zum Hauptinhalt
Kosten 4,20 Euro: Gratinierte Mozzarella-Spinat-Cannelloni.

© Michael Pöppl

Kantine im Jakob-Kaiser-Haus: Casino frugal

Kein Treffpunkt für Feinschmecker: Die Mitarbeiterkantine im Jakob-Kaiser-Haus. Teil 6 der Serie.

Es regnet. Für den Weg vom Hauptbahnhof zum Jakob-Kaiser-Haus empfiehlt es sich also, die legendäre Kanzler-U-Bahn zu benutzen, zwei Stationen bis zum Brandenburger Tor. Macht man als Berliner ja sonst nicht. Vorm überdachten Eingang drängeln sich die letzten aufrechten Raucher. Hinter der Tür wartet wieder das echte Berlin mit freundlich-schlechtgelaunten Pförtnern – "Sprechen Se mal deutlich ins Mikrofon! Na, geht doch!" –, die den Personalausweis gegen einen Gästeausweis tauschen. Dahinter das Sicherheitspersonal, das den Rucksack durchleuchtet und tatsächlich etwas Verdächtiges findet. "Ja, das ist ein Ladekabel." – "Zeijen Se mal!"

Bundestagsmitarbeiter G. wartet hinter dem Kontrollbereich, auch ins Jakob-Kaiser-Haus kommt man ohne offizielle Begleitung nicht rein. Durch ober- und unterirdische Gänge sind die acht Gebäude des Komplexes verbunden, untenrum geht es auch Richtung Kantine oder Reichstag. Herr G. zeigt, wo man sonst noch essen könnte. Zum Beispiel in der Cafeteria oder im Abgeordnetenrestaurant, das von Käfer betrieben wird, den meisten Mitarbeitern im Haus aber eher zu teuer sei.

Preiswerter ist es im Casino, der größten Mitarbeiterkantine des Bundestags, die ganz demokratisch für alle da ist. Der riesige Raum mit dem Glasdach ist geschätzte anderthalb Fußballfelder groß, Sichtwände auf Schulterhöhe trennen die zweckmäßigen großen Tischreihen voneinander, helles Holz, hoch oben an den Wänden gemalte Scherenschnitte mit Schlaraffenland-Motiven. Wie auch in anderen Bundestagskantinen, die von Dussmann geführt werden, zeigt eine mehrstöckige Glasvitrine das aktuelle Angebot auf Schautellern: "Roter Linseneintopf mit Geflügelfleisch" für 2,40 Euro, "Gratinierte Mozzarella-Spinat-Cannelloni auf Tomatensauce mit Mizunasalat in Walnussdressing" für 4,20 Euro, "Vegetarische Bratwurst mit geschmortem Rahmwirsing und Schupfnudeln" für 2,75 Euro oder auch das Aktionsgericht: "Hausgemachte Rinderroulade mit Zwiebel-Speck-Gürkchen-Füllung mit eigener Jus und Kartoffel-Schnittlauch-Stampf" für 6,90 Euro. Für jedes der Gerichte steht ein Ausgabeschalter zur Verfügung. Wer Beilagen wie Wirsing nicht mag, kann sich auch für Erbsen, Brokkoli oder Möhren entscheiden.

Das Essen schmeckt kantinentypisch. Die Canelloni erweisen sich als durchaus gut, nicht zu weich, man schmeckt Oregano, Thymian und vielleicht Salbei heraus. Der gute Rahmwirsing ist nur etwas zu salzig, die angebratenen Schupfnudeln haben die richtige Konsistenz, nur die vegetarische Bratwurst zeigt, warum Experimente in Kantinen oft scheitern. Das seltsame Ding schmeckt belanglos, die Zusammensetzung krümelig und trocken. So etwas braucht kein Mensch.

Zehn Tische weiter sitzt Wolfgang Thierse inmitten einer Gruppe und isst. Der Ex-Bundestagspräsident sei, obwohl er nicht mehr im Bundestag sitze, relativ häufig da, sagt Herr G. Vielleicht hat ja da jemand Heimweh.

CASINO IM JAKOB-KAISER-HAUS

Öffnungszeiten
Mo.–Fr.: 11.30 Uhr bis 14.30 Uhr.

Wilhelmstraße 68, 10117 Berlin

GESCHMACK: 2 von 5 Sternen
Kantinentypisch. Also: Ganz o.k. Aber kulinarische Erweckungserlebnisse sind nicht zu erwarten. Vor Experimenten wird gewarnt.

ATMOSPHÄRE: 3 von 5 Sternen
Sachlich. Der Raum ist riesig, die Tischreihen sind zweckmäßig groß, die Wände zieren Scherenschnitte.

POLITIKERDICHTE: 5 von 5 Sternen
Sehr hoch. Wie sollte es auch anders sein im Haus gelebter Demokratie.

PREIS-LEISTUNGS-VERHÄLTNIS: 4 von 5 Sternen
Gut. Begründung: Die Leistung ist zwar mäßig, aber der Preis ist wirklich sehr fair.

Alle getesteten Kantinen finden Sie unter: www.tagesspiegel.de/Agenda

Der Text erschien in der "Agenda" vom 5. Juli 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false