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Ein Herz für Deutschland.

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Image von Staaten: Wie das Bild von Deutschland in der Welt geformt wird

Die Bundesrepublik zählt zu den beliebtesten Ländern weltweit. Das Auswärtige Amt gibt darauf acht, dass das auch so bleibt.

Manchmal dürfen sich Diplomaten einfach mal freuen. Weil etwas gut ausgegangen ist für Deutschland, ohne dass man Verträge verhandeln oder zerstrittene Partner an einen Tisch bringen musste. Manchmal läuft es einfach gut, bingo. Dann strahlen sie im Auswärtigen Amt so eine stille Zufriedenheit aus. Zum Beispiel, wenn Deutschland Fußballweltmeister wird, wie 2014 in Brasilien. Ganz überzeugend, ganz mannschaftsgeprägt, so richtig deutsch, alle für einen, einer für alle, ohne arrogant-eitle Diven wie Cristiano Ronaldo und ohne Testosteronbüffel wie Mario Balotelli.

Stattdessen mit einem Bastian Schweinsteiger, der sich eine Wunde im Gesicht tackern lässt, statt um Auswechslung zu bitten. Mit einem Mario Götze, der sich über das entscheidende, den Titel bringende Tor wie ein Kind freut. Mit einem Team, das nach dem fünften Tor gegen Weltmeister Brasilien nicht in Siegerposen verfällt, sondern das 7:1 am Ende so nach Hause bringt, dass auch die brasilianischen Fans im Stadion ihre Sympathie für den Sieger zeigen können.

Das sind Situationen, die im „Nation Brands Index“ vermutlich jene Punkte auf dem globalen Zustimmungs- und Ablehnungsthermometer ausmachen, die Deutschland auf Platz eins der beliebtesten Nationen bringen, zum zweiten Mal. Wenn sich das Auswärtige Amt einen Zauber wünschen dürfte, der dafür sorgt, dass Deutschland auf diesem Index die Nummer eins bleibt – Frank-Walter Steinmeier würde vermutlich einen ausgeben dafür.

Der "Merkel-Faktor"

Aber so klappt das nicht, denn dieser Index, von dem britischen Politikberater Simon Anholt zusammen mit der GfK, der Gesellschaft für Konsumforschung, entwickelt, ist unbestechlich. Seit 2005 summiert er die Wertungen von je 1000 Interviewten in 20 verschiedenen Ländern in Bezug auf die herausragenden Eigenschaften von 50 Nationen auf der ganzen Welt. Abgefragt werden dabei unter anderem die Einschätzung der nationalen Kultur, der Wirtschaftskraft, des Verhältnisses zu Migration, die Bewertung der Politik eines Landes und der Zuverlässigkeit seiner Bewohner, kurz: ob man sich in diesem Land wohlfühlen könnte.

Im Index für 2014 werden als besondere Qualitäten Deutschlands herausgehoben die Kultur des Landes, die Offenheit der Bevölkerung, die Lebensqualität und die Qualität der dort hergestellten Produkte, die Qualifikation der Arbeitnehmer und die Regierungsführung. Die wird als besonders ehrlich, kompetent und gerecht wahrgenommen. Man nennt es allgemein auch „good governance“. Im Auswärtigen Amt bezeichnet man das als den „Merkel-Faktor“.

Wenn man sich die Liste der zehn aufgrund der angegebenen Kriterien beliebtesten Länder anschaut, überrascht kaum, dass sie über Jahre hinweg relativ stabil ist. Meinungsumfragen mögen subjektive Wertungen zusammenfassen, aber in der Summe geben sie doch ein erstaunlich objektives Bild. So gehören zu den zehn ständig beliebtesten Ländern neben Deutschland die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Japan, Italien, Österreich, Australien und die Schweiz. Das sind auch, mit Ausnahme von Japan, jene Staaten, die, weil hoch entwickelt und mit funktionierenden Sozialsystemen ausgestattet, bevorzugtes Ziel von Einwanderern sind.

Deutschland mangelt es an Willkommenskultur

Dass ausgerechnet im Außenministerium der Anholt-Index – übrigens genauso wie der ähnlich erhobene und zu gleichen Ergebnissen kommende BBC-Index – mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt wird, kann nicht überraschen. Der Auswärtige Dienst, die Botschaften und die Konsulate weltweit, ist so etwas wie ein Sensor, der Stimmungsschwankungen im Deutschlandbild aufmerksam registriert und in die Heimat meldet. Ähnlich verfahren auch die Außenhandelskammern und die Dependancen der großen deutschen Unternehmen, und im Idealfall vernetzen sie ihre Eindrücke. Schon vor zwei Jahren merkte der damalige Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation, Hans-Ulrich Seidt, dazu an, das Außenministerium versuche, solche internationalen Eindrücke zu „objektivieren“ und vor allem auch auf Schwächen aufmerksam zu machen. Er benannte vor allem die mangelnde Willkommenskultur – die Deutschen gelten als tüchtig, aber weder als freundlich noch als gastfreundlich.

