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Ein Brexit - ein Austritt Großbritanniens aus der EU - hätte weitreichende Folgen für alle Beteiligten.

© AFP

Political Animal: Drohender Brexit: Abwarten und Tee trinken reicht nicht

Warum die G-7-Staaten alles tun müssen, den Brexit - den Austritt Großbritanniens aus der EU - zu verhindern. Ein Kommentar.

Nicht allein die Finanzminister der sieben großen Industriestaaten (G 7) sind in Sorge wegen eines möglichen Austritts von Großbritannien aus der EU. Aber die noch einmal ganz besonders, eben weil es um Geld, viel Geld geht. Denn ein Brexit würde das wirtschaftliche Umfeld der gesamten Welt erschüttern. Insofern, aber das nur am Rande, ist Britannien dann doch noch eine Großmacht.

Zumal die großen Unternehmen des Landes stellen sich auf einen Kursverfall des Pfund um mehr als zehn Prozent ein, sollte Großbritannien die EU verlassen. Vier Fünftel dieser Firmen sind dabei, sich abzusichern, sagen die Banken. Kleine und mittlere Firmen haben da offenbar geringere Bedenken. Wiewohl das Pfund seit Anfang Dezember bereits zehn Prozent an Wert verloren hat.

Stimmt eine Mehrheit am 23. Juni für einen EU-Austritt, wird es „extrem schwierig“, Handelsabkommen mit EU- Ländern zu schließen. Will sagen: Weiter am Tisch zu essen, den man verlassen hat, geht nicht – so prägnant hat es Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ausgedrückt. Hinzu kommt: Die Regierung in London, ob dann noch unter David Cameron oder Boris Johnson, müsste mit mehr als 50 Ländern über gemeinsame Geschäfte neu verhandeln, die nicht in der EU sind.

Auswirkungen wie eine Steuererhöhung

Die Rechnung, die die Finanzminister aufmachen, ist dementsprechend: Die Neuverhandlungen dauerten Jahre, in denen britische Unternehmen keine Sicherheit hätten. Sie würden deshalb vermutlich auf Neueinstellungen und Investitionen verzichten, warnt Finanzminister George Osborne. „Das trifft die Einkommen der Leute, den Wert von Häusern, es trifft Unternehmen und Jobs.“ Und die Finanzfirmen, die innerhalb der kommenden zehn Jahre laut einer Studie 21,5 Milliarden Euro verlören.

Wohl auch vor diesem Hintergrund sind die Mitglieder des Verbands der britischen Industrie (CBI) – anders als fast 40 Prozent der Mitglieder der Britischen Handelskammer – in einer Umfrage zu 80 Prozent für einen Verbleib in der Europäischen Union.

Die Auswirkungen eines Brexit wären laut OECD ähnlich wie bei einer enormen Steuererhöhung. Für jeden einzelnen Privathaushalt ergäben sich Verluste von durchschnittlich einem Monatsgehalt, so ungewiss, wie die wirtschaftliche Entwicklung nach einem Austritt dann wäre. Und das alles ist nur die finanzielle Seite!

Über die politische beraten die Staats- und Regierungschefs der G 7 am kommenden Donnerstag und Freitag auf ihrem Gipfel in Japan. Einen Monat vor dem Brexit-Referendum wollen sie überlegen, wie sie allen noch europafreundlichen Briten Rückendeckung für einen Verbleib des Landes in der EU geben können.

Die Kolumne "Political Animal" von Stephan-Andreas Casdorff erscheint jeden Dienstag in der "Agenda" im gedruckten Tagesspiegel.

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