es über das tägliche Krisenmanagement hinaus um tiefere Ursachen für Konflikte gehen.“ Schwerpunkte werden die Agenda 2030, also die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Prävention von Konflikten, Friedenserhaltung und die Zusammenarbeit mit Afrika sein.

Länder wie Saudi-Arabien und die Türkei, die USA und Russland, China und Japan auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, wäre schon ohne den neuen Mann im Weißen Haus schwer genug. Doch genau das zeichnet die G 20 aus: dass sie eben kein kleiner exklusiver Club von Ländern sind, die ohnehin weitgehend dieselben Meinungen teilen. Allerdings sind die G 20 auch keine internationale Organisation, sondern nur ein informeller Zusammenschluss von Staaten, die gemeinsam zwei Drittel der Weltbevölkerung und drei Viertel des weltweiten Handels repräsentieren. Die G 20 haben nicht einmal ein Sekretariat, so dass die gesamte Koordination und Organisation der Treffen Sache der jährlich wechselnden Präsidentschaft ist. Damit kommt dem Land, das diese Aufgabe innehat, eine besondere Verantwortung zu – es erhält aber zugleich die Chance, die Agenda der G 20 entscheidend zu prägen.

Diese Chance will Deutschland in diesem Jahr nutzen. Die Bundesregierung hat sich für die G-20-Präsidentschaft viel vorgenommen. Auf der Agenda stehen die klassischen G-20-Themen Handel und Regulierung der Finanzmärkte. Doch die G 20, die sich erstmals wegen der weltweiten Finanzkrise 2008 getroffen hatten, behandeln längst nicht mehr nur Wirtschafts- und Finanzthemen. Deutschland will mit den Partnern auch über nachhaltige Entwicklung, Klimapolitik und die Kooperation mit Afrika reden. Außerdem hat die Bundesregierung die Themen Gesundheit und Beschäftigung auf die Tagesordnung gesetzt, und erstmals treffen sich auch die für Digitalisierung zuständigen Minister. Die Themen Terrorismus sowie Migration, die auf vielen internationalen Treffen diskutiert wurden, werden auch die G 20 beschäftigen, und dem Kampf gegen Korruption widmet sich eine eigene Arbeitsgruppe.

"Ist die Welt vorbereitet, auf entstehende Risiken zu reagieren?"

Koordiniert und gesteuert wird die Vorbereitung des G-20-Gipfels, der am 7. und 8. Juli in Hamburg stattfindet, vom deutschen Sherpa Lars-Hendrik Röller. Der Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Kanzleramt sieht hinter dem breiten Themenspektrum der deutschen Präsidentschaft ein verbindendes Narrativ. Es gebe heute ein beträchtliches Maß an Unsicherheit in der Welt, die Menschen seien in Sorge angesichts möglicher Umweltkatastrophen, geopolitischer Risiken, Pandemien oder Turbulenzen an den Finanzmärkten. „Da viele Risiken global sind, brauchen wir globale Antworten auf diese Risiken“, sagte Röller in der vergangenen Woche vor den Vereinten Nationen, wo er das Konzept der deutschen G-20-Präsidentschaft vorstellte. „Ist die Welt darauf vorbereitet, auf möglicherweise entstehende Risiken zu reagieren?“ Unter diesem Gesichtspunkt wollen die G 20 alle Themen betrachten.

Die deutsche Agenda sei sehr ehrgeizig, sagte Röller vor den Vereinten Nationen. „Aber wir werden sehen müssen, wie weit wir in diesem Jahr kommen.“ Es sei ein Jahr „besonderer Herausforderungen“ für die G 20. Auch wenn der deutsche Sherpa diplomatisch zurückhaltend die USA nicht erwähnte, wusste jeder Zuhörer, wer gemeint war. Denn in zentralen Themenbereichen ist nach den bisherigen Äußerungen des neuen US-Präsidenten mit Konflikten zu rechnen. In der Handelspolitik ist Trump von Anfang an auf Konfrontationskurs gegangen, der deutschen Autoindustrie hat er Strafzölle angedroht.

Deutsche Besucher in Washington hörten mit Erstaunen von ihren amerikanischen Gesprächspartnern, dass die USA am liebsten bilaterale Handelsvereinbarungen mit einzelnen EU-Staaten abschließen wollten – in völliger Unkenntnis der Tatsache, dass das nach europäischem Recht gar nicht geht. Die G 20 hätten traditionell multilateralen Handel befürwortet, sagte Röller in New York. Merkel will über dieses Thema nun im Rahmen der G 20 diskutieren. Ein weiteres Thema, bei dem Konflikte mit der neuen US-Regierung beinahe zwangsläufig zu erwarten sind, ist der Klimaschutz. Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, das Klimaabkommen von Paris aufzukündigen.

Einstimmiger Beschluss wäre schon ein Erfolg für G-20

So werden die G 20 unter dem deutschen Vorsitz wohl mehr damit zu tun haben, Bestehendes zu bewahren, als gemeinsam weitere Schritte zu gehen. Beschlüsse der Gruppe sind rechtlich nicht bindend, das Papier, das am Ende eines Gipfels verabschiedet wird, ist nur eine Absichtserklärung. In diesem Jahr sind die Erwartungen weitaus niedriger: „Wenn das Kommuniqué von den Staats- und Regierungschefs einstimmig verabschiedet wird – was in früheren Jahren selbstverständlich war –, dann ist das in diesem Jahr schon ein Statement im Hinblick auf Multilateralismus und die Fähigkeit, zusammenzuarbeiten“, sagte Röller. Es sei wichtig, Probleme auf globaler Ebene zu lösen. „Die G 20 werden heute mehr gebraucht als je zuvor.“

Das Treffen der Außenminister in Bonn am Donnerstag und Freitag dient auch dazu, den großen Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Hamburg mit vorzubereiten. Im Auswärtigen Amt sind in diesen Tagen viele Abteilungen und Einheiten mit dem Bonner Treffen befasst, vom Planungsstab über einzelne Länderreferate bis zum Protokoll. Vor allem die Wirtschaftsabteilung ist im AA für den deutschen G-20-Vorsitz zuständig. Sie wird seit 2016 von Miguel Berger geleitet, der zuvor Nahostbeauftragter war. Nur wenige deutsche Diplomaten gelten als derart krisen- und verhandlungserprobt wie er. Diese Erfahrung wird er in diesem Jahr im Kreis der G 20 brauchen können.

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