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Die Konrad-Adenauer-Stiftung fördert derzeit 3500 deutsche und ausländische Studenten und Promovenden.

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Konrad-Adenauer-Stiftung: Ein Netzwerk der CDU-Elite?

Mehr als 12.000 von ihnen gibt es. Darunter sind Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete. So weit reicht das Netzwerk der Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung tatsächlich.

Die Gruppe ist größer als je zuvor: 44 Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) sitzen derzeit im Bundestag. Zwölf der Abgeordneten, die die Begabtenförderung der CDU-nahen Stiftung durchlaufen haben, erhielten einen Posten in der Bundesregierung. Und von den 16 Ministern im Bundeskabinett stellen sie allein vier. Das sind die bekanntesten Gesichter dieses Netzwerkes: Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Kanzleramtschef Peter Altmaier sind für die CDU in die Bundesregierung eingezogen. Auch die CSU-Mitglieder Gerd Müller und Christian Schmidt wurden in ihrer Studienzeit von der KAS gefördert. Müller ist heute Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Schmidt besetzt den Posten des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft.

Zwei von drei Staatsministern sind KAS-Altstipendiaten

Sie haben zusammen gelernt, ihre Werte wurden ähnlich geprägt. Würden sie ihre politische Macht bündeln, könnten die Altstipendiaten viel erreichen. Zwei von drei Staatsministern der Bundesregierung sind KAS-Altstipendiaten, sechs der parlamentarischen Staatssekretäre ebenso. Einer von ihnen ist Thomas Silberhorn. Das CSU- Mitglied landete in seiner Studienzeit eher zufällig bei der KAS: Er hatte sich dort und bei der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung um ein Stipendium für sein Jurastudium beworben. Von beiden erhielt er eine Einladung zum Auswahlgespräch, doch die KAS war schneller, er sagte zu. Heute ist Silberhorn parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Als er sich bewarb, war Silberhorn bereits Mitglied der Jungen Union (JU), erzählt er. Besonders aktiv sei er dort aber nicht gewesen. Dafür hatte er in seiner Heimatstadt Bamberg ein Jugendorchester gegründet und war aktiv in der katholischen Jugend. Engagement ist auch heute ein wichtiges Auswahlkriterium: „Wir erwarten, dass sich ein potenzieller Stipendiat dauerhaft gesellschaftlich engagiert – ob im politischen, sozialen oder kirchlichen Bereich“, sagt Susanna Schmidt, Leiterin der Begabtenförderung bei der KAS.

Bei der Auswahl spielen drei Kriterien eine wichtige Rolle

„Da wird aber auch genau geschaut, ob dieses Engagement nicht doch nur der eigenen Karriere dient. Bei der Auswahl spielen drei weitere Kriterien eine wichtige Rolle: „Erstens die fachliche und allgemeine Bildung, zweitens die Persönlichkeit und drittens die Fähigkeit zur politischen Analyse und Argumentation“, sagt Schmidt. Hauptmotivation, sich zu bewerben, war für Silberhorn damals das Geld, sagt er. Die Förderung habe es ihm ermöglicht, sich auf sein Jurastudium zu konzentrieren. Das Wichtigste, was Silberhorn ansonsten aus seiner Stipendiatenzeit mitgenommen hat, war der Blick über den eigenen Tellerrand, sagt er. Er sei in der KAS mit Studierenden unterschiedlicher Semester und Fachrichtung zusammengekommen. Tief beeindruckt habe ihn damals auch der Bericht eines chinesischen Stipendiaten vom Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. „Ständig auf neue Dinge gestoßen zu werden, das hilft, die eigene Position immer wieder zu hinterfragen und auszutarieren.“ Das Stipendium habe ihm dabei viel Freiraum gelassen. Silberhorn sagt, es habe eine Geländerfunktion für das Studium: „Laufen muss jeder allein.“

Derzeit fördert die Konrad-Adenauer- Stiftung 3500 deutsche und ausländische Studenten und Promovenden. Mehr als 12 000 Altstipendiaten sind es seit der Gründung 1955. Zu denen, die nun der Bundesregierung angehören, zählen auch die Staatsminister Helge Braun und Monika Grütters. Neben Silberhorn wären da die parlamentarischen Staatssekretäre Ralf Brauksiepe (Verteidigungsministerium), Steffen Kampeter (Finanzministerium), Günter Krings (Innenministerium), Thomas Rachel (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und Maria Flachsbarth (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft).