Die Einflüsse eines Außenministeriums auf die Objektivierung von Meinungen sind gering, weil Meinungen subjektiv sind und sich weniger durch Politik als durch eine Verhaltensänderung revidieren lassen. Das dürfte der Nachfolger Seidts als Abteilungsleiter, Andreas Görgen, nicht anders sehen, denn an der Aufgabe hat sich nichts geändert – wie dreht man das Deutschlandbild da ins Positive, wo Verbesserungen möglich sind? Der neue Anholt-Index legt den Schluss nahe, dass die Deutschen in puncto Willkommenskultur dazugelernt haben. Das liegt vermutlich auch daran, dass sich die ethnische Struktur der Bevölkerung durch die fast ein halbes Jahrhundert währende Zuwanderung stark verändert hat.

Der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, fasste das in der Bewertung einer Studie seines Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung so zusammen: „Immer mehr Menschen nehmen für sich in Anspruch, deutsch zu sein, auch wenn ihre Namen anders klingen und ihre Vorfahren nicht immer hier lebten. Dies ist eine grundlegend neue Situation in Bezug auf die Definition nationaler Identität.“

WM-Sieg vermittelt neues Deutschlandbild

Das könnte sich aus Sicht deutscher Diplomaten zum Beispiel auch in der Werbung für deutsche Produkte im Ausland niederschlagen. Autohersteller dürften durchaus noch mehr Migranten als Nutzer ihrer Produkte präsentieren. Heike Thiele, Leiterin des Referats für Kommunikation und das Deutschlandbild im Ausland, nennt als Musterbeispiel eine Reklame des schwedischen Autobauers Volvo, in der der aus Kroatien stammende, aber mit schwedischem Pass in Schweden lebende Fußballspieler Zlatan Ibrahimovic die Hauptrolle spielt. Ibrahimovic, Kapitän der schwedischen Fußballnationalmannschaft, legt dabei ein beeindruckendes Bekenntnis ab – nicht zu Volvo, sondern zu seiner neuen Heimat Schweden. Im Netz kann man sich das Video anschauen.

Mit dem WM-Sieg in Brasilien ist die Vermittlung des neuen Deutschlandbilds perfekt gelungen. Spieler wie Özil, Khedira oder Boateng sind der augenscheinliche Beweis, dass Deutschland ein Land der Chancen ist. Aber kann das, was 2014 Deutschland auf die Position eins gebracht hat, auf Dauer halten? Was ist mit den Pegida-Demonstrationen, mit den NSU-Prozessen? Wird sich das nicht negativ bemerkbar machen? Im nächsten Anholt-Index wird es ablesbar sein.

Dass das Auswärtige Amt wenig direkte Einflussmöglichkeiten auf das Deutschlandbild in der Welt hat, liegt auch an der föderalen Struktur unseres Landes. Frankreich und Großbritannien machen eine bewusst nationalstaatliche Tourismus-Werbung, Deutschland hingegen präsentiert sich als Land der Vielfalt.

Mit der Waffe auf Staatsbesuch

Dessen ungeachtet gab es im vergangenen Dezember im Auswärtigen Amt einen Workshop, zu dem auch eine Reihe von Werbe- und Politikberatungsagenturen eingeladen waren. Fragestellung an sie: Ist es sinnvoll, an einem „Nation Branding“ zu arbeiten? Ist es möglich, die Arbeit der Goethe-Institute, des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, unter einer Dachmarke zusammenzufassen? Die Antwort war ein klares „Jein“. Wegen der erwähnten Vielfalt, die auch eine politische ist. Die Regierungen von 16 Bundesländern müssten eingebunden werden. Und schließlich könne man das Deutschlandbild nicht nach Legislaturperioden ändern, gibt Referatsleiterin Heike Thiele zu bedenken.

Und so nutzt man die Agenturen, die im Dezember bei dem Workshop präsent waren und gerne Aufträge des Auswärtigen Amts hätten, vorerst als Sparringspartner und Anreger – wozu die gerne bereit sind. Das ist zwar kein offizieller Pitch, aber schließlich ist das Steinmeier-Ministerium eine Top-Adresse, mit der in Kontakt zu bleiben immer gut ist.

Manchmal reichen auch kleine Gesten, um das äußere Erscheinungsbild eines Landes augenfällig positiv zu verändern. Viele Jahre flogen deutsche Bundespräsidenten zu Staatsbesuchen mit Bundeswehrmaschinen, auf denen der Schriftzug „Luftwaffe“ prangte. Johannes Rau stieß sich an dieser Kennung. Er wolle nicht mit der Waffe auf Staatsbesuch gehen, sagte er. Seitdem fliegen Präsidenten, Kanzler und Minister mit Maschinen, auf denen einfach steht: Bundesrepublik Deutschland.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 24. Februar 2015 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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