Flachsbarth engagiert sich intensiv im Alumninetzwerk der KAS, brachte die christliche Stiftung beispielsweise mit einem jüdischen Studienförderwerk in Kontakt und organisierte den Gesprächskreis Islam innerhalb der KAS mit. Zum Vorstand der Stiftung pflegt sie enge Beziehungen. „Das liegt auch daran, dass ich mich der Konrad-Adenauer-Stiftung noch immer sehr verbunden fühle. Durch das Stipendium hatte ich viel Zeit für meine Promotion.“ Während des Studiums der Tiermedizin wurde sie von der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert, für die Promotion wechselte sie zur KAS. In der Zeit als Stipendiatin dort sei ihr noch einmal bewusster geworden, welche Verantwortung sie als Person in der Gesellschaft hat, sagt Flachsbarth. „Die Stiftung appelliert an ihre Mitglieder, gesellschaftlich und politisch Verantwortung zu übernehmen.“ Die Tendenzen, sich ins Private zurückzuziehen, versteht sie nicht. Einer der Leitsätze, die sie heute Stipendiaten zu vermitteln versuche, laute: „Demokratie braucht Demokraten“, sagt Flachsbarth. „Demokratie braucht Menschen, die sie leben und lebendig machen.“

„Früher waren die Volksparteien Karriereförderbänder für Menschen mit einfacher Bildung.“

Das sei das Ziel der parteinahen Stiftungen, sagt auch Susanna Schmidt. Die Gründung der Begabtenförderwerke nach Ende des Zweiten Weltkrieges habe verhindern sollen, „dass wieder reine Funktionseliten entstehen, Ziel war es, Werte zu verankern“, sagt Schmidt. „Die Gesellschaft braucht kritische junge Leute, die nicht alles mitmachen.“

Netzwerke, die sich aus Stiftungen speisen, findet Everhard Holtman, Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle, nicht problematisch. „Die Gruppen sind nicht exklusiv, es findet keine sogenannte Schließung von Eliten statt“, erklärt der Parteienforscher. Die Auswahlverfahren seien transparent. „Durch die sechs parteinahen Stiftungen in Deutschland wird außerdem ein Pluralismus gewährleistet.“ In den vergangenen Jahrzehnten habe der Anteil der Hochschulabsolventen in den großen Parteien jedoch zugenommen, sagt Holtmann. Die Chancen derer, die keinen Universitätsabschluss haben, würden so reduziert. „Früher waren die Volksparteien Karriereförderbänder für Menschen mit einfacher Bildung.“

Die mangelnde soziale Durchlässigkeit der Parteien kritisiert auch der Elitenforscher Michael Hartmann. „Die CDU ist ausgesprochen undurchlässig, in der Partei gibt es die wenigsten sozialen Aufsteiger“, sagt der Professor der Technischen Universität Darmstadt. 70 Prozent der CDU-Mitglieder in der Bundesregierung seien Akademikerkinder. In der CSU gebe es einen höheren Anteil von Aufsteigern, sagt Hartmann, das korrespondiere auch mit den Stiftungen. Am exklusivsten seien die Studienstiftung des deutschen Volkes und die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, dann folgt die KAS.

„Die Altstipendiaten bilden ein parteiinternes Netzwerk – aber nur eins von vielen“, sagt Naumann. Dass sie so zahlreich in der derzeitigen Bundesregierung sitzen, findet er zwar bemerkenswert, hält dies aber für einen Zufall. Zwischen den unterschiedlichen Netzwerken gebe es zahlreiche Überschneidungen. Die Altstipendiaten seien daher vermutlich über andere, beispielsweise regionale Schlüssel auf die Posten gekommen. Wie eine Neuauflage des Andenpakts klingt das nicht.

Die KAS gibt zu: Begabtenförderung ist Elitenförderung

Von den aktuellen Mitgliedern der Bundesregierung kennt Silberhorn niemanden über die KAS. „Bei vielen habe ich erst im Bundestag mitbekommen, wer auch einmal bei der Konrad-Adenauer-Stiftung war.“ Von einigen wusste er gar nicht, dass sie früher auch KAS-Stipendiaten waren. Es sei nicht so, dass eine Stipendiatengruppe gemeinsam den Karriereweg antritt, sagt Silberhorn. Dafür sei das Netzwerk zu weit verzweigt. Viele der ehemaligen Stipendiaten seien in die Wirtschaft und die Wissenschaft gegangen, auch Künstler seien gefördert worden.

Im Ausland sei er immer wieder Politikern begegnet, die früher von der KAS gefördert wurden. „Auch wenn man sich vorher gar nicht kannte – wenn man diese Gemeinsamkeit einmal festgestellt hat, lassen sich Kontakte sehr schnell ausbauen.“

Ganz unkritisch sieht Michael Hartmann die KAS-Förderung aber nicht: „Elitenbildung ist der Sinn solcher Stiftungen und Netzwerke.“ Die KAS bekennt sich dazu, dass Begabtenförderung zugleich Elitenförderung ist. Sie sieht sich selbst als Werte- und Leistungselite. Hartmann rechnet die Altstipendiaten zur Machtelite: „Entscheidend ist, wer wirklich Einfluss nehmen kann auf gesellschaftliche Entwicklung.“ Gesamtgesellschaftlich spielen die Stiftungen seiner Meinung nach aber keine Rolle – „über den politischen Bereich hinaus haben sie kaum Einfluss“.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 24. Juni 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag in Sitzungswochen des Bundestages erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen. Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

